Esch / Gemischte Gefühle im Doppelpack: Wie sich LSAP und „déi Lénk“ in Zukunft aufstellen
Seit sechs Jahren sitzt das linke Parteienspektrum in Esch auf der Oppositionsbank. Aus dem Superwahljahr 2023 ging sowohl die LSAP als auch „déi Lénk“ mit gemischten Gefühlen heraus. Wie man sich in Zukunft aufstellen und mit welchen Themen man beim Wähler punkten will, offenbarten beide Parteien Mitte der Woche auf ihren Generalversammlungen.
Erst war „déi Lénk“ an der Reihe, 24 Stunden später versammelten sich die Mitglieder der LSAP im Festsaal des „Café Streik“ zu ihren Generalversammlungen. An einem geschichtsträchtigen Ort also für das linke Parteienspektrum in Esch, an dem die Nervosität eine Woche vor den Sozialwahlen deutlich zu spüren war.
Mit den Sozialwahlen haben weder LSAP noch die Linke direkt etwas zu tun, doch waren die Urnengänge des vergangenen und des laufenden Jahres das Hauptthema auf den Jahreshauptversammlungen. Vor allem die Gemeindewahlen, die in Esch keine Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse mit sich brachten. Von einem „mitigéierte Bilan“ sprach deshalb auch Marc Baum, Gemeinderat der Linken. LSAP-Fraktionssprecher Steve Faltz beschrieb die Gemütslage nach den Wahlen mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Stolz sei man, dass die Erneuerung gelungen sei, entsetzt dagegen darüber, dass das eigentliche Ziel verpasst wurde. Nämlich die Rückkehr in die Verantwortung.
Valli für Faltz
Die Escher Zügel hat inzwischen mit Christian Weis ein neuer CSV-Bürgermeister in der Hand. Auch das löst gemischte Gefühle aus. „Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln“, blickte Marc Baum auf die Ära Georges Mischo zurück. Der habe im Gemeinderat prinzipiell alle Vorschläge der Opposition abgelehnt. Mit Christian Weis kam es im kommunalen Gremium zu einer „Art Klimawandel“. „Der Wechsel auf dem Bürgermeisterposten ist für Esch eine gute Nachricht, für das Land nicht. Uns schwant Böses“, so Baum, ebenfalls Parlamentsabgeordneter, über die Nationalpolitik. Auch Faltz haute in die gleiche Kerbe: „Der neue Bürgermeister ist gut für Esch, aber er wird uns als LSAP wahrscheinlich das Leben schwerer machen.“ Überspitzt formuliert bedeutet das auch, dass die LSAP aufpassen muss, nicht von Christian Weis links überholt zu werden. Faltz: „Wir stehen für Wahrheit, Integrität und Gerechtigkeit und rücken keinen Millimeter davon ab.“
Diese Worte gefielen auch Taina Bofferding, inzwischen LSAP-Fraktionssprecherin in der Chamber. Rund eineinhalb Jahre war Bofferding Präsidentin der Escher LSAP, ehe sie Ministerin wurde. Nun bekommen die Sozialisten erneut eine junge Sektionschefin in Person von Laura Valli, die von der Generalversammlung per Akklamation als Nachfolgerin von Steve Faltz an die Spitze der Partei-Sektion gehievt wurde. Als Vizepräsidentin war die 37-Jährige zusammen mit Faltz für die Neuaufstellung der Escher LSAP und für den Gemeindewahlkampf verantwortlich. „Ich werde mein Bestes tun, dass der Elan der Wahlen nicht verloren geht.“ Ihr Vorstand ist jedenfalls runderneuert: Neben Valli blieben aus der alten Mannschaft Aldin Avdic als Generalsekretär, Kassierer Marc Even sowie Andrija Djordjevic erhalten, die allesamt noch zur jungen Garde gehören. Claude Roeltgen, Brigitte Bintz und Pierre Rauchs wurden dagegen mit Geschenken als Dank für ihr Engagement im Vorstand verabschiedet. „Wir haben einen sehr jungen Vorstand, also haben wir uns auch neue Wege überlegt“, sagte Laura Valli. „Jeder wird in Zukunft eine bestimmte Rolle und Aufgabe übernehmen.“
Bei „déi Lénk“ setzt man dagegen eher auf „Altbewährtes“. Das Quartett um Marc Baum, Samuel Baum, Line Wies und Laurent Biltgen sind die Gesichter der Escher Sektion. Lediglich auf dem Posten des Schatzmeisters hat es einen Wechsel gegeben. Olivier Moes ist in die Hauptstadt gezogen und übergab seinen Posten an Léonie Guskowski. Die Partei musste nach den Gemeindewahlen „erst einmal die Wunden lecken“, wie es Marc Baum ausdrückte. „Mit dem Sitzverlust hatten wir nicht gerechnet. Bei den Nationalwahlen hat sich dann der Rechtsruck im Land bestätigt.“ Hier konnten die Linken nur knapp ihre zwei Mandate retten.
Konsequente Oppositionsarbeit
In Esch „haben die Grünen ihren Verrat fortgesetzt. Noch bevor das letzte Wahlbüro ausgezählt war, stand die Koalition“, blickte Marc Baum zurück. „Der Verlust unseres zweiten Sitzes ist umso bitterer, weil mit der ADR und den Piraten zwei neue Parteien im Gemeinderat sitzen.“ Eine rechtspopulistische Partei also und eine Vertreterin der Piraten, die bisher „sehr bescheiden“ aufgetreten sei. Als Lehre aus den Wahlen habe man über die Schwerpunkte nachgedacht. Das Sicherheitsgefühl der Escher hat eine größere Rolle gespielt als angenommen, bilanzierte Line Wies, die als Zweitgewählte Marc Baum zur Hälfte der Mandatsperiode im kommunalen Gremium ersetzen wird. Hier will man in Zukunft Akzente setzen. Natürlich im Wissen, dass soziale Ungleichheiten die Basis aller Probleme sind. Für eine Law-and-Order-Politik werden sich die Linken sicher nicht einsetzen.
Die LSAP will in Zukunft mit einer konsequenten Oppositionspolitik im Gemeinderat punkten. Das taten in der vergangenen Mandatsperiode v.a. die Linken, während sich die LSAP-Räte nach dem Wahldebakel von 2017 nicht so recht in der Rolle einer Oppositionspartei zurechtzufinden schienen. „Die Erneuerung war wie aus dem Bilderbuch. Jetzt geht es darum, die Dynamik dieser Erneuerung am Leben zu halten“, so Steve Faltz. „Letztendlich geht es darum, unsere Gesellschaft besser zu machen, und die hat das bitter nötig.“
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Nach der Verjüngung ist vor der Verjüngung. Das Trauerspiel bei der Escher LSAP geht leider weiter.Noch nicht einmal ein Jahr im Gemeinderat und schon zieht es die Newcomerin und Shootingstar nach Brüssel, wie einst die nächste Bürgermeisterin Bofferding ins Ministerium. Das ganze nach dem Motto: alles gewonnen und trotzdem verloren.