Givenich / „Für einen würdevollen Platz in der Gesellschaft“: Défi-job setzt sich für die Resozialisierung von Häftlingen ein
Im halboffenen Gefängnis von Givenich können Häftlinge einer regulären Arbeit nachgehen. Doch der erste Schritt zurück in die Gesellschaft ist für viele nicht einfach. Der Verein Défi-job setzt sich für diese Insassen ein – und bietet ihnen eine Perspektive.
„Wir sind hier, um Lösungen zu finden, damit die Insassen einen würdevollen Platz in der Gesellschaft finden können“, sagt Sabine Garrot, die stellvertretende Direktorin von „Défi-job“. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Givenich unterstützt Häftlinge des „Centre pénitentiaire de Givenich“ (CPG) bei der Resozialisierung, indem er den Insassen eine Arbeit anbietet – als Arbeitgeber oder als Vermittler.
Der CPG ist eine halboffene Strafvollzugsanstalt im Osten Luxemburgs. Häftlinge, die arbeiten wollen, können einen Wechsel von Schrassig nach Givenich beantragen und ihre restliche Haftzeit dort absitzen. Der springende Unterschied: Sie dürfen das Gelände zum Arbeiten und am Sonntagnachmittag für Familienbesuche verlassen. „Durch das Arbeiten können sie ihre berufliche und soziale Wiedereingliederung vorbereiten“, sagt Garrot. Denn ohne Arbeit und ohne Wohnung sei es schwierig, wieder ein Leben zu führen, das die Gesetze respektiere. Man benötige Ressourcen, um aus dieser Spirale auszubrechen.
Ein Puzzlestück für die Resozialisierung
Da kommt Défi-job ins Spiel. Der Verein ist ein wichtiges Puzzlestück für die Resozialisierung von Häftlingen. „Wir begleiten die Insassen bei einem Prozess, der den Insassen eine große Anstrengung abverlangt“, sagt Garrot. Der Verein existiert in seiner heutigen Form seit 2002 und wird vom Justizministerium und Arbeitsministerium finanziert. Er ist kein Teil des Gefängnisses in Givenich, sondern bietet einen externen Dienst an: Défi-job nimmt sich der Insassen an, die „am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt sind“. In Givenich können die Insassen sich zwar selbständig eine Arbeit suchen, aber nicht alle seien erfolgreich, erläutert Garrot. Für Menschen mit wenig Arbeitserfahrung und schlechter Ausbildung, mit mehreren oder langen Haftstrafen oder mit einer Sucht stelle die Arbeitssuche ein Problem dar. „Wir haben zum Beispiel Beschäftigte im Alter von 40 Jahren, die noch nie gearbeitet haben“, sagt Garrot.
Die Werkstätten von Défi-job
In der Werkstatt „Jailbird“ wird den Beschäftigten das Kunsthandwerk beigebracht. In Zusammenarbeit mit Designern werden einzigartige Objekte aus Holz hergestellt. Der Fokus liegt auf der Förderung der Fähigkeiten der Häftlinge: Der Prozess, nicht das Ergebnis stehe im Vordergrund, sagt Massimo Marchesini, der Leiter der Werkstatt. „Wir behandeln unsere Angestellten wie Menschen, uns ist es egal, was sie gemacht haben“, betont er. Am 28. und 29. September können die Produkte von „Jailbird“ auf dem „Supermaart“ in den Rotondes in Luxemburg-Stadt entdeckt und gekauft werden.
In der Tischlerei „Giv-job“ lernen die Insassen, Möbel herzustellen und zu restaurieren. Unter anderem entstanden hier auch Bühnenbilder für verschiedene Theateraufführungen in Luxemburg.
Deswegen besitzt Défi-job zwei eigene Werkstätten: die Kunsthandwerkstatt „Jailbird“ und die Tischlerei „Giv-job“. „Sie wurden geschaffen, damit solche Menschen sich an die Arbeit gewöhnen können“, sagt Garrot. Die Häftlinge erhalten einen befristeten Arbeitsvertrag und ein Gehalt, das dem gesetzlichen Mindestlohn entspricht, wodurch die Insassen auch Sozialabgaben entrichten. In Schrassig würden die Häftlinge nur eine Entschädigung erhalten, was ihre Situation zusätzlich erschwere. „Falls der Häftling neben seiner Haftstrafe auch noch Schulden abzahlen muss, wird es schwierig“, sagt Garrot.
In den Werkstätten von Défi-job können die Angestellten eine gewisse Mindestqualifizierung erlangen: Sie lernen, Arbeitszeiten, Anweisungen und Kollegen zu respektieren. „Außerdem sehen sie, wozu sie fähig sind“, sagt Garrot. Zudem kooperiert der Verein mit verschiedenen Unternehmen: „Wenn wir merken, dass die Insassen bereit sind, woanders zu arbeiten, können sie ein Praktikum absolvieren.“ Während dieses Zeitraums zahle Défi-job weiterhin das Gehalt. Nach einem erfolgreichen Praktikum kann das Unternehmen den Häftling einstellen – und Défi-job verwandelt sich in eine Zeitarbeitsagentur. „Den Insassen wird im Unternehmen ein Betreuer zur Seite gestellt, damit der Insasse sich in das Team integrieren kann und eingelernt wird“, sagt Garrot.
Die Entlassung: ein wichtiger Wendepunkt
Défi-job kann die Straftäter bis zu 24 Monate begleiten – auch nach ihrer Entlassung, falls sie zu diesem Zeitpunkt für ein Partner-Unternehmen arbeiten. Die Entlassung stelle für viele einen Wendepunkt dar. „Natürlich freuen sich alle darüber, wieder frei zu sein, aber schnell holt sie dann auch die Realität ein“, erzählt Garrot. Im Gefängnis würden die Insassen sehr stark betreut werden, was sich dann auf einen Schlag ändere. Ohne einen Rahmen bei der Entlassung bestehe das Risiko, dass die ehemaligen Häftlinge wieder in schlechte Muster zurückfallen – was für die Resozialisierung ein Misserfolg bedeute. „Das Ziel ist es deswegen nicht nur, die Häftlinge in einem Unternehmen zu platzieren, sondern dass sie auch dort bleiben“, sagt Garrot.
Eine Betreuung in den eigenen Werkstätten ist nach der Entlassung nicht mehr möglich. „Nachdem sie ihre Strafe abgesessen haben, stellen wir deswegen den Kontakt zu einer sozialen Einrichtung her“, erklärt Garrot. Oft sei es in solchen Fällen besser, wenn sich die Personen noch ein bisschen Zeit nehmen, um sich weiterzubilden oder andere Probleme zu regeln.
Es brauche aber mehr Unterstützung in diesem Bereich, denn die ersten sechs Monate nach der Entlassung seien wesentlich. „Wenn wir uns nicht um die Resozialisierung der Häftlinge kümmern, ist die Rückfallquote sehr hoch“, sagt Garrot. Es sei zwar schwer, die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu quantifizieren. Doch die Zeit, die in die Begleitung der Insassen investiert werde, mache sich bezahlbar. Denn durch die Betreuung sinke auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Personen rückfällig werden – und die Programme zur Resozialisierung seien weniger teuer als die Kosten für einen Häftling.
Wünsche für die Zukunft
Ein Problem, gegen das Défi-job immer wieder ankämpfe, sei die mangelnde Zeit: „24 Monate klingt nach viel, ist es aber angesichts der Lebensläufe vieler Insassen nicht.“ Die Zeit, die dem Verein zur Verfügung stehe, sei abhängig davon, zu welchem Zeitpunkt ihrer Strafe die Häftlinge nach Givenich wechseln. „Es handelt sich hauptsächlich um Insassen, die bereits die Hälfte oder zwei Drittel ihrer Strafe abgesessen haben“, sagt Garrot. Somit würden bis zu ihrer Entlassung oft nur sechs Monate bis ein Jahr bleiben. „Wir arbeiten deswegen in unseren Werkstätten oft unter Zeitdruck.“
Défi-job wünsche sich für die Zukunft auf der einen Seite mehr Platz. „Wir können Menschen mit Einschränkungen oder anderen Fähigkeiten keinen Platz anbieten, eine weitere Werkstatt würde uns da weiterhelfen“, sagt Garrot. Auf der anderen Seite benötige der Verein mehr Zeit. Nur so könne der Verein die Insassen besser kennenlernen und stärker auf ihre Bedürfnisse eingehen: „Mit mehr Zeit hat man auch mehr Erfolg.“
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