Luxemburg-Stadt / Für einen reizärmeren Einkauf: Shoppingcenter haben „stille Stunden“ eingeführt
In aller Ruhe einkaufen, ohne dabei von hellen Lichtern oder lauter Musik abgelenkt zu werden – das ist in Luxemburg seit einigen Wochen in zwei großen Kaufhäusern in der Hauptstadt möglich.
Gehetzte Menschen, grelle Lichter und Musik ohne Unterbrechung: Große Einkaufszentren sind nicht unbedingt Oasen der Ruhe. Und so kann das Besorgen von Lebensmitteln, Kleidung und Co. durchaus zur stressigen Alltagsaufgabe werden – für manche vielleicht mehr, für andere weniger. Um Erstgenannten das Einkaufen nun zu erleichtern, gibt es seit Mitte Juni in zwei Shoppingcentern in Luxemburg-Stadt sogenannte „stille Stunden“. Anfang August wurde deren Einführung dann auch ganz offiziell angekündigt.
Während dieser Stunden wird in den Gemeinschaftsbereichen der Kaufhäuser die Beleuchtung gedimmt und Hintergrundmusik deutlich leiser gedreht oder ganz abgestellt. Vor allem Menschen mit Autismus sollen durch diesen inklusiven Ansatz ihre Einkäufe „unter den besten Bedingungen“ erledigen können – wie man bei der Pressestelle von „Auchan Retail Luxembourg“ erklärt. „Durch eine geringere Lautstärke und weicheres Licht bieten wir so zweimal pro Woche eine ruhige Umgebung“, heißt es dazu.
Willkommene Ruhe
Denn Einkaufen – besonders in großen Zentren – kann für Menschen mit Autismus erschöpfend sein. Eine Betroffene schilderte dem Team der „Fondation Autisme Luxembourg“ (FAL), dass es bei ihr bis zu einer Stunde dauern könne, bis sie sich nach einem Besuch im Kaufhaus von der Flut der Sinneseindrücke erholt habe. Der reizärmere Besuch während der stillen Stunden sei für sie und ihren Körper nun eine Erleichterung – heißt es in einem von der FAL zur Verfügung gestellten Erfahrungsbericht der betroffenen Joanne.
Aber auch die Bedürfnisse von besonders sensiblen Kundinnen und Kunden oder denen, die allgemein einfach in ruhiger Umgebung einkaufen wollen, werden so laut „Auchan Retail Luxembourg“ berücksichtigt. Neben den Menschen, die an sensorischer Überbelastung leiden können, weist man beim Ministerium für Familie, Integration und die Großregion darauf hin, dass diese Maßnahme Personen mit mentaler Beeinträchtigung ebenfalls den Alltag erleichtern kann.
Die Initiative für die stillen Stunden kam von dem auf Kirchberg angesiedelten Unternehmen für Beratungen und Dienstleistungen „Nhood Luxembourg“. Dieses verwaltet die Einkaufszentren in Gasperich und Kirchberg und hat das Konzept gemeinsam mit der unabhängigen Organisation „Inspiring more Sustainability“ (IMS) und der FAL ausgearbeitet. „‚Nhood hat uns kontaktiert, um die stillen Stunden zuerst in Gasperich und dann auf Kirchberg umzusetzen. Unser Team war dann vor Ort und hat Änderungen sowie Anpassungen vorgeschlagen“, erklärt man bei der Pressestelle von FAL. Innerhalb von rund drei Monaten wurde das Projekt umgesetzt.
Dauerhafte Initiative
Und so finden aktuell zweimal pro Woche in zwei hauptstädtischen Einkaufszentren stille Stunden statt: im Shoppingcenter in Gasperich dienstags von 16 bis 17 und donnerstags von 15 bis 16 Uhr. Im Einkaufszentrum auf Kirchberg geht es an Dienstagen von 9 bis 11 Uhr (im Supermarkt schon ab 8 Uhr) und an Donnerstagen von 14 bis 16 Uhr ruhiger zu. Alle Läden in den Gebäuden – vom Supermarkt bis hin zum Bekleidungsgeschäft – sind dazu eingeladen, sich an der Initiative zu beteiligen.
Die Kundinnen und Kunden sind laut „Auchan Retail Luxembourg“ im ersten Moment von der ungewohnt ruhigen Atmosphäre manchmal etwas überrascht. Allgemein seien die Rückmeldungen vor Ort aber sehr positiv. Und auch in Online-Fragebögen würde die Initiative sehr gut bewertet. Denn: „Die stillen Stunden bringen allen eine gewisse Gelassenheit. Ein Teil unserer Kundschaft hat auch schon nachfragt, ob diese ausgeweitet werden.“
Dauerhaft bleiben sollen die stillen Stunden auf jeden Fall. Und könnten laut „Nhood“ tatsächlich ausgeweitet werden. Weitere Geschäfte in Luxemburg, in denen ähnliche Projekte umgesetzt werden, sind der FAL übrigens bisher nicht bekannt. Das könnte sich in Zukunft aber ändern, denn, so heißt es von der Stiftung: „Wir wollen ab September Läden anschreiben und hoffen, dass diese die stillen Stunden ebenfalls einführen werden.“ Unterstützung gibt es dabei vom Familienministerium, das die Öffentlichkeit weiter über das Projekt informieren will.
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Die Fahrstuhlmusik ist komplett überflüssig.