Luxemburg / Freude, Schock und Trauer: Wie junge Erstwähler die Parlamentswahlen erlebten
Luxemburg hat gewählt – manche der Stimmberechtigten zum ersten Mal. Gespräche mit sechs Erstwählerinnen und Erstwählern zeigten bereits vor dem Urnengang am Sonntag, dass die Meinungen beim Thema Politik weit auseinandergehen. Und auch nach der Wahl fallen die Reaktionen – von Freude über Schock bis hin zu Trauer – ganz unterschiedlich aus.
Nachdem Mandy Schneider aus Beles sich auf ihre erste Parlamentswahl gefreut hatte, ist nun Ernüchterung eingekehrt. „Ich habe den Eindruck, dass meine Stimme nichts gebracht hat und das Gefühl, nicht gehört zu werden“, stellt die 19-Jährige traurig fest. Nachdem sie am Sonntag mit ihrer Schwester um 9 Uhr beim Wahllokal vorbeigeschaut hat, hielt die Schülerin sich größtenteils über das Fernsehen auf dem Laufenden. „Da ich noch Sachen für die Schule vorbereiten musste, habe ich auch per Handy den Liveticker verfolgt.“ Wütend ist sie darüber, dass nur wenige ihr(e) Kreuz(e) bei den Grünen und viele andere bei der ADR gemacht haben. Dafür hat Mandy Schneider aber eine Erklärung: „Bis auf diese Partei war keine bei TikTok präsent. Von der ADR allerdings wurden mir jeden Tag Beiträge angezeigt.“ Viele Nutzerinnen und Nutzer der Videoplattform hätten sich dann nicht weiter informiert und in den Kommentaren – und später wohl auch in der Wahlkabine – ihre Zustimmung ausgedrückt. Die Schülerin bedauert weiter, dass nur 18 Frauen ins Parlament gewählt wurden. Und eher wenig junge Menschen. „Wie sollen alte Leute über unsere Zukunft entscheiden? Sie sind in einer anderen Zeit zur Schule gegangen und haben noch die Mentalität von früher. Es sollte eher ein guter Mix sein“, stellt die 19-Jährige fest, die für mehr Diversität im Parlament plädiert.
Daniel Migliosi aus Rümelingen freute sich ebenfalls darauf, sein Recht auf Mitbestimmung wahrzunehmen und hat das am Sonntag gemeinsam mit seinen Eltern getan. „Unser Sonntagsevent“, erklärt der 19-Jährige lachend. Danach ist der Student mit dem Zug nach Montpellier zu seiner Freundin gefahren und hatte dabei Zeit, sich über die Aktualität auf dem Laufenden zu halten: „Ich war neugierig und habe mir immer wieder auf meinem Handy die Ergebnisse angesehen.“ Er wundert sich vor allem über den Stimmengewinn der ADR, da er nur Menschen kenne, die von sich behaupten, diese Partei niemals zu wählen. Wenn auch Daniel Migliosi Erfahrung bei politischen Verantwortlichen begrüßt, ist er dennoch nicht wirklich zufrieden mit dem Wahlausgang. Weil viele ihre Stimmen eben anders vergeben haben als er. „Als einzelner Wähler fühlt man sich dann doch klein und ich habe mich beim Gedanken erwischt, dass meine Stimme nicht die Welt ausmacht.“ Mit Ausnahme der ADR – von der er überzeugt ist, dass diese Partei seine Meinung nicht repräsentiert – will er den Gewählten aber eine Chance geben und schauen, wie sie mit den Herausforderungen der Zukunft umgehen.
Lena Cecconi hat per Briefwahl am Urnengang teilgenommen, da sie am Wahlsonntag in Köln war. „Als ich abends nach Hause gekommen bin, hat meine Mutter mich über die Ergebnisse informiert. Ich fand das nicht so interessant, denn ändern kann ich danach ohnehin nichts“, erzählt die 21-Jährige aus Beles. Sie hatte vor der Wahl unter anderem geäußert, dass die Politik mehr Wert auf das Stärken der Luxemburger Sprache legen sollte. Über den Zuwachs der ADR – die sich für eben dieses Thema einsetzt – freut sich die Trierer Studentin trotzdem nicht unbedingt. „Sie gehen die Sache in meinen Augen falsch an und hätten ruhig auch weniger Stimmen bekommen können.“ Dass die grüne Partei Stimmverluste einstecken musste, bedauert Lena Cecconi nicht. Ihrer Ansicht nach habe die Partei zu viel verändern wollen. Den Wechsel in der Regierung findet sie allerdings gut. Ebenso, dass Jüngere ins Parlament gewählt wurden. Ob sie als Bürgerin nun in der Chamber repräsentiert ist, fällt Lena Cecconi schwer zu sagen. Mit der Feststellung: „Ich hoffe, dass ich mich in Zukunft mehr für das Thema interessiere, damit ich in fünf Jahren vielleicht mehr darüber diskutieren kann.“
Gilles Hoffmann hätte am liebsten schon ab 16 gewählt. Nun konnte der 19-Jährige aus Mamer endlich mitbestimmen und hat das per Brief getan. Und sich dennoch am Sonntag mit der Wahl beschäftigt: „Ich habe die Prognosen und Ergebnisse über das Internet verfolgt und mir eigentlich nichts dabei gedacht. Schockiert, habe ich mich abends dann aber gefragt, ob die Leute wissen, was sie da wählen“, erzählt der Abschlussschüler und spricht damit den Stimmenzuwachs der ADR an – eine Partei, die sich seiner Meinung nach weniger durch konkrete Inhalte als durch emotionsgeladene Phrasen auszeichnet. Auch die CSV überzeugt den Erstwähler nur wenig: „Sie steht nicht für Dinge, die mir wichtig sind – wie der Umweltschutz oder das Ausländerwahlrecht. Und wirkt auf mich wie eine Partei für ältere Wähler.“ Aus seinem Umfeld hätten viele Aktivisten aufgehört, für Grün zu stimmen, da in den vergangenen Jahren nicht genug passiert sei und sie sich radikalere Maßnahmen erwartet hatten. Zum Teil sieht Gilles Hoffmann sich von jüngeren Abgeordneten nun im Parlament repräsentiert, sagt aber auch über die gewählte Konstellation: „Bei vielen könnte man meinen, es ist ein und dieselbe Person. Es sitzen, aus meiner Sicht gesehen, viele alte Menschen im Parlament. Es gibt keine Diversität.“ Auch wenn Gilles Hoffmann nicht zufrieden mit dem Ergebnis ist, sagt er: „Ich bin immer noch glücklich darüber, dass ich endlich wählen konnte und wir in einer Demokratie leben.“
Zum ersten Mal überhaupt war auch Patty Bartholomey aus Michelau bei einem Urnengang dabei, denn im Juni hatte in ihrer Gemeinde Burscheid keine Kommunalwahl stattgefunden. Da die 22-Jährige allerdings ihre Stimme bereits per Post abgegeben hatte und sich laut eigener Aussage eher weniger mit der politischen Aktualität auseinandersetzt, war der Urnengang am Sonntag für sie keine große Sache. „Ich war zu Hause und habe die Nachrichten überflogen, wenn eine Push-Benachrichtigung kam“, erzählt die Studentin. Sie steht dem Thema Politik – und damit auch dem Ausgang der Wahl – eher neutral gegenüber. Eine gefestigte Meinung zum Prinzip der Demokratie hat sie dennoch: „Die Abgeordneten sitzen da, weil sie gewählt wurden. Deshalb kann man sich nach der Wahl nicht über das Ergebnis beschweren – denn wir alle haben dazu beigetragen.“ Und so beschwert Patty Bartholomey sich auch nicht darüber, dass nur zwei Kandidaten unter 30 ins Parlament gewählt wurden. „Es ist gut, wenn auch ein paar jüngere Menschen in der Chamber sind, da sie eine andere Sicht auf die Dinge mitbringen. Ich finde es aber nicht tragisch, dass es nicht mehr sind.“
Per Briefwahl hatte Max Braun aus Mondorf seine Stimme schon vor dem Wahlsonntag abgegeben – was allerdings nicht heißt, dass der Frankfurter Student sich an dem Tag nicht weiter mit dem Thema beschäftigt hat. Im Gegenteil: „Ich habe mit einem Freund etwas unternommen, mir ab 14 oder 15 Uhr per App aber erste Hochrechnungen und Trends angesehen. Ab 19 Uhr habe ich alles eingehend verfolgt und fand das extrem aufregend.“ Spannend war für ihn vor allem, dass lange nicht feststand, wer die Wahl gewinnt und ob die aktuelle Mehrheit weitermachen kann. „Ich persönliche freue mich über eine neue Regierung“, sagt der 20-Jährige und erklärt, dass „déi gréng“ in seinen Augen eine Politik über die Köpfe der Menschen hinweg gemacht habe. Vor dem Urnengang hatte er erklärt, dass er sich von den künftigen Verantwortlichen erwarte, dass diese den Klimawandel angehen. In Bezug auf das Plus an Stimmen der ADR stellt der Student fest: „Überall in Europa gewinnen rechte Parteien. Man muss sich fragen, weshalb.“ Da seine Meinung in der Konstellation der Abgeordnetenkammer – wie sie nun gewählt wurde – vertreten ist, findet Max Braun sich darin wieder und schlussfolgert: „Ich werde als Bürger repräsentiert.“
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Bei Wahlen merkt man sehr gut wie weit die Weltanschauung von Jung zu Alt sich verändert. Beispiel die Grünen. Die gibt es seit Mitter der 1970er. Würde die Partei mir ihren Wählern wachsen wären sie heute bei +35% . Es ist aber nicht so, was uns zeigt dass die Politik dieser Partei nur bei Menschen ankommt die noch nicht voll im Leben stehen . Als Student ist es leichter zu fordern dass man 10.000nde ausgeben soll um das Klima zu retten . Als Berufstätiger macht man sich Gedanken wie man all das bezahlen soll. Aus diesem Grund verlieren diese Parteien , mit ein paar Ausnahmen, ihre Wählerschaft, je älter der Wähler wird
@BP: Stellen Sie sich als Berufstätiger denn nicht die Frage, wo die tausenden von Milliarden herkommen, welche plötzlich für Waffen bereit stehen? Die Aussicht, den sogenannten Gegner kräftig auf die Schnauze zu hauen, lässt sich halt besser vermitteln als langweilige Klimapolitik.