Editorial / Gary Lineker handelt den Konservativen eine Niederlage ein
„Fußball ist ein einfaches Spiel, bei dem 22 Spieler hinter einem Ball herjagen, und am Ende gewinnt immer Deutschland.“ Den legendären Spruch von Englands Kultfigur Gary Lineker kennen alle. Seit vergangener Woche kann dieser Spruch umgedichtet werden, denn diesmal hat die freie Meinungsäußerung gewonnen.
Was war passiert? Gary Lineker wurde vergangene Woche vom englischen TV-Sender BBC suspendiert, nachdem er die umstrittene Asylgesetzgebung der konservativen britischen Regierung kritisiert hatte und sich nicht entschuldigen wollte. Auf Twitter hatte der ehemalige englische Nationalspieler, der für seine klaren Meinungen bekannt ist, Folgendes geschrieben: „Es handelt sich um eine unermesslich grausame Politik, die sich gegen die schwächsten Menschen richtet, und zwar in einer Sprache, die derjenigen Deutschlands in den 30er-Jahren nicht unähnlich ist“.
Für die BBC war dieses Statement ein Bruch der Neutralität. Die Konsequenz und das Eigentor folgten auf dem Fuß. Alle Kollegen zeigten sich solidarisch mit Lineker und boykottierten die Sendung. Und so musste „Match of the Day“ erstmals seit seiner Einführung 1999 nur mit reinen Spielbildern und ohne Kommentar gezeigt werden. Schlimmer ist jedoch, dass sich der TV-Sender den Vorwurf gefallen lassen muss, sich dem Druck der Regierung gebeugt zu haben.
Dass Medienschaffende zur Neutralität verpflichtet sind, liegt auf der Hand. Lineker hat sich aber auch in dieser Hinsicht nichts zuschulden kommen lassen, denn er arbeitet nicht als Politikjournalist bei der BBC, sondern ausschließlich als freier Mitarbeiter im Bereich Fußball. Er äußerte sich als Privatperson. Hätte er diese Zeilen als Politikjournalist geschrieben, wäre eine Suspendierung noch immer nicht gerechtfertigt gewesen, denn Kritik an Regierungen ist in demokratischen Staaten noch immer erlaubt.
Die Causa Lineker wird den größten englischen TV-Sender noch sehr lange verfolgen, denn Lineker ist auf der Insel so etwas wie ein Halbgott. Die Menschen lieben ihn, weil er bodenständig ist und mit viel Charme und Witz die liebste Sportart der Briten kommentiert.
Überraschend kommt die Reaktion des Senders auf den Tweet jedoch nicht. Seit Tim Davie die BBC als Generaldirektor 2020 übernommen hat, werden die Social-Media-Kanäle der Mitarbeiter strenger kontrolliert. Davie, genauso wie CEO Richard Sharp, stehen, wie es der Zufall so will, den regierenden Tories sehr nahe.
Das war nicht immer so bei der BBC, die in der Vergangenheit oft von Kritikern als zu linksliberal bezeichnet wurde. Zuletzt wurden dem öffentlich-rechtlichen Sender jedoch zunehmend die finanziellen Mittel von der Regierung gestrichen und eben zwei Konservative an die Spitze ernannt. Ein Meinungsfreiheitsskandal war also schon vorprogrammiert.
Die Regierung und die Tory-Doppelspitze bei der BBC haben sich verzockt. Der Sender ruderte am Montag zurück und Lineker wird am kommenden Wochenende wieder die Premier League kommentieren. Der öffentliche Druck war zu groß geworden.
Die Social-Media-Vorschriften bei der BBC sollen jetzt von einer unabhängigen Kommission untersucht werden. Lineker will sich auch in Zukunft den Mund nicht verbieten lassen. Den Tories wird das weiterhin nicht gefallen und die konservativen Parteien Europas werden auch weiterhin versuchen, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Die Causa Lineker hat sie jedoch gelehrt, dass sie die Rechnung nicht immer ohne das Volk machen können.
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Mol een deen riicht an sengen Stiwelen ass !
Bravo !!
Da haben sich konservative Eifferer ganz schön verrannt. Freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut, danke und willkommen zurück Gary Lineker