Editorial / Für die Freiheit – Wieso Luxemburg endlich ein Informationszugangsrecht braucht
Es war am Samstag des Osterwochenendes, als zwei weitere Menschen in Luxemburg an Covid-19 gestorben sind. Aber anders als sonst üblich erfuhr niemand am Tag danach davon. Denn seit einigen Wochen vermeldet das Gesundheitsministerium an Sonntagen nicht mehr die „Corona-Zahlen“ – die Kennwerte der Pandemie vom Vortag.
Ja, Sie haben richtig gehört. Seit über einem Jahr dominiert Corona alles – unser Leben, unser Arbeiten, unsere Politik. Ob wir mit Freunden auf ein Bier in die Kneipe gehen können. Ob wir einen Job haben oder nicht. Ob wir Großmutter im Pflegeheim besuchen können. Wer zu ihrer Beerdigung kommen darf und wer nicht. Und die Indikatoren, ob die Zukunft besser oder schlechter wird, liefern jeden Tag die kalten Zahlen des Gesundheitsministeriums.
Nur sonntags eben nicht mehr. Denn da macht die Pandemie Pause. „Diese Entscheidung wurde getroffen, um der Belegschaft in den Krankenhäusern und den Überwachungsteams eine Pause zu gönnen“, begründet das Gesundheitsministerium den Schritt mit ernstem Gesicht. Und meint: Wer das kritisiert, der kritisiert auch die überarbeiteten Helden auf den Intensivstationen.
Die Samstagszahlen werden zwar nicht mehr vermeldet, zu finden sind sie aber schon. Sie stecken nämlich in den interaktiven Grafiken auf der zentralen Corona-Website der Regierung, covid19.lu, verrät das Gesundheitsministerium. Um also zu erfahren, wie viele Menschen am Samstag ihr Leben gelassen haben, müssen die Bürger dieses Landes lediglich am Montagabend covid19.lu ansurfen und sich zu den Grafiken durchklicken. Mit etwas Mausakrobatik oder Quelltextsuche finden sie dann die Gesamtzahl aller Toten bis Samstag. Die müssen sie dann nur noch mit der von Freitag subtrahieren.
Ernsthaft?
Es geht hier beileibe nicht darum, dem Personal im Gesundheitssektor nicht eine wohlverdiente Pause zu gönnen. Es geht darum, wie die Regierung prinzipiell mit dem Gut „Information“ umgeht. Besser zu wenig als zu viel. Besser gar nicht als etwas, das Probleme bereiten könnte. Besser ankündigen als antworten.
Sogar das „Mouvement écologique“ tritt inzwischen auf den Plan und fordert ein neues Informationsfreiheitsgesetz. Der Grund: Die Behörden wollen der Umweltorganisation nicht das ominöse Abkommen zwischen ihnen und Google in Sachen Datencenter zeigen. Ein Millionendeal, der immense Auswirkung auf das Ökosystem haben könnte. Sie haben richtig gelesen: könnte. Denn wir wissen es nicht, es könnte auch ganz anders sein. Aber es gibt einfach keine Informationen dazu. Und anstatt dass die Akteure und die Bürger über die Sache diskutieren können, über Wasserverbrauch, Energietourismus, Bodenversiegelung und den Standort Luxemburg, kracht es seit einem Jahr, wegen eines dämlichen Stücks Papier – und ob das nun „administrativen“ Charakter hat oder nicht.
Diese beiden Beispiele sind nur die Spitze des Eisbergs. Aber sie zeigen, wie sehr ein fehlendes oder mangelhaftes Informationsfreiheitsgesetz eine Kultur der Intransparenz schafft und Gesellschaft und Debatte lähmen kann.
Seit fast zwei Jahrzehnten setzen sich Presserat und Journalistengewerkschaft für die Reform des Informationszugangs für Journalisten ein. Besserung haben inzwischen gleich zwei Premierminister gelobt – und das dann wieder vergessen.
Und obwohl die DP, die ja nicht nur den Staats-, sondern auch den Medienminister stellt, im Wahljahr 2013 „Transparenz und Bürgernähe“ versprach: Der Informationszugang, den Journalisten im Jahr 2021 haben, ist noch immer miserabel. Das ist unseriös und einer Demokratie unwürdig.
Mehrere gesellschaftliche Akteure, darunter das „Mouvement écologique“, der Presserat, die Journalistengewerkschaft ALJP und der OGBL, wollen jetzt – erneut – für ein Informationszugangsrecht auf die Barrikaden gehen. Es ist mehr als erfreulich, dass die Diskussion wieder Fahrt aufnimmt. Aber es ist unglaublich bitter, dass sie immer noch geführt werden muss.
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Kritik unerwünscht, Transparenz ade.
Merci un dës Regierung déi sëch die allerhechsten Transparenz Kriterien un d Gambia Broscht geschriwen hat. Mais et ass gewosst Selbstlob stenkt, an den Fësch fängt ëmmer am Kapp un mat faulen. Et gëtt héich Zeit!
Rechtens schreiben Sie Herr Senzig, allerdings als Journalist dürfte Ihnen nicht entgangen sein, neben DP , die LSAP, die Grünen die Verantwortung in der Regierung mittragen. Alarmierend auf Sie müsste doch wirken , gerade die LSAP, die Grünen diese Politik des eingeschränkten Informationsflusses an die Presse durch ihr Stillhalten dulden . Ich erinnere mich an politische Ereignisse , wo die Grünen gerade den eingeschränkten Informationsfluss der verantwortlichen Politik in den Fokus stellten, anklagten ,verurteilten und nun selber Teil dieser Vernebelungspolitik sind.
An anere Länner kritt een alles wat den ëffentlechen Déngscht späichert oder erausgëtt, d’Schichtpläng vun der Police, sämtlech Emailen déi vu Staatsbeamte wärend dem Déngscht geschriwwe ginn, Fotoen déi se wärend dem Déngscht mat privaten Handy maachen, alles ka vum Bierger ugefrot ginn an déi mussen dat alles erausginn.
Da géif ville Staatsbeamte d’Dommheet vergoen.
Mir kent et och vir wéi wann de Cannabis Dossier ennert dem Teppech verschwennt.
lieber herr senzig, danke, sie schreiben mir aus der seele was corona angeht.
kommunikation und information sind ein desaster, für die presse aber auch für den mündigen bürger. alles muss man sich selbst zusammenreimen, alles muss die presse irgendwelchen verantwortlichen regelrecht aus der nase ziehen. von selbst kommt nur das aller-aller-nötigste, und auch das kommt noch viel zu oft nicht verständlich aufbereitet daher.
paradebeispiel: dass die gesundheitsministerin krankgeschrieben ist und ersetzt werden musste, darüber wurde bis heute nicht offiziell kommuniziert!!? technisch und theoretisch ist aber alles ok, denn „nul n’est censé ignorer la loi“, und deshalb schaut sich jeder mündige bürger jeden morgen gleich nach dem aufstehen auf legilux.lu die neuesten gesetzes- und reglements-texte an. und hat deshalb spätestens am samstag morgen des 3.april den entsprechenden „Arrêté grand-ducal du 2 avril 2021 portant délégation de signature …“ gelesen.
hatte was vergessen, passt aber gut, da hier im artikel auch die offizielle begründung für das sonntags-nicht-mehr-veröffentlichen-von-informationen erwähnt wird: „um der Belegschaft in den Krankenhäusern und den Überwachungsteams eine Pause zu gönnen“.
das mag ja schön und gut sein, mit sicherheit berechtigt, jeder – auch minister – braucht mal urlaub und frei, aber trotzdem: es geht um zahlen erfassen, statistiken erstellen, ggbfalls auswerten. das ist schon etwas anderes als das was die „Belegschaft in den Krankenhäusern“ ganz vorne an der front tagtäglich macht. auch sollte hier ein turnus einfacher zu organisieren sein als an der front.
wie aber sieht das tagtäglich an der front aus, seit der herbstwelle?? der tiefststand an normalen corona-patienten war 46 am 3., 4. und 5.2. zuletzt so tief vor der herbstwelle war der stand am 16.10., heute sind wir bei 103. der tiefststand an corona-intensiv-patienten war 10 am 12.2., zuletzt so tief vor der herbstwelle war der stand am 22.10., heute sind wir bei 32+1.
wo bitte war da die pause für die „front-arbeiter“, die man mit einem harten/härteren lockdown wahrscheinlich durchaus hätte herbeiführen können? und damit womöglich auch einige (viele?) der 644 todesopfer seit dem 16.10. verhindern hätte können? war das nicht immer der hehre anspruch, vulnerable bestmöglich schützen und eine überlastung des gesundheitssystems vermeiden? d.h. auch eine überlastung der menschen die im gesundheitssystem arbeiten?