Orange Week / Frauen müssen darüber reden – Wie es ist, von häuslicher Gewalt betroffen zu sein
Am 25. November findet der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen statt. Eine Betroffene schildert, wie sie die jahrelange häusliche Gewalt, die ihr widerfahren ist, erlebt hat und warum sie sehr lange niemandem davon erzählt hat. Jemand, der in solchen Fällen helfen kann, ist Béatrice Ruppert, stellvertretende Direktorin bei der „Fondation Pro Familia“.
Lara Monsanto* ist seit mehr als 20 Jahren verheiratet und hat zwei Kinder. Fast genauso lange lebt sie mit dem aggressiven Verhalten ihres Mannes, der wiederholend die Kontrolle über sich verliert. Lara muss Demütigungen und Schläge ertragen. Einmal habe ihr Mann sie sogar mit einem Messer bedroht. Daraufhin habe sie die Polizei gerufen. Das Traurige sei, dass das alles nur aufgrund seiner Aggressivität geschehe. Er trinke nicht und konsumiere auch keine Drogen.
Aus Angst und Scham erzählt sie lange Jahre niemanden von ihrer Situation. Ihrer Familie verschweigt sie ihre Situation. Auch heute noch möchte sie anonym bleiben. Ein Zeichen dafür, wie schwierig es immer noch ist, darüber zu sprechen.
Wer als Opfer von häuslicher Gewalt den Schritt gehen möchte und nach Hilfe sucht, kann sich an die „Fondation Pro Familia“ aus Düdelingen wenden. Mit anderen Vereinigungen zusammen wurde im April eine Helpline, für Frauen und Männer, ins Leben gerufen, um in diesen Zeiten eine zusätzliche Hilfe anbieten zu können. „Pro Familia“ bietet dazu psychosoziale Beratungen an. Frauen in Notsituationen können im Frauenhaus einen ersten Zufluchtsort finden. „Wir bieten eine Anlaufstelle, damit die Betroffenen in diesen Fällen weniger alleine sind“, sagt Béatrice Ruppert, stellvertretende Direktorin der „Fondation“.
Bei häuslicher Gewalt entstehe oft die Situation, bei der ein Partner versucht, Kontrolle über den anderen auszuüben und ihn zu dominieren, sagt Béatrice Ruppert. Das führe dazu, dass das Selbstwertgefühl des Betroffenen am Boden liegt, dieser sich nichts mehr zutraut, sich isoliert und seine Kontakte verliert. Als Konsequenz werde er immer abhängiger von seinem Partner und die Trennung umso schwieriger. Die Gewalt entstehe erst nach und nach. „Es fängt im Kleinen an mit Abwertungen wie Kritik am Kleidungsstil an den Kochkünsten oder an der Freundin“, sagt Béatrice Ruppert.
Digitale Gewalt kommt immer mehr auf
Zu dieser psychischen Gewalt komme oft die ökonomische Gewalt hinzu, indem der Täter dem Opfer den Zugang zu Geld verwehrt. „Etwas, das wir immer häufiger sehen, ist die digitale Gewalt“, sagt Ruppert weiter. Dann werde das Handy weggenommen, die Kontakte werden kontrolliert oder die Telefonnummer von Kontaktpersonen werde gelöscht. „Physische Gewalt ist vielleicht am sichtbarsten. Doch die anderen Formen von Gewalt sind genauso zerstörend“, sagt die stellvertretende Direktorin.
Immer wieder kämen aber Phasen vor, in denen es besser läuft, in denen schönere, ruhigere Zeiten miteinander erlebt werden. „Dann kommt die Hoffnung auf, dass es so bleiben könnte“, sagt Ruppert. Denn viele wünschten sich keine Trennung, sondern, dass die Gewalt aufhöre und eine bessere Partnerschaft geführt werden könne. Deswegen sei es für viele Opfer so schwierig, sich endgültig vom Partner zu trennen. Doch externe Faktoren könnten dazu beitragen, die Handbremse zu ziehen. Zum Beispiel, wenn ein physischer Übergriff auf die Kinder stattfindet und diese geschützt werden sollen. Oder wenn ein konkretes Hilfsangebot von außen komme und die Betroffenen dann wüssten, dass sie nicht alleine sind, sagt Ruppert.
Eingeständnis als erster Schritt
Warum Lara heute noch mit ihrem Mann zusammen ist, ist für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen. Ihr habe bisher die Kraft gefehlt, ihn zu verlassen, erzählt sie. Sie liebe ihn immer noch und möchte eigentlich nur das Beste für ihre Familie. Doch über ihre Konflikte konnten die beiden lange nicht sprechen. „Meine Tochter würde mich unterstützen, wenn ich mich scheiden lasse. Doch ich schaffe es nicht“, sagt Lara mit viel Emotion in der Stimme.
Daten darüber, wie viele Täter von häuslicher Gewalt sich am Ende ändern können, gibt es nicht. Ein erster Schritt sei, sein eigenes soziales Verhalten infrage zu stellen, sich einzugestehen, etwas falsch gemacht zu haben, erklärt Béatrice Ruppert. Nur so könne man an sich selbst arbeiten. Dienste wie „Riicht eraus“ vom Roten Kreuz bieten dabei professionelle Hilfe an, arbeiten Strategien aus oder helfen, an die Quelle des eigenen Verhaltens zu gelangen. Viele Menschen, die gewalttätig sind, hätten in ihrer Kindheit selbst Gewalt erlebt, so Ruppert.
Vor einigen Monaten hat sich Laura endlich getraut, sich an eine Psychologin zu wenden und ihr alles zu erzählen. Das habe ihr gutgetan und ihr viel geholfen, sagt sie. Auch ihr Mann hat psychologische Hilfe in Anspruch genommen. In den letzten vier Monaten hat sich die Beziehung verändert und der Ehemann kann sein Verhalten besser kontrollieren. Lara rät allen Frauen in ähnlichen Situationen, das Tabu zu brechen und darüber zu reden. Sie bedankt sich für das Gespräch und das Zuhören: Alleine das würde schon helfen, um leichter damit zurechtzukommen.
* Name von der Redaktion geändert.
Zahlen und Fakten (für 2019)
135 Frauen haben die psychosoziale Beratung von „Pro Familia“ in Anspruch genommen.
152 Kinder und Jugendliche sind wegen häuslicher Gewalt in psychologischer Beratung gewesen.
18 Frauen und 19 Kinder sind im Frauenhaus aufgenommen worden. Die Unterkunft ist fast durchgehend voll ausgelastet.
Weitere Infos zu den Hilfsangeboten gibt es unter: www.profamilia.lu.
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