/ „Für die Ewigkeit bestimmt“ – Deshalb feiern Eternal Tango ein Comeback beim „Food For Your Senses“-Festival
Sie gehören zu den erfolgreichsten luxemburgischen Bands aller Zeiten: Eternal Tango. Hatten die fünf Düdelinger noch in den zehn Jahren nach der Gründung 2002 eine steile Abwärtskurve verzeichnet, die außer ihnen vielleicht nur noch Inborn hinlegen konnte, so nahm der für die Ewigkeit bestimmte Tanz 2012 ein jähes Ende. Nicht einmal das damals geplante Album wurde fertiggestellt. Es folgten ein Abschiedssong und ein letztes Konzert im hauptstädtischen Atelier. Nun wird man sie wieder live erleben können. Wir haben kurz nach der Ankündigung, auf dem letzten „Food For Your Senses“-Festival noch einmal aufzutreten, mit Sänger David Moreira und Drummer Pit Romersa gesprochen.
Es habe niemals einen wirklichen Stillstand gegeben, meint Pit Romersa gegenüber dem Tageblatt: „Die ewige Reise ging immer weiter, nur eben auf unterschiedlichen Wegen für jeden Einzelnen von uns. Jeder konnte sich unabhängig von der Band weiterentwickeln. Wir werden zumindest aus meiner Perspektive immer Eternal Tango bleiben, ob wir die Band nun aktiv betreiben oder einzeln unseren Ideen nachgehen. Eternal Tango ist also doch für die Ewigkeit bestimmt.“
Angefangen hatte alles im Proberaum des Düdelinger Musikers Guy Schmit. Sein Sohn David, einer der Gitarristen von Eternal Tango, traf sich dort mit seinen Freunden, die damals noch nicht alle ein Instrument spielten. In Interviews erzählten die Bandmitglieder über all die Jahre immer wieder, dass man eben als Freunde entschieden habe, eine Band zu gründen, und sich dann langsam, aber sicher die Instrumente zugelegt und sich das Spielen selbst beigebracht habe. Eben diese DIY-Attitüde scheint wohl Musik-Kritiker als auch Fans weit über die Grenzen hinaus begeistert zu haben. Die Freundschaft stellte also lange das Bindeglied zwischen ihnen dar – aber wie sehen die Musiker diesen Punkt heute?
Ziemlich beste Freunde
„Die Freundschaft war ein wichtiges Element. Wir waren zwecks Touren oft wochenlang unterwegs. Man vermisste Familie und Partnerin, verpasste Geburtstage. Da war es sehr wichtig und hilfreich, Menschen um sich zu haben, die man respektiert und mag. Ich kenne auch Bands, bei denen Freundschaft eine weniger große Rolle gespielt hat, aber dafür andere Aspekte mehr zählten. Wir hatten einfach unglaubliches Glück, dass es bei uns auf allen Ebenen gefunkt hat“, beschreibt Sänger David die Situation, die sich augenscheinlich bis heute nicht wirklich verändert hat.
Die Fünf legten – in jener Konstellation, in der sie auch kommende Woche auf der Bühne des „Food for your Senses“-Festivals stehen werden – 2007 einen beeindruckenden Start mit ihrem Album „First Round at the Sissi Café“ hin. Zuvor hatte es aber bereits eine gemeinsame Split-CD mit Spyglass gegeben, bei welcher der E.T.-Bassist Tom Gatti mitspielte. Der Sound veränderte sich über die Jahre stark. Was sich vorerst im Bereich des Punk und Post-Hardcore verorten ließ, wurde immer weniger aggressiv, ja, fast schon poppig, und resultierte im Album „The Golden City.“ Orientierte man sich bewusst am Mainstream oder hatte die Band tatsächlich den Eindruck, dass Menschen einem mehr zuhören, wenn man weniger schreit?
„Wir haben uns eigentlich alle von Anfang an für sehr unterschiedliche Musikrichtungen interessiert. Ich selbst bin zum Beispiel eher mit Hip-Hop aufgewachsen, habe aber gleichzeitig auch die Beatles und Pantera gehört. Musik ist eine Frage der Sensibilität und Emotionen. Wenn sie dich trifft, ist Sparte oder Genre egal. Uns war durchaus bewusst, dass wir spätestens bei ‚Golden City‘ einen definitiven Übergang von härteren auf leisere Töne vollzogen. Es war nicht etwa ein Kompromiss, sondern eine gemeinsame Entscheidung. Einer von vielen Gedanken war, dass die Menschen mich verstehen, wenn ich singe, anstatt zu schreien. Wir wollten zugängliche Musik erschaffen und mehr Menschen erreichen „, sagt Moreira.
Sogar Menschen, die den Sound der Band gemeinhin nicht mögen, hegen einen gewissen Respekt gegenüber dem Fünfergespann, da es zu einer Zeit einen ganz bestimmten Schritt wagte, den nur wenige andere junge luxemburgische Bands in den Nullerjahren zu gehen bereit waren: Sie trauten sich, zu versuchen, allein von ihrer Musik zu leben. „Andere Kinder wollen Astronaut oder Feuerwehrmann werden. Für mich war definitiv klar, dass ich auf einer Bühne stehen möchte“, erzählt David Moreira, der eben diesen Wunsch mit seinen Kollegen teilte. Trotz zahlloser Konzerte im In- und Ausland und außerordentlich erfolgreichen Alben, die unter anderem in der deutschen Musikzeitschrift Visions hoch gelobt wurden, stellten die Musiker schon damals fest, dass eher von einem Überleben die Rede sein musste.
Harte Schule
Eternal Tango entstand, bevor die Rockhal ihre Türen öffnete und die Ansätze einer wirklichen Festivalkultur erkennbar waren – und sie versuchten, CDs zu verkaufen, lange bevor von Spotify die Rede war. Die fünf „Minetter“ machten Musik in einer Zeit des Umbruchs. Sie migrierten von MySpace zu Facebook und Soundcloud und gründeten ihr eigenes Label. „Ich will die erste Phase unseres Bestehens keineswegs missen, denn sie stärkte und prägte uns als Band. Sie machte eigentlich erst das möglich, was später passierte.“ Keineswegs nostalgisch, aber mit der nötigen Portion Humor erinnert sich Moreira an etliche Konzerte, die Eternal Tango für eine Flasche Wasser pro Kopf, ein bisschen Wein und ohne Gagen spielte. Ab und an hätten sie sogar warten müssen, bis auch der letzte Gast die Location verlassen hat, um dann auf dem Boden zu schlafen. Nach anderen Konzerten habe man durchschwitzt bei Minusgraden den Van gepackt, da die Bühne nun mal frei werden musste für die darauffolgende Band.
„The Golden City“ habe dann eine zweite Phase markiert. Es sei eine extrem bereichernde und fast surreale Erfahrung gewesen, bei MTV Rockzone zu hören zu sein, auf angesehenen Festivals zu spielen und auf einmal mit Menschen zusammen auf der Bühne zu stehen, die man zuvor in Posterform an der Wand des Jugendzimmers hängen hatte. Moreira verweist hier unter anderem auf Bad Religion, die Deftones, Queens Of The Stone Age und viele andere. Auf die schönsten und witzigsten Momente in den zehn Jahren des Bestehens angesprochen, kann Moreira sich kaum festlegen und muss immer wieder beim Versuch zu antworten lachen. Man könne sich ja die gefilmten Tour-Tagebücher anschauen, auch wenn diese nur die einen Bruchteil von dem Spaß wiedergeben würden, den die Truppe, die sich für keinen Blödsinn zu schade war, gemeinsam erlebte. (Hier sei auch auf ein Interview in einem Berliner Streichelzoo verwiesen, das man nicht auf der Arbeit schauen sollte, da sonst die Kollegen eventuell vom Stuhl fallen, wenn man zu laut lacht.)
Moreira hält sich zurück, wenn man ihn auf den damaligen Erfolg anspricht: „Natürlich hat es uns, die in kleinen Bars mit ihren Konzerten begannen, gefreut, später auch in wirklich großen Locations zu spielen. Es erfüllt einen schon mit Stolz, wenn man das ‚Atelier‘ ausverkauft. Ich denke aber eher, dass man es einfach als schönen persönlichen Erfolg verbuchen kann und spürt, wenn Menschen – sei es nun in Luxemburg, Deutschland, Portugal oder irgendwo anders – ihre Zeit opfern, um deine Musik an einem Abend zu hören, Geld für die Karte ausgeben und einen schönen Moment erleben.“ Da Eternal Tango extrem viel getourt ist, sei man mit allen Varianten an Publikumszahlen konfrontiert gewesen: „Da konntest du in einer Woche 50 und einige Tage später 1.050 Menschen vor dir stehen haben.“
Das letzte veröffentlichte Album trägt den Titel „The Golden City“, dessen Titel eine Allusion auf das prunkvolle und doch nicht immer unproblematische Großherzogtum darstellt. Ihre Herkunft konnten und wollten die Bandmitglieder jedoch nie ganz verstecken. Sie wurden förmlich – mehr oder weniger freiwillig – zu Botschaftern und zwar lange bevor jemand Begriffe wie Nation Branding in den Mund nahm. In 50% aller Fälle habe man im Ausland ziemlich schrullige Fragen zum Großherzogtum beantwortet, erinnert sich der Sänger. „Das hat teilweise für sehr interessante Gespräche mit Menschen gesorgt.“
Reunion oder nicht?
Auch wenn sie viel im Ausland unterwegs gewesen seien, sei Luxemburg nun mal das Land, in dem die Band entstanden sei und auch jeder Einzelne sich als Person entwickelt habe. Dies habe sicherlich einen Einfluss auf das Band-Projekt gehabt, das anders klingen würde, lägen die Wurzeln woanders. Moreira betont hierbei auch die Wichtigkeit der Stadt Düdelingen, der Eternal Tango bis heute noch 1.000 Dank schuldig sei. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass man allein in Luxemburg nicht damit bestehen konnte, aber da sei dann die geografische Lage ein Vorteil gewesen. „Und es war vor allem immer wieder schön, nach Hause zurückzukehren.“
Ohne für die anderen sprechen zu wollen, merkt der Eternal-Tango-Sänger an, dass die dritte Phase der Karriere durch einen Manager gezeichnet war, der die Band – aus Moreiras Perspektive heraus – brach. Es sei leider nicht ganz ehrlich zugegangen und die Band habe unter dem Vertrauensbruch gelitten. „Das bleibt mir noch heute im Halse stecken“, so Moreira. Bei der betreffenden Person handelt es sich im Übrigen nicht um Joscha Wrobel, der die Band längere Zeit begleitete und unterstützte und als „sechster Mann“ galt.
Ob nun eine wahrhaftige Reunion ansteht, ist indes (noch) nicht klar. Eternal Tango kommt nun erst einmal noch mal zusammen, um dem „Food For Your Senses“-Festival die letzte Ehre zu erweisen. Moreira kann kaum fassen, wie die ersten Proben verlaufen sind: „Es war so, als sei es nie anders gewesen, ein sehr spannender und unglaublich schöner Moment. Dem emotionalen Faktor dabei kann man kaum in Worte fassen.“ Wie es weitergehe, müsse man danach gemeinsam schauen.
Dass sie nun auf einem Begräbnis spielen, bedeute nicht, dass man es anders behandeln würde – es werde sicherlich so oder so eine sehr spannende Erfahrung, schätzt Romersa die Situation ein. Eternal Tango fühle sich geehrt, bei der letzten Runde dabei sein zu dürfen. Sie seien ja schon zu früheren Zeiten des Festivals Teil des Ganzen gewesen, demnach träfen nun sozusagen alte Bekannte und Freunde erneut aufeinander: „Es ist quasi wie eine Familie, die da kommende Woche wieder zusammenkommt. Ich glaube nicht, dass es ein trauriges Fest wird. Wir freuen uns auf einen außerordentlich schönen Moment, den wir mit möglichst vielen Menschen teilen wollen“, so Romersa.
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