FC Schifflingen / Generaldirektorin Sophie Lamorté über Berufsbilder und Visionen des Fußballklubs
Sophie Lamorté kennt man möglicherweise als Geschäftsführerin, die in Foetz eine Firma leitet. In Fußballkreisen hat sich die Französin in den vergangenen fünf Saisons einen Namen als Generaldirektorin des BGL-Ligue-Aufsteigers FC Schifflingen 95 gemacht. Wie beide Jobs zusammenpassen, was ihre Idealvorstellung des Luxemburger Fußballs ist und warum ihr Team das erste sein soll, das den Leader Differdingen stürzen kann: Ein Interview mit einer 43-Jährigen, deren Handy im Sekundentakt klingelt.
Tageblatt: Wie hat Aufsteiger Schifflingen seine ersten neun Spiele in der BGL Ligue erlebt?
Sophie Lamorté: Im Großen und Ganzen können wir mit unserem Saisonauftakt zufrieden sein. Wir haben zwölf Punkte und das Ziel bleibt, den Klassenerhalt so schnell wie möglich zu schaffen. Wir sind auf dem richtigen Weg, müssen aber weiter hart in dieser Liga arbeiten. Bislang bin ich glücklich und stolz auf meine Spieler. Die erfahreneren haben die jüngeren nach oben gezogen. Ganz ehrlich: Als erste Erfahrung in der BGL Ligue ist das gar nicht mal so schlecht. Das ist zwar nur meine eigene Meinung, aber objektiv gesehen haben wir bisher gut gearbeitet und guten fußballerischen Inhalt geboten.
Die Begegnungen waren, zumindest von den Ergebnissen her, alle sehr eng. Welche Niederlage war besonders enttäuschend?
Es gab Enttäuschungen, beispielsweise auswärts gegen den Racing oder zu Hause gegen Monnerich. Bis zur letzten Minute lagen wir in Führung, danach gab es dieses Missverständnis zwischen meinem Torwart und dem Verteidiger. Die Enttäuschung beruht aber nicht auf den Ergebnissen – immerhin waren wir uns alle bewusst, dass es Niederlagen geben würde. Es ist vielmehr frustrierend für die Mannschaft, die alles gegeben hat und aufgrund eines einzigen Fehlers zwei Punkte verliert oder wie gegen den Racing verliert. Ich bin traurig für die Jungs, da sie die Mentalität und die DNA, die wir verlangen, auf den Platz gebracht haben.
Zu Ihrer Rolle im Verein: Was sind die Aufgaben einer Generaldirektorin?
Ich kümmere mich sehr viel um den sportlichen Bereich. Ich habe meinen Posten als Generaldirektorin zwar behalten, aber seit der Ankunft unseres Präsidenten Fabien Zuili werden einige Aufgaben umverteilt und die Strukturen neu organisiert. Mein Wunsch wäre es, mich auf Dauer rein auf das Sportliche zu konzentrieren. Bis vor dem Aufstieg in die BGL Ligue war mein Job eigentlich, alle Löcher zu stopfen. Das ging von der Suche nach Sponsoren, die das Projekt finanzieren wollten, bis hin zu der Mission, eine Verbindung zwischen Jugendspielern und der ersten Mannschaft herzustellen. Wir haben das Glück, dass unsere freiwilligen Helfer in Schifflingen unheimlich investiert sind, aber leider nicht zahlreich. Es ging also auch darum, ihnen so gut es ging zu helfen. Daneben bin ich für die Verbindung zwischen Trainerteam und Vorstand zuständig. Wichtig ist mir auch, den Spielern eine Unterkunft und eine Arbeit zu suchen. Ich kann nicht einfach jemanden aus dem Ausland rekrutieren und ihn dann – auf sich alleine gestellt – stehen lassen.
Klare Vereinbarung
Wie nehmen die Spieler dieses Angebot an?
Die Spieler wissen, was sie erwartet: Unser sportliches Projekt basiert darauf, sie beruflich auszubilden, damit sie einer geregelten Arbeit nachgehen können. Das gilt für diejenigen, die wir aus dem Ausland herkommen lassen – aber auch für alle, die etwas älter sind und auf einem höheren Niveau gespielt haben. Ihr Gehalt verdienen sie sich tagsüber im Job, der Fußball ist ein Plus. Die Älteren haben möglicherweise jahrelang vom Fußball gelebt, aber das wird irgendwann vorbei sein. Wir machen ihnen klar, dass sie eine Arbeit brauchen. Gemeinsam mit dem Präsidenten bauen wir derzeit eine Struktur auf, die sich konkret um die Ausbildung und Arbeitssuche nach der sportlichen Karriere kümmert. Mir erscheint das jedenfalls enorm wichtig. Es stoßen Jungs zu uns, die noch nie gearbeitet haben, oder erfahrene Spieler, die bislang das Glück hatten, vom Fußball zu leben. Wir begleiten sie dabei, denn ihr Alltag ist dabei, sich zu verändern. Der Deal ist klar und fast vertraglich festgehalten: Der Spieler weiß, dass er sich gegenüber dem Arbeitgeber richtig verhalten muss, damit er sonntags auf dem Platz steht. Wenn er sich krankmeldet, kann er ja nicht zum Training … Für den Chef bedeutet das, dass er sichergehen kann, dass er jemanden einstellt, der sich engagiert.
Gab es auch schlechte Erfahrungen?
Ja … Es gab Spieler, die sich bei der Arbeit nicht korrekt verhalten haben. Das ist für mich eine persönliche Enttäuschung und beeinflusst auch die Zukunft. Der nächste Spieler, der sich an gleicher Stelle bewirbt, erhält keine Chance mehr, da das Vertrauen gebrochen wurde. Zurzeit habe ich Probleme, einem der Spieler einen Job zu finden, da vergangene Saison zwei andere sich danebenbenommen haben.
Sie haben es angedeutet: In den sechs Jahren gab es immer neue Anforderungen. Was hat sich für Sie auf dem Weg eines Erstdivisionärs in die BGL Ligue geändert?
Das Projekt war immer klar definiert: Als ich damals ankam, habe ich als Ziel ausgegeben, Schifflingen innerhalb von vier Jahren in die BGL Ligue zu führen. Es gab diese Covid-Unterbrechung, weshalb es letztlich fünf Jahre gedauert hat. Ich habe meine Zielsetzungen eingehalten. Wir haben währenddessen versucht, die vereinsinterne Organisation zu verbessern. Als ich ankam, gab es keinen Physiotherapeuten. Deshalb wurde ein medizinischer Stab auf die Beine gestellt. Es gab niemanden, der sich um die Wäsche gekümmert hat. Auch das haben wir in die Wege geleitet. Alle Änderungen zielten eben auf diesen Aufstieg hin. In der BGL Ligue braucht es diese Struktur – auf Vorstandsebene, beim Marketing oder ähnlichem. Es ist klar, dass das nicht in einer 1. Division der Fall war.
Sie leiten ein Unternehmen in Foetz. Welche der beiden Aufgaben ist anspruchsvoller?
Ich arbeite seit 25 Jahren im Bereich der Personalführung. Ich kenne es nicht anders. Es waren auch meist nur Männer, mit denen ich es zu tun hatte, da ich zuvor im Bauwesen tätig war. Wenn man bis zu 200 Arbeiter führt, schafft man es auch, 25 Fußballspieler zu betreuen.
Gleiche Bedingungen
Wie lange dauert es, um akzeptiert zu werden?
Das ging schnell. Es dauert länger, sich als Frau die nötige Glaubwürdigkeit zu erarbeiten. Man muss immer beweisen, dass man Ahnung von Fußball hat.
Wie sieht Ihre Vision des Luxemburger Fußballs aus?
Es gibt zwar zwei Möglichkeiten, aber nur eine Lösung. Man sieht, dass die großen Vereine wie Fola, Racing oder Düdelingen inzwischen nicht mehr mit den gleichen Budgets arbeiten, wie das noch vor ein paar Jahren der Fall war. Man könnte sich also fragen, ob das Niveau darunter leidet. Entweder orientieren wir uns in Richtung einer professionellen Meisterschaft – aber dann muss der Verband mitziehen. Das könnte die Entwicklung vorantreiben. Die andere Möglichkeit ist, in einer halbprofessionellen Meisterschaft zu bleiben. Ich denke, dass es in diese Richtung gehen wird. Die Präsidenten haben aufgehört, massiv zu finanzieren. Es sollte so sein, dass für alle Spieler die gleichen Bedingungen gelten und sie einer Arbeit nachgehen, oder alle Profis sind.
Zurück zur Aktualität: Am Samstag reisen Sie zum Leader Differdingen. Was braucht es, um die einzige ungeschlagene Mannschaft der BGL Ligue zu stürzen?
Differdingen ist aus persönlichen Gründen ein besonderes Thema für mich. Ich habe enge Verbindungen: Der Trainer hat für mich gearbeitet, den Präsidenten und den Sportdirektor betrachte ich als gute Freunde. Es würde mir am Herzen liegen, die Erste zu sein, die ihr Team in dieser Saison schlägt. Es wird nicht einfach werden … Wir haben ein paar Verletzte. Wir müssen unsere DNA zeigen, dann können wir gegen jedes Team gewinnen.
Wie sieht diese Schifflinger DNA aus?
Bescheidenheit und Arbeit. Wenn man arbeitet und bodenständig ist, kann man überall anklopfen.
Wie heißt die größte Überraschung des Teams in dieser Saison?
Es gibt mehrere. Ich werde nicht die erfahrenen Spieler nennen. Dass ich die ins Team geholt habe, liegt an den Qualitäten, die man kennt. Es sind eher meine jungen Leute, wie etwa Innenverteidiger Mantené Coulibaly, Mittelfeldspieler Benjamin Besic und Angreifer Téo Herr. Man sieht, dass sie die DNA unbedingt verkörpern wollen. Umgeben von den erfahrenen Spielern, entwickeln sie sich weiter.
Letzte Frage: Sie reden immer von „Ihren“ („meinen“) Spielern. Warum?
Ja, das stimmt. Es ist vielleicht nicht richtig, weil es nicht meine sind (lacht). Es fehlt mir zwar dadurch der Schutzmechanismus, aber ich führe meine Mannschaften immer mit viel Herz. Die jüngeren Spieler haben etwa das Alter meines Sohnes. Ich habe fast eine mütterliche Rolle. So bin ich eben. Es gehen pro Woche etwa 30 Stunden für den Verein drauf – auf freiwilliger Basis und ohne Bezahlung. Es gibt Tage, an denen ich physisch am Ende bin. Aber die Leute haben ihr Vertrauen in mich gesteckt, das motiviert mich jeden Tag aufs Neue.
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