Conference League / Gauthier Caron (Fola Esch): Der Zusatztrainer, der zum richtigen Moment traf
60 Minuten Coach, 30 Minuten Stürmer – so könnte man die Aufgabenverteilung von Gauthier Caron in den letzten Wochen beschreiben. Erst als Motivator und Tippgeber, danach als Joker, sicherte der Franzose der „Doyenne“ in der vergangenen Woche den Sieg gegen Linfield. Warum er nicht nur auf dem Platz Vollgas gibt, erklärte der 31-Jährige zwei Tage vor dem entscheidenen Rückspiel der Fola Esch.
Gauthier Caron hatte es in den vergangenen Monaten nicht leicht. Die Form stimmte nicht, das Pensum als Lagerist bei einem Elektrounternehmen nahm täglich mehr Zeit in Anspruch, als sich die Fola-Trainer das möglicherweise vorgestellt hatten. Weshalb beide Parteien im Sommer ein klärendes Gespräch suchten. „Die Vorbereitung war aufgrund meiner Arbeitszeiten kompliziert. Es gab Tage, an denen ich von 6 bis 18 Uhr arbeiten musste. Ich glaube, dass sich dessen nicht jeder bewusst war. Aber man hat mir die nötige Zeit gelassen, um wieder fit zu werden. Es fehlt noch immer ein bisschen, aber das Schwerste war einfach, mental dranzubleiben.“
Doch der 31-Jährige biss sich fest. In den beiden vergangenen Europapokal-Spielen wechselte ihn Coach Sébastien Grandjean jeweils für die letzte halbe Stunde ein. In Belfast gelang dem Franzosen sein vierter Treffer im Trikot der Escher Fola. „Ich habe ungeduldig auf dieses Erfolgserlebnis gewartet. Ich hatte zuletzt nicht wirklich viel Spielpraxis, weshalb dieses Tor ein Befreiungsschlag ist. Es war wirklich der richtige Moment.“ Ein bisschen Glück inklusive: Nachdem ihm der Ball aus kurzer Distanz im Sechzehner vor die Füße sprang, überlegte Caron nicht lange: „In fünf von zehn Fällen schieße ich drüber oder der Ball prallt gegen einen Gegenspieler. Man hat wirklich nur den Bruchteil einer Sekunde Zeit, um zu überlegen. In der Zeitlupe sieht das vielleicht etwas anders aus, aber in Wirklichkeit geht das alles so schnell …“
Für Caron war es nach dem Treffer gegen Bala Town (mit Déifferdeng 03) bereits das zweite Tor gegen eine britische Mannschaft. Welcher der beiden Treffer am Ende aber hervorzuheben ist, sei ganz klar: „Da gibt es absolut keine Zweifel: Der von vergangener Woche gegen Linfield war eindeutig der wichtigste. Er hat mir besonders mental enorm gutgetan. Der Gegner ist danach eingeknickt. Das hat man auch an der Stimmung im Stadion gesehen. Die Zuschauer waren heiß und sehr enthusiastisch. Nach dem Ausgleich wurde es immer weniger, nach unserem zweiten Tor herrschte Totenstille.“
Ein paar der einstigen Weggefährten haben sich daraufhin gleich gemeldet. „Es gab natürlich die Nachrichten von Familie und Freunden, aber eben auch von einigen Leuten aus Differdingen und von Arno Bonvini. Dass Ex-Kollegen wie Jean-Philippe Caillet noch immer an mich denken, ist toll zu sehen.“ Mit dem aktuellen D03-Sportdirektor (erst als Spieler, danach in seiner aktuellen Funktion) hat Caron zwischen 2013 und 2019 enorm viel Europokalluft geschnuppert. Unvergessen bleibt für Caron aber vor allem das Play-off-Duell gegen Paris Saint-Germain 2011. „Jede Kampagne ist anders. Mit Differdingen haben wir uns damals am grünen Tisch für die beiden Play-off-Spiele gegen den PSG qualifiziert. Das war natürlich ein riesiges Highlight.“
„Das Schwerste steht uns erst bevor“
Jetzt soll diese Geschichte auch mit der „Doyenne“ geschrieben werden. „Wir wissen, was nach diesem Duell warten kann.“ Trotz des 2:1-Vorsprungs ist auf dem Galgenberg aber niemand bereit, sich in eine Favoritenrolle drängen zu lassen. Im Gegenteil. „Ganz ehrlich: Das Schwerste steht uns erst bevor. Das wird eine ganz andere Nummer werden. Im Europapokal kann jedes Detail ausschlaggebend werden.“ Als Beweis erinnerte sich Caron an das Elfmeterschießen gegen Tromsö, aufgrund dessen die Qualifikation für die letzte Runde vor der Gruppenphase mit D03 scheiterte. „Wir waren damals auch sehr nah dran …“ Seinen Elfmeter hatte er damals versenkt. Wie man mit Stresssituationen umgeht, weiß er also bestens: „In so schweren Momenten ist es eigentlich am einfachsten. Man hat keine Wahl.“
Ein solch nervenaufreibendes Szenario im Stade Josy Barthel ist am Donnerstag allerdings vermeidbar – zumindest für die Fola-Fans. Caron hat in den vergangenen Tagen besonders oft das Gespräch mit einem anderen Stürmer gesucht, damit es auch ohne Elfmeterschießen klappt. „Ich unterhalte mich viel mit Michael (Omosanya), um ihm Tipps zu geben. Er ist noch jung und es fehlt ihm manchmal an Reife, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich will ihm klarmachen, dass wir ihn brauchen und dass er uns in die nächste Runde schießen kann.“ Neid gibt es zwischen den beiden Angreifern nicht. „Ich bin ein Teamplayer. Wenn er 15 Tore schießt, dann hilft das ja auch mir. Ich weiß ja selbst, dass ich keine zehn Europapokalspiele mehr bestreiten werde. Sollte es also dank Michael eine weitere Zeile für meine Geschichtsbücher geben, würde es mich enorm freuen.“
Doch nicht nur außerhalb des Platzes ist der Franzose in den letzten Wochen in eine neue Rolle geschlüpft, auch auf der Ersatzbank haben Caron und die restlichen Auswechselspieler zuletzt mächtig Gas gegeben. „Man kann sich das vielleicht nicht vorstellen, aber es ist definitiv stressiger auf der Ersatzbank. Man gehört nicht zu den Akteuren, die etwas bewirken können. Man fühlt sich fast wie ein Trainer, der komplett fokussiert ist.“ Und so handelt Caron dann auch: „Man will den Kollegen ein paar Prozent Energie zurufen, damit sie den zusätzlichen Meter machen, der entscheidend sein kann. Gegen Soligorsk saßen am Ende eigentlich nur noch Trainer auf der Bank (lacht). Das war eine Aufregung, die man so selten erlebt. Auf jeden Fall beweist es, dass wir als Mannschaft alle in die gleiche Richtung ziehen.“
Grandjean wird wohl kaum etwas einzuwenden haben, wenn nicht nur er, sondern auch seine Stürmer am Donnerstag die richtigen Worte – und Tore – finden.
Conference League
3. Runde, Rückspiel:
Am Donnerstag um 19.30 Uhr im Stade Josy Barthel:
Fola Esch – Linfield FC
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