Nationale Ehrung / Für ihren Einsatz für Migranten erhält Laura Zuccoli die „Distinction honorifique“
Ein Leben, ohne sich zu engagieren, ist für Laura Zuccoli (63) nichts. Ihr Thema ist Migration, Exil, Fremdsein, gleiche Rechte und alles, was damit verbunden ist. Als Kind von Einwanderern fällt es ihr nicht schwer, mitzufühlen. Dabei bleibt es aber nicht. Während ihrer Zeit als Präsidentin der „Association de soutien aux travailleurs immigrés“ (ASTI) ist ihre Expertise eine gefragte wie umstrittene Stimme im Land.
Laura Zuccoli wünscht sich einen bestimmten Hintergrund für das Foto. Sie möchte gerne vor der handgemalten Arche Noah in einer „Maison relais“ fotografiert werden. Es erinnert sie an ihre Anfänge. Sie war dabei, als das Bild im „Kannernascht“ 1985 entsteht. Anfang der 80er Jahre war Portugal noch nicht Mitglied der EU. Viele der im Land lebenden Migranten haben Berührungsängsten mit der luxemburgischen Kultur. Sie bleiben unter sich.
Die „Maison relais“ ist damals Teil des „Quartiershauses“, das die junge „Association de soutien aux travailleurs immigrés“ (ASTI) im Viertel Eich aufbaut. Zuccoli steigt 1983 als Koordinatorin für die politische Arbeit bei der NGO ein und hilft beim Renovieren. Der Hintergrund symbolisiert die Parallelen zu ihrem Leben. Auf der Arche müssen Tiere und Menschen aus allen möglichen Ländern miteinander auskommen. Das in Würde zu organisieren, ist Zuccolis Lebensmotto.
Der Raum ist hell und die Atmosphäre in der an diesem Tag noch leeren „Maison relais“ freundlich. „Man soll Migration positiv sehen“, sagt sie. Dabei weiß sie, dass Themen wie Migration oder Flucht von der nationalen Politik schnell zum Weltgeschehen führen. Wenn Menschen ihre Heimat verlassen, ist das meist ein Zeichen für Armut, Konflikt und politisches Versagen. Das erlebt sie hautnah mit.
Erste Generationen von Einwanderern
Anfangs lernt sie die ersten Generationen von Migranten in Luxemburg kennen. Es sind Portugiesen und Kapverdier, deren Lebensziel es damals ist, irgendwann wieder zurückzugehen. Wenn genug Geld gespart ist, um sich in der Heimat den Traum vom Haus, das genauso schön ist, wie das, wo die Frau jetzt in Luxemburg putzt, zu erfüllen. Später ändert sich das. Die Migranten bleiben, kaufen die kleinen Arbeiterhäuser, die damals sonst keiner will, und sanieren sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
„Ohne diese Einwanderer stünde es schlecht um das Kulturerbe aus dieser Zeit“, sagt Zuccoli. Sie erlebt, wie sich in den Neunzigern mit den Flüchtlingen des Jugoslawienkrieges die Frage stellt, wer ist Migrant und wer Flüchtling? Anschließend sieht sie, wie Europa sich gesetzlich zur, wie sie sagt, „Forteresse“ umrüstet. Bei ihr klingt es nach legalisierter Abschottung. Nach der Jahrtausendwende beobachtet sie neue Ungleichheiten bei der Aufnahme von Migranten.
Die stetig wachsende luxemburgische Wirtschaft sucht nach hochqualifizierten Spezialisten. Denen, die die Voraussetzungen erfüllen, werden wenig bis gar keine Steine in den Weg gelegt, um sich niederzulassen. Im Gegenteil. Die neuen Gastarbeiter kommen aus Indien, China und den USA, wie die Statistik des Außenministeriums aus den letzten Jahren immer wieder zeigt. Zuccoli beziffert das jährliche Wachstum in Luxemburg der Zahl der Migranten mit 10.000 Menschen.
Heute kommen hochspezialisierte Arbeitskräfte
Der Hunger nach Arbeitskräften geht so weit, dass mittlerweile sogar qualifizierte Einwanderer oder Grenzgänger im Staatsdienst angestellt werden. Das war sehr lange nur den Luxemburgern vorbehalten. „Über Migranten wird kaum geredet“, sagt sie. „Aber man spricht viel über Flüchtlinge.“ Dabei können nur diejenige bleiben, die beweisen können, dass sie gemäß der Genfer Konvention persönlich in ihrem Land in Gefahr sind.
„Ein Flüchtling, der Bauer war, hat es schwer zu beweisen, dass er in seinem Land verfolgt ist, während ein Journalist aus dem gleichen Land dies durch seine Tätigkeiten leichter dokumentieren kann“, sagt Zuccoli und ist dabei gleich beim nächsten Problemfeld. Die gesetzlichen Hindernisse sind für sie einer der Gründe, warum viele als „sans-papiers“ hier leben müssen. Um die staatliche Finanzierung der Anlaufstelle der ASTI, die diese Menschen unter anderem berät, hat die NGO 20 Jahre lang kämpfen müssen.
Wenn Zuccoli das erzählt, stehen drei Ausrufezeichen dahinter und viel Frust. Sie interpretiert es als „Quittung“ dafür, dass die ASTI es sich in all der Zeit nicht nehmen lässt, der Politik unangenehme Fragen und Forderungen zu stellen. Dafür brennt Laura Zuccoli. Sie lässt sich nicht abweisen, gibt nicht so schnell auf. Dabei sah es anfangs gar nicht nach so einer Karriere aus. Sie lernt den Beruf der „Assistante sociale“.
Karriere als kritische Stimme nicht geplant
„Ich wollte schon ganz früh einen Beruf, bei dem es nicht nur um den Lebensunterhalt geht, sondern wo ich anderen helfen kann“, sagt sie über ihre Jugendzeit. Alles andere stand damals völlig offen – sogar, ob sie mit ihrer aus Italien stammenden Familie überhaupt in Luxemburg bleibt. Ihr Vater, schon in Luxemburg geboren und Schmelzarbeiter in Belval, stirbt früh. Da ist sie zehn Jahre alt.
Die Mutter, die damals ihrem Mann im Rahmen des Familiennachzuges aus der Toscana folgt, spricht kein Luxemburgisch. „Da hat sie schon überlegt, eventuell mit uns Kindern wieder zurückzugehen“, sagt Zuccoli. Sie selbst hat damals große Probleme mit dem Luxemburgischen und Deutschen, wie es das mehrsprachige Schulsystem im Land den Schülern abverlangt.
Sie schafft trotzdem den Sprung aufs „Lycée classique“. Die hässlichen Bemerkungen, dass sie, obwohl sie schlecht Luxemburgisch spricht, „déléguée de classe“ ist, schmerzen bis heute. Andererseits trifft sie sehr jung immer wieder auf Menschen, die sie unterstützen und ihr helfen, wo sie können. Auch das prägt. Bis heute.
Eine besondere Ehre
Acht Menschen wurden am 23. Juni bei der Feier in der Philharmonie zum Nationalfeiertag ausgezeichnet: Journalist Philip Crowther, Schriftsteller Guy Helminger, Chefköchin Léa Linster, die Sportlerinnen Ni Xia Lian und Sarah De Nutte, die ehemalige Präsidentin der „Association de soutien aux travailleurs immigrés“ (ASTI), Laura Zuccoli, sowie die Lebensretter Ibrahim Ajdarpasic und Fernand Collet. In unserer Serie stellen wir diese Menschen und ihre besonderen Lebensgeschichten vor.
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