Reportage im LGE / „Für die Abiturienten war es nicht einfach“
Am Freitag war Halbzeit bei den schriftlichen Examen. Das Tageblatt hat den Abiturienten und dem Direktor des Escher „Lycée de garçons“ (LGE) auf den Zahn gefühlt und verschiedene Eindrücke gesammelt. Die Primaner wirken recht gelassen, doch der Druck, der auf ihnen lastet, den können sie nicht verbergen.
Es ist mucksmäuschenstill. Das Einzige, was man hört, ist Flüstern. Es ist nicht so, dass die Abiturienten sich während des Examens austauschen würden. Nein, denn schließlich sitzen sie jeweils zwei Meter voneinander entfernt. Es ist LGE-Direktor Pascal Bermes, der oben auf der Empore steht und dem Tageblatt-Journalisten Erklärungen gibt. Unten hören die Schüler dies hoffentlich nicht. Die ganze Sporthalle wurde mit Teppichboden ausgerollt. „Das dämpft die Geräuschkulisse“, sagt Bermes.
Am letzten Examenstag vor den Pfingstferien stehen mehrere der insgesamt 96 Bänke in der großen Turnhalle des Escher „Lycée de garçons“ leer. Nicht etwa, weil viele Schüler krank sind, sondern weil an dem Tag nur die Sektionen A (Sprachen), B (Mathematik), C (Biologie) und D (Wirtschaft) ihre Prüfungen schreiben, flüstert der Direktor dem Tageblatt-Journalisten zu. Am Morgen steht je nach Sektion Mathematik oder Französisch auf dem Programm. Am Nachmittag wird sich der Saal noch weiter leeren, erklärt Bermes. Dann schreiben jene Sektionen, die Französisch als Nebenfach haben, eine weitere Prüfung.
Ich bin zu müde, um gestresst zu seinAbiturientin 1re A
„Ich habe keine Ahnung, wie es gelaufen ist“, sagt Julie, die Französisch als Hauptfach auf der Sektion A hat. Sie und ihre Freundin Xenia haben gerade eine Dissertation über Antigone, eine Tragödie des antiken griechischen Dichters Sophokles, hinter sich. Beide wirken erschöpft. „Es war vom Thema her nicht das, was wir erwartet hatten. Es war komplizierter“, sagt Julie. „Ich bin zu müde, um gestresst zu sein“, sagt sie mit einem deutlich sarkastischen Unterton. Beide Schülerinnen haben am Freitag nach der Französisch-Prüfung bereits sechs Examen hinter sich. Julie hat sich schon an mehreren Unis in Frankreich angemeldet, darunter in Straßburg und Nancy, sagt sie. Xenia bleibt lieber in Luxemburg und hat sich für ein Studium an der Uni.lu entschieden. Sie hat sich zwar angemeldet, aber noch keinen definitiven Platz bekommen. „Ich warte ja noch auf das Resultat vom heutigen Französisch-Examen“, scherzt sie.
Schülerin befürchtet Verzögerungen auf der Uni
Andere Schüler fahren mehrgleisig. Stacy, ebenfalls Sektion A, hat sich sowohl an der Uni.lu als auch an zwei französischen Unis, in Metz und Nancy, beworben. Wegen der Pandemie-Situation hat sie zumindest keine ernsthaften Bedenken, was ihr Studium anbelangt. Dennoch befürchtet sie, dass sie erst sehr spät Antworten von den Universitäten bekommen wird. „Ich glaube, dass alles in Verzug geraten wird.“ Stacy scheint sichtlich erleichtert über die neue kurzfristig angekündigte Regelung, die vorsieht, dass sämtliche Prüfungen des „Premières-Examen“ zwischen Anfang und Mitte Juni nachgeschrieben werden können. Sie sagt: „Es ist ja nicht unbedingt die Schuld der Person selber, wenn sie positiv getestet wird. Ich finde es doof, dass man wegen einer Woche Nachsitzen ein ganzes Semester an der Uni verlieren kann.“
Direktor Pascal Bermes nennt diese neue Regelung ein Entgegenkommen für jene Schüler, die positiv getestet wurden. „Es ist ein komisches Jahr“, sagt er. „Wir müssen das im Sinne der Schüler sehen, das ist unser Job.“ Auch organisatorisch sieht Bermes keine Probleme, die Nachholtermine im Juni umzusetzen. „Das ist ja auch keine Masse an Schülern, das sind Einzelfälle“, sagt er. Er habe keine großen Bedenken.
Am Anfang der Prüfung war ich ziemlich gestresst. Wenn man gestresst ist, dann stört die Maske bei der Atmung.Abiturient 1re C
Simon ist auf einer 1re C und hat sich für die Uni.lu entschieden. Er möchte dort Medizin studieren. Er wirkt ziemlich gelassen nach seinem Mathe-Examen. „Am Anfang der Prüfung war ich ziemlich gestresst“, sagt er. Die Maske, die er die ganze Zeit über tragen musste, habe ihm am Anfang Probleme bereitet. „Wenn man gestresst ist, dann stört die Maske bei der Atmung.“ Die anfängliche Aufregung habe sich dann aber schnell gelegt.
Hektik und Stress wegen A/B-Wochen
Das Pensum wurde für die diesjährigen Abiturprüfungen um 15 Prozent gekürzt. Dass das Examen deshalb weniger anspruchsvoll sei, möchte niemand hören. „Es war schrecklich. Ich bekomme eine ‚Datz‘“, sagt eine Schülerin der D-Sektion. Noah und Emma, die beide auf der C-Sektion sind, fanden das Mathe-Examen allerdings nicht so schwierig. Im Vergleich zu den Prüfungen der vergangenen Jahre, die sie zur Vorbereitung geschrieben haben, sei die diesjährige einfacherer gewesen. Dennoch hatte sich eine schwierige Aufgabe in der Prüfung versteckt, sagt Noah. Trotz Pandemie treibt es die Schülerin in die weite Ferne. Sie hat sich an einer Universität in Kanada eingeschrieben. Dort möchte sie Kinesiotherapie studieren. Wenn sie dorthin fliegt, muss sie allerdings erst mal in Quarantäne. Das hält Noah aber nicht von ihrem Vorhaben ab. Über E-Mail hat man ihr angekündigt, dass sie sich dort impfen lassen kann. Emma will in Frankreich studieren, um später Französischlehrerin zu werden.
Auch Lisa (Sektion C) fand das Mathematik-Examen nicht so schwierig. „Die meisten Examen waren ziemlich einfach“, sagt sie. Lisa hat sich bei ihrer Studienauswahl noch nicht genau festgelegt. Sie überlegt noch, ob sie Human- oder Tiermedizin studieren soll. „Auf jeden Fall etwas im wissenschaftlichen Bereich, vielleicht auch Biologie“, sagt sie.
Die meisten Examen waren ziemlich einfachAbiturientin 1re C
Zumindest nach abgelegter Prüfung wirken die Abiturienten nicht sonderlich angespannt. Dennoch berichten einige, dass das alles nicht so einfach gewesen sei. Sind die Schüler mehr gestresst als sonst? „Bei den Abiturienten merke ich das nicht“, sagt Direktor Pascal Bermes. Angespannt waren seiner Meinung nach ganz besonders die Schüler des Wechselunterrichts. Die Klassen der 4e, 3e und 2e mussten monatelang jede zweite Woche zu Hause im Homeschooling bleiben. Nach den Pfingstferien sind die A/B-Wochen aufgehoben. „Ich bin froh, dass das nun ein Ende hat“, sagt Bermes. Vieles werde dadurch einfacher, auch was die Prüfungsplanung betreffe. „Die meisten Schüler sind froh, dass das vorbei ist.“ Der Direktor bezeichnet den Distanzunterricht als einen Zusatz, der aber den Präsenzunterricht nicht ersetzen könne. Nachdem die Schüler eine Woche zu Hause geblieben sind, kamen sie in die Schule und hatten dann Prüfungswoche, sagt Bermes. „Das war ziemlich viel Hektik und Stress für die Schüler.“
Reduziertes Pensum und mehr Druck
Für Außenstehende sieht das vielleicht alles gut aus, aber ich glaube, dass es für sie gar nicht einfach ist.Direktor des LGE
Laut Bermes hatten die Abiturienten einen anderen Stress. Sie haben sich die Frage gestellt, was denn sein wird, wenn sie positiv sind. Der Direktor nennt dies psychischen Stress. „Für sie war es nicht einfach“, sagt er. Das Pensum wurde zu 15 Prozent reduziert, aber die Primaner seien einem viel größeren Druck ausgesetzt. „Für Außenstehende sieht das vielleicht alles gut aus, aber ich glaube, dass es für sie gar nicht einfach ist.“ Deshalb sei es berechtigt, dass wenigstens das Pensum ein wenig heruntergeschraubt wurde. Bermes erinnert auch daran, dass es Klassen gab, wo Lehrer infiziert waren oder Schüler. Für diese Klassen sind Wochen verloren gegangen. „Wir haben Glück, da wir sehr wenige positive Fälle hatten“, sagt er. „Die Schüler sind sich der Situation bewusst. Sie halten sich ziemlich zurück.“
Weder zum Nach-Examen im September noch zur „Rentrée“ im Herbst konnte Bermes Konkretes berichten. Anweisungen habe er keine bekommen. Er geht aber davon aus, dass die Nach-Examen unter ähnlichen sanitären Maßnahmen stattfinden werden wie die aktuellen Examen. Vielleicht falle ja die Maskenpflicht weg, sagt er. Alles hänge davon ab, wie sich die Infektionszahlen entwickeln. Für die „Rentrée“ im September ist er jedenfalls optimistisch. Er plane eine richtige Diplomüberreichung. „Das haben sich die Abiturienten verdient“, sagt er. „Sie hatten keine schöne Zeit.“
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