Luxemburg / „Géi bei de Staat, do hues de eng sécher“: Wie eine Angestellte im Krankenschein entlassen wurde
Der Staat gilt als beliebter Arbeitgeber in Luxemburg. Gutes Gehalt, gute Bedingungen und eine gute Absicherung. Zumindest Letzteres gilt allerdings nicht für alle Staatsbediensteten, wie der Fall einer Mitarbeiterin aus dem Bildungsministerium zeigt.
„Géi bei de Staat, do hues de eng sécher“: Wer hat diesen Ratschlag zur Karriereplanung nicht schon einmal gehört? Eine Juristin hatte ihn sich zu Herzen genommen. Sie wollte eine möglichst gute berufliche Absicherung und sich in den Dienst der Allgemeinheit stellen, so wie ihr Vater es schon getan hat. Doch die Frau musste nach zweieinhalb Jahren erkennen, dass die Sicherheit beim Staat doch nicht so groß ist, wie viele annehmen. So war der Schock für die als „employée de l’Etat“ beim Bildungsministerium beschäftigte Juristin groß, als sie den Brief mit ihrer Kündigung erhielt. Sie hatte es bereits befürchtet, doch aus ihrem Umfeld wurde ihr immer wieder Mut zugesprochen. „Mach dir keine Gedanken. Solange du einen Krankenschein hast, können sie dich nicht entlassen.“
Ein Trugschluss. Denn wie das „Ministère de la Fonction publique“ gegenüber dem Tageblatt bestätigt, spielt es beim Staat keine Rolle, ob man krankgeschrieben ist oder nicht, wenn es um Entlassungen geht. Angestellte im Privatsektor scheinen hier durch den „Code du travail“ besser geschützt zu sein. „Im ,Code du travail‘ sind gewisse Schutzmaßnahmen für Angestellte, die krankgeschrieben sind, vorgesehen. Die Bestimmungen aus dem ,Code du travail‘ applizieren sich allerdings nicht auf Beamte oder Bedienstete vom Staat“, so die Erklärungen aus dem zuständigen Ministerium. Beim Staat gibt es drei verschiedene Karrieren. Für die Beamten und Angestellten („employés de l’Etat“) zählt der „Code du travail“ nicht, sie unterliegen dem Beamtenstatut. Die Staatsarbeiter („salariés de l’Etat“) sind ihrerseits durch den „Code du travail“ geschützt.
Keine Schutzvorrichtung
Es sind vor allem die Staatsangestellten, die unter einem mangelnden Kündigungsschutz leiden, was auch immer wieder von Gewerkschaften bemängelt wird. Erst im Mai dieses Jahres hatte das Syndikat für den öffentlichen Dienst des OGBL/Landesverband, gemeinsam mit dem Syndikat für Erziehung und Wissenschaft (SEW), in einem Brief an den zuständigen Minister für den öffentlichen Dienst auf diese Problematik hingewiesen. Während der Kündigungsschutz für Beamte gleich nach dem „Stage“ gilt, tritt dieser bei Angestellten erst nach zehn Jahren im Dienst ein. Bis zu dem Zeitpunkt gibt es keine Schutzvorrichtungen, wie man sie aus dem „Code du travail“ kennt. Weder eine Kündigungsfrist noch eine nach Dienstalter gestaffelte Entschädigung im Falle einer Entlassung. Außerdem könne der zuständige Minister unbefristete Verträge bereits bei geringfügigem Fehlverhalten kündigen, so der OGBL in seinem Brief.
Die Juristin hatte noch keine zehn Dienstjahre und steht nun mit leeren Händen da. Nach drei Monaten im Bildungsministerium musste sie die Abteilung wechseln. Anderthalb Jahre später wurde sie aufgefordert, von zu Hause aus zu arbeiten. Im Ministerium bekam sie ein Büro, weit entfernt von ihrer Abteilung, und durfte nicht mehr an deren Versammlungen teilnehmen. Ihre Vorgesetzten begründeten diese Maßnahmen damit, dass die Juristin nicht mit ihren Arbeitskollegen zurechtkomme. Das führte der Staat schlussendlich auch als Grund für die Entlassung an. Sie bestreitet dies. Lediglich das Verhältnis zu ihren Vorgesetzten sei durch Spannungen geprägt gewesen. Jedenfalls seien es die Bedingungen am Arbeitsplatz gewesen, die sie krankgemacht hätten, sagt sie.
Entlassung trotz Gerichtsverfahren
Schließlich wurde sie noch einmal versetzt, musste das Bildungsministerium in Clausen verlassen und für eine andere Verwaltung arbeiten. Das Ministerium begründete die Versetzung unter anderem damit, dass man so die Gesundheit der Frau schützen wolle. Für die Juristin ist ihre Versetzung zum „Institut de formation de l’éducation nationale“ (IFEN) nicht rechtens gewesen. Sie ging dagegen vor, der Fall liegt momentan beim Verwaltungsgericht. Zu einer Verhandlung kam es noch nicht. Obwohl das Ministerium ihre Entlassung an Vorfällen festmacht, die sowohl vor- als auch nach ihrer Versetzung stattfanden, spielt das Verfahren beim Gericht laut Bildungsministerium keine Rolle. „Ein laufendes Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat keine aufschiebende Wirkung und deshalb auch keinen Einfluss auf eine Vertragsauflösung“, so das Bildungsministerium.
Die Kündigungsprozedur wurde also trotz Krankenschein und laufendem Gerichtsverfahren in Gang gesetzt. Dass die Angestellte zu dem Zeitpunkt seit rund drei Wochen einen Krankenschein hatte und dieser vom Kontrollarzt bestätigt wurde, spielte auch keine Rolle. Sie wurde zuerst schriftlich vom Staat davon in Kenntnis gesetzt, dass man ihren Vertrag auflösen will. Ab dem Moment hatte sie acht Tage Zeit, um schriftlich oder mündlich gegenüber Beamten vom „Ministère de la Fonction publique“ Stellung zu beziehen. Da sie zu dem Zeitpunkt bereits krankgeschrieben und der Krankenschein vom Kontrollarzt bestätigt wurde, bat sie um einen Termin, um sich mündlich zu erklären. Einen Personalvertreter durfte sie nicht zum Treffen mitnehmen. Da sie gesundheitlich angeschlagen war, nahm sie aber ihren Anwalt mit. Sie bestritt die gegen sie erhobenen Vorwürfe, doch der Staat blieb bei seiner Entscheidung und entließ die Frau.
Damit ist ihre Karriere beim Staat wohl vorbei, denn wer erst einmal rechtmäßig entlassen wurde, kann nicht wieder eingestellt werden – auch nicht in einer anderen Karriere.
Nicht einmal ein Disziplinarverfahren
Das droht sogar Beamten oder Angestellten, die aus gesundheitlichen Gründen entlassen werden. Auch hier sind Staatsbedienstete weniger geschützt als Angestellte im Privatsektor. Wer beim Staat innerhalb einer Referenzperiode von zwölf Monaten insgesamt sechs Monate krankgeschrieben ist, dem kann gekündigt werden. Die Frist kann zwar mit ärztlichem Attest auf neun Monate ausgedehnt werden, doch dann hat man keine Absicherung mehr. Auch darauf hat der OGBL in seinem Brief an den zuständigen Minister Serge Wilmes (CSV) aufmerksam gemacht.
Das Problem ist auch Steve Heiliger, Generalsekretär der Staatsbeamtengewerkschaft CGFP, bekannt. „Nach den Verhandlungen zum letzten Gehälterabkommen haben wir eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich genau mit dieser Thematik beschäftigt“, so Heiliger gegenüber dem Tageblatt.
Er plädiert, wie der OGBL, für einen besseren Schutz von Staatsangestellten. Beamte werden im Falle eines Fehlverhaltens vor die staatliche Disziplinarkommission zitiert, die in einem Be- und Entlastungsverfahren zu einer Entscheidung gelangt, was Angestellten eben erst nach zehn Dienstjahren gewährt wird. „Das ist in unseren Augen keine gute Regelung“, sagt Heiliger. „Als CGFP plädieren wir dafür, dass auch Angestellte nach ihrer ,Stage‘-Zeit unter die gleichen Disziplinarverfahren fallen wie Beamte.“
Verbeamtet zu werden, war das große Ziel der Juristin. Drei Monate, bevor sie ihren Entlassungsbrief erhielt, hatte sie das Staatsexamen erfolgreich abgeschlossen. Ihrer Anfrage, verbeamtet werden zu können, ist weder das Bildungsministerium noch das IFEN nachgekommen. Auch bei anderen Ministerien oder staatlichen Verwaltungen kam die Juristin nicht unter, und das trotz mehrerer Bewerbungen. Der Staat sei eben eine einzige Einheit, hat sie in ihrem letzten Vorstellungsgespräch gesagt bekommen. Sie muss sich wohl erneut im Privatsektor umsehen. Immerhin scheint dort zumindest der Kündigungsschutz teils besser als beim Staat zu sein.
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