Erstes Pressebriefing / Friedens One-Man-Informationsstunde von heute ist Junckers Tafelrunde von früher
Nach dem Regierungsrat und vor dem Europäischen Gipfel – Luc Frieden ist einen Monat im Amt und ganz im Premiermodus. Den Modus Vivendi mit der Presse will er noch finden, sagt er in seinem ersten Pressebriefing.
Einige unter den anwesenden Journalisten erinnern sich noch an die legendären Pressebriefings von Jean-Claude Juncker, zu denen der damalige Premierminister (1995-2013) meistens an Freitagnachmittagen nach den Sitzungen des Regierungsrates ins Staatsministerium einlud: An einem langen Tisch, umgeben von den sich um ihn scharenden Journalisten, trug Juncker mit sonorer Stimme vor, was sein Kabinett vorher besprochen und beschlossen hatte. Nur ein Kamin fehlte.
Ein Zeitsprung von zehn Jahren und wir befinden uns in dem Gebäude ein paar hundert Meter weiter, wo das Kooperationsministerium untergebracht ist. Wie einst unter Juncker brauchen die Pressevertreter etwas Geduld, bis Premier Luc Frieden den für Pressekonferenzen genutzten Raum betritt. Außer dieser Gemeinsamkeit ist (fast) alles anders. Der Regierungschef tritt an das Rednerpult, wie Juncker und, im Gegensatz zu Vorgänger Xavier Bettel, ohne Begleitung eines Mitglieds der Regierung, und begrüßt die Journalisten mit der Bemerkung, von Zeit zu Zeit ein „kleines Briefing“ zu veranstalten, um über die Arbeit des Ministerrates zu informieren. Schließlich sei er in seiner Funktion als Premierminister auch für Medien und Konnektivität zuständig. Man müsse nur noch einen Modus Vivendi für eine gute Kommunikation finden, so Frieden. Und manch einer dürfte dabei an den etwas holprigen Start seiner Regierung vor rund einem Monat denken, als das Koalitionsabkommen per Leak an die Medien und damit an die Öffentlichkeit gelangte.
Mit gutem Flow zum Gipfel
Er wisse, dass sich die Presse einen besseren Zugang zu Informationen wünsche, so der CSV-Politiker. Er gibt eine kurze Zusammenfassung vom ersten Monat der Regierungsarbeit, in dem die Minister viermal zusammenkamen und es vor allem viele organisatorische Fragen zu klären gegeben habe. Schließlich seien insbesondere von seiner Partei viele Minister neu im Amt, sagt Frieden und betont, dass die alle „extrem motiviert sind, um das Koalitionsprogramm umzusetzen“. Er spüre dabei „eng flott Ambiance“ und eine „positive Energie“. Der Regierungschef scheint selbst hingerissen von der guten Stimmung zu sein.
Mit diesem Flow fährt der Premierminister am Nachmittag nach Brüssel, wo er an seinem ersten EU-Gipfel als Regierungschef teilnimmt. Frieden ist sich dabei durchaus bewusst, dass sich Europa in „ganz schweren Zeiten“ befindet. Bei dem Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag müssen die Weichen gestellt werden. Denn in Brüssel geht es darum, inwiefern die Europäische Union die Ukraine weiter unterstützt – sowohl finanziell als auch perspektivisch. Auf dem Programm stehen das „schwierige Sujet der Erweiterung“ und die Entscheidung des Europäischen Rates über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau. „Wenn es zu Erweiterungsgesprächen mit der Ukraine und Moldau kommt, wird Luxemburg dies unterstützen“, erklärt Frieden und fügt hinzu: „Es sind aber noch einige Etappen in einem langen, komplizierten Prozess.“ Ohne gleich Ross und Reiter – das heißt: Land und Ministerpräsident – zu nennen, sagt er: „Ich bedauere, dass ein Land noch Schwierigkeiten macht.“ Jeder weiß, wen er meint: den Ungarn Viktor Orbán. Und später wird Frieden sagen: „Ich habe den ungarischen Ministerpräsidenten bis heute noch nicht getroffen.“
Dafür hat er etwa mit Charles Michel, dem Präsidenten des Europäischen Rates, mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und mit Roberta Metsola, der Präsidentin des Europaparlaments, gesprochen. Er begrüße, dass Donald Tusk nun neuer polnischer Ministerpräsident ist. Der frühere Präsident des Europäischen Rates und der Europäischen Volkspartei, der auch die CSV angehört, ist im Vergleich zu seinem Vorgänger Mateusz Morawiecki ein ausgemachter Pro-Europäer. Und Frieden – wohlwissend, dass der Gipfel nicht problemlos über die Bühne gehen wird – kommt nicht umhin, zu betonen: „Europa wurde als Alternative zum Krieg erfunden.“
Eine Alternative zum Klimaschutz hingegen gibt es nicht. Dass sich Frieden dessen bewusst ist, hat er schon im Wahlkampf immer wieder betont. Seinen Parteikollegen, den Ministernovizen Serge Wilmes, der gleich im ersten Monat als Leiter des Umweltressorts auf der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai Präsenz zeigte, lobt er. Der in den Emiraten erzielte Kompromiss sei positiv zu bewerten. Auch wenn das Ergebnis in Richtung Ausstieg aus den fossilen Energien zeigt, für Wilmes übrigens „ein historischer Schritt“, halten andere, insbesondere Klimaschutzaktivisten, den Beschluss für zu lasch. Frieden formuliert es so: „Fossile Energien werden künftig nicht mehr als Zukunftsenergie betrachtet.“ Es ist die stilistische Form des verneinenden Satzes, die an Juncker erinnert.
„Menschen mitnehmen“
Einmal mehr befürwortet der Premierminister das Ziel der maximal 1,5 Grad Erderwärmung. Auch darüber hinaus besteht Kontinuität zur Vorgängerregierung. Die zusätzliche finanzielle Unterstützung für den Kauf von Fotovoltaikanlagen (von 50 auf 62,5 Prozent) oder für den Umstieg von einer Gas- oder Ölheizung auf eine Wärmepumpe (von 30 auf 50 Prozent), die Ende Dezember auslaufen sollte, wird um ein halbes Jahr verlängert. In dieser Zeit will die Regierung die Wirksamkeit überprüfen lassen und eventuell ein sozial gestaffeltes System einführen. Im kommenden März sollte auch die Beihilfe beim Kauf von Elektroautos und E-Bikes enden. Auch dies wird bis Ende Juni verlängert. Insgesamt betont Frieden dreimal, dass er Chef einer Regierung sei, die in Sachen Klima- und Naturschutz sowie Biodiversität „keine Sachen aufzwingt“. Man müsse die Menschen in der Klimapolitik mitnehmen und nicht von oben herab entscheiden. Ein dezenter Seitenhieb in Richtung Vorgängerregierung?
Im Bereich „Logement“ unterscheidet Frieden zwischen steuerlichen und prozeduralen Maßnahmen. In puncto Steuern arbeite die Regierung an den Gesetzen, was etwa das „Amortissement accéléré“ oder den „Bëllegen Akt“ betrifft. Auch wenn über sie erst später im Parlament abgestimmt werden sollte, würden sie dann rückwirkend ab dem 1. Januar gelten. Was die prozeduralen Maßnahmen angeht, werden die zuständigen Ministerien in den kommenden Wochen mit den Akteuren auf dem Terrain sprechen, etwa mit Vertretern der Baubranche, des Handwerks und der Architekten sowie der Gemeinden. Eine zentrale Frage lautet dabei: „Wie können wir kohärent an einem Strang ziehen, um mehr zu bauen?“ Eine größere Runde im Wohnungsbau werde es Ende Januar oder Februar geben.
Zum Thema Bettelverbot befragt, begrüßt der Premier die Entscheidung von Innenminister Léon Gloden (CSV). Das entspreche der Meinung der gesamten Regierung. Frieden sagt zudem, dass „wir auf sensible Art vorgehen wollen“, aber „der Situation nicht weiter zuschauen können“. Im Gegensatz zu anderen Ländern habe Luxemburg soziale Lösungen für diese Menschen. Näher geht er nicht auf das Thema ein. Sein erstes offizielles Pressebriefing ist zu Ende. Aus Junckers Tafelrunde von einst ist Friedens One-Man-Informationsstunde von heute geworden. Die Begeisterung, von der er kürzlich in einem Interview sprach, ist dabei seinem Lächeln am Ende durchaus zu entnehmen.
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Ab 1933 waren die „Pressebriefings“ in der päpstlichen Bistumszeitung und halboffiziellen Regierungszeitung „Luxemburger Wort“ von Verrat an der Demokratie und von einer Kollaborationspflicht mit einem faschistischen antisemitischen Bomben-Terrorregime geprägt. Wann endlich, Herr FRIEDEN, kann in Luxemburg über dieses brunnenvergiftende Thema frei gesprochen werden?
MfG
Robert Hottua