Bürgermeister setzen ein Zeichen / Für ein grenzenloses Europa
Mit einer kleinen Zeremonie Flagge zeigen: Die Bürgermeister aus dem Dreiländereck rund um Schengen setzten am Dienstag ein Zeichen für grenzüberschreitende Solidarität in der Region. Geschlossene Grenzübergänge wollen sie nicht so einfach hinnehmen. Deshalb erheben sie ihre Stimme. Auch im Hinblick auf den 14. Juni, den 35. Jahrestag der Unterzeichnung des Schengener Abkommens.
Früher Dienstagabend. Die Sonne scheint vom Markusberg rüber nach Perl und Apach. Das ZDF filmt. Beim Schengen-Monument im gleichnamigen Moselort haben sich sechs Bürgermeister aus dem Dreiländereck versammelt. Ihre Botschaft ist klar: Sie wollen Solidarität untereinander bekunden und zeigen, dass sie geschlossene Grenzen nicht schweigend hinnehmen.
Die Künstlerin Chantal Kirsch lässt die „Ode an die Freude“ über die Esplanade erklingen. Dem Lied aus Beethovens neunter Sinfonie liegt ja auch die Europahymne zugrunde.
Im Tageblatt-Gespräch erheben die Anwesenden ihre Stimme(n) für Schengen und das grenzenlose Europa.
Zusammenrücken
„Es ist ein weiteres Zeichen dafür, dass wir hier im Dreiländereck gut zusammenarbeiten und es auch in Zukunft weiterhin so tun werden. Es ist positiv, dass wir zusammenstehen. Die Grenzschließungen sind ja auf höherer Ebene getroffen worden, haben aber eine starke Auswirkung auf die Region und die Menschen vor Ort. Für mich ist es wichtig, dass wir daraus lernen und alles tun, um in Zukunft zu verhindern, dass wir nochmals in eine solche Situation geraten. Das bedeutet aber auch, dass die Länder noch enger zusammenrücken müssen, als sie das bisher getan haben. Wir sehen ja, dass die einzelnen Länder Europas recht unterschiedlich mit der Situation umgehen. Das vereinfacht den Prozess gemeinsamen Vorgehens dann nicht unbedingt. Ich hoffe, dass dieser Zustand schnell vorbei sein wird, befürchte aber, dass wir in der Grenzregion noch etwas damit zu kämpfen haben werden.“ (Ralf Uhlenbruch, Bürgermeister Perl)
Enttäuschung
„Die Art und Weise, wie Deutschland seine Grenzen zu Frankreich und Luxemburg geschlossen hat, hat mich doch etwas enttäuscht. Das hätte man anders regeln können. Miteinander reden, an die Vernunft appellieren, statt quasi über Nacht Fakten schaffen. Das Treffen der Bürgermeister aus dem Dreiländereck ist ein starkes Zeichen dafür, dass wir hervorragend zusammenarbeiten und die guten Beziehungen, die wir in der Vergangenheit aufgebaut haben, weiterführen und noch ausbauen wollen. So wollen wir auch, dass Europa im Großen sich weiterentwickelt. Die aktuelle Situation beunruhigt mich da schon etwas, weil sie befürchten lässt, dass einzelne Länder die Lage ausnutzen und sich wieder stärker auf sich beziehen und Kontakte abbrechen könnten. Ein Beweis dafür, dass dem nicht so sein muss, ist, dass Krankenhäuser aus Luxemburg und Deutschland Patienten aus unserer Region, dem Grand Est, aufgenommen haben.“ (Yves Licht, Bürgermeister Contz-les-Bains)
Wiedervereinigung
„In den letzten Tagen und Wochen haben wir viel und oft untereinander telefoniert. Dass wir uns heute in Schengen treffen konnten, hat etwas von einer ‚Wiedervereinigung‘. Es ist auf jeden Fall ein Symbol. Etwas sehr Bedeutendes für Morgen, wenn es darum geht, die Beziehungen, die etwas leiden in diesen Zeiten des Abgeschottetseins, wieder zu verbessern. Dann werden wir, so hoffe ich zumindest, uns wieder in einem größeren freundschaftlichen Rahmen treffen können. Schnellstmöglich. Bis dahin bleibt eine gemeinsame Anstrengung nötig, um die Gefahren des Virus zu meistern.“ (Patrick Gutieres, Bürgermeister Apach)
Kein Verständnis
„Die Bedeutung für mich ist, dass wir zeigen wollen, dass ein Virus eigentlich keine Grenzen kennt. Leider muss ich dann aber feststellen, dass verschiedene Politiker das anders sehen, uns viele Jahre zurückwerfen, indem sie Grenzen wieder schließen. Das ist nicht schön für unsere Region, wo die Menschen seit Langem ohne Grenzen leben und sich jeden Tag zwischen Frankreich, Deutschland und Luxemburg frei hin und her bewegen. Jetzt sind sie mit einem Gefühl konfrontiert, das nicht sein müsste. Deshalb finde ich unsere Aktion wichtig. Ich habe Verständnis für alle gesundheitspolitischen Maßnahmen. Wirklich kein Verständnis habe ich hingegen, wenn radikal entschieden wird, dass Menschen, die zur Arbeit fahren, einen Umweg machen müssen oder dass Bürger aus dieser Region nicht mehr im Nachbarland einkaufen dürfen.“ (Steve Reckel, Bürgermeister Mondorf)
Regionales Leben
„Unser Treffen ist für mich der Beweis, dass wir zusammenstehen – auch in Zeiten, in denen die Grenzen geschlossen sind, ganz, wie in Remich, oder teilweise, wie hier in Schengen. Wir wollen gemeinsam unterstreichen, dass es unser Wunsch ist, dass es wieder so wird, wie es vor Ausbruch der Pandemie war. Wir verstehen nicht, warum die Grenzen auf die Art geschlossen werden mussten respektive jetzt so kontrolliert werden. Ich persönlich habe kein Verständnis dafür. Das regionale Leben in dieser Ecke des Landes prägt die Menschen seit Jahrzehnten. Vieles ist aufeinander abgestimmt. Das darf man nicht einfach so unterbrechen. Wir arbeiten zusammen. Sei es auf gesellschaftlicher oder geschäftlicher Ebene, im Berufsleben und im Tourismus. Es wäre durchaus möglich gewesen, die Kontrollen einige Kilometer ins Hinterland zu verlegen. Auch das hätte vor Missbrauch geschützt, dem Miteinander in der Region aber nicht geschadet.“ (Jacques Sitz, Bürgermeister Remich)
Freiheit
„Das Event ist für mich ein sehr wichtiges Zeichen nach außen. Wir wollen zeigen, dass geschlossene Grenzen nicht einfach so hingenommen werden und dass besonders in Schengen viel darüber nachgedacht wird. Außerdem soll man öffentlich infrage stellen, ob Grenzschließungen wirklich etwas bei der Virusbekämpfung bringen. Grenzen sollte man 25 Jahre nach Inkrafttretens des Abkommens von Schengen einfach nicht mehr schließen dürfen. Ich hoffe, dass viele Menschen sich bewusst werden, wie nervend das ist. Es ist schrecklich zu sehen, wie schnell alles geht und wie wenig eigentlich darüber nachgedacht wird, was gerade passiert. Der Protest richtet sich scheinbar oft eher gegen das Verbot, drüben in Perl einzukaufen, als dann gegen die Beschränkung unserer Freiheit. Schon erstaunlich, wie die Leute das letztendlich hinnehmen. Ich bin deshalb froh, dass Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn auf internationalem Parkett eine der wenigen Stimmen ist, die die Einschränkungen ankreiden.“ (Martina Kneip, Europazentrum Schengen)
Solidarität
„Für mich geht es ganz klar darum, dass die Grenzen wieder geöffnet werden. Es gibt keinen Grund, geschlossene Grenzen zu haben. Ich finde es auch ziemlich besorgniserregend, wie leichtfertig die Leute bereit sind, die offenen Grenzen aufzugeben. Ich bin hier, um ein Zeichen für das grenzenlose Europa zu setzen. Ich stehe für eine solidarische und koordinierte Reaktion der Krankheit gegenüber und nicht für ein egoistisches Verhalten, wo jeder nur nach sich selbst schaut.“ (Kim Dumont, Europazentrum Schengen)
Befremdend
„Es ist wichtig, ein klares Zeichen für Europa zu setzen. Besonders hier in Schengen, wo das grenzenlose Europa sozusagen geboren wurde. Es ist nötig, darauf hinzuweisen, wie wichtig offene Grenzen sind. Die anwesenden Bürgermeister haben das mit ihrer Aktion getan. Ich wohne in Perl und finde es sehr befremdend, wenn ich kontrolliert werde, wenn ich nach Schengen rüberfahren möchte, um über den Markusberg spazieren zu gehen. Ein bisschen Angst bekommt man da schon.“ (Chantal Kirsch, Künstlerin)
14. Juni
„Das Treffen der Bürgermeister aus dem Dreiländereck gibt mir Hoffnung. Es zeigt, dass wir der Erbschaft des Schengener Abkommens verpflichtet bleiben und dass wir täglich bemüht sein müssen, sie zu verteidigen, um sie zu bewahren. Dieses Treffen ist auch Ansporn dafür, dass wir am kommenden 14. Juni, anders als vielleicht geplant, eindrücklicher an die Unterzeichnung des ersten Schengener Abkommens 1985 erinnern. Erste Kontakte haben wir bereits geknüpft. Außenminister Jean Asselborn hat zugesagt. Auf Premier Xavier Bettel zählen wir stark und auch auf Jean-Claude Juncker. Wie das alles genau aussehen wird, weiß ich noch nicht genau. Das hängt ja auch vom weiteren Verlauf des Ausnahmezustandes ab. Aber wir werden am 14. Juni sicher wieder Flagge zeigen und ein wegweisendes Zeichen für alle Länder des Schengenraums geben.“ (Michel Gloden, Bürgermeister Schengen)
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