/ „Gerempelt und geschubst“: Von einem emotionalen Kongress der Grünen
Es war ein sehr emotionaler außerordentlicher Kongress, auf dem die Grünen am Donnerstagabend dem neuen Wohnungsbauminister Henri Kox ihr vollstes Vertrauen aussprachen. Kox ersetzt Felix Braz, der wegen eines schweren Herzleidens aus der Regierung scheiden muss. Überschattet wurde der Kongress von der sogenannten „Gaardenhaischen“-Affäre und insbesondere von den Anschuldigungen der konservativen Oppositionsparteien CSV und ADR gegen Umweltministerin Carole Dieschbourg.
Umweltministerin Carole Dieschbourg hatte sich ihren 42. Geburtstag bestimmt anders vorgestellt. Anstatt mit Familie und Freunden zu feiern, musste sie sich am Nachmittag bereits zum zweiten Mal in dieser Woche im parlamentarischen Umweltausschuss den unbequemen Fragen der CSV-Fraktionsvorsitzenden Martine Hansen und des ADR-Abgeordneten Fernand Kartheiser stellen. Auch der außerordentliche Kongress von Donnerstagabend war erst kurzfristig einberufen worden. Doch ihre Parteikollegen hatten sie nicht vergessen. Sie sangen ihr ein Geburtstagsständchen und hatten eine Überraschungstorte für sie vorbereitet.
Carole Dieschbourg kam spät, direkt aus dem parlamentarischen Ausschuss, der länger gedauert hatte als geplant. Doch die Angriffe der konservativen Opposition hatten ihr offenbar weniger zugesetzt, als manche vermutet hatten. Souverän und gut gelaunt spazierte sie durch die Reihen und begrüßte ihre Parteikollegen, die sie mitfühlend umarmten. Wenn sie angeschlagen war, konnte sie es gut verstecken.
Unterstützung für Dieschbourg
Auf die Unterstützung ihrer Parteikollegen kann Dieschbourg jedenfalls zählen. Der künftige Vizepremier François Bausch fand es ungeheuerlich, dass die Opposition in dieser Angelegenheit mit unerträglichen Unterstellungen arbeite, ohne jegliche Beweise anzuführen. Er sei sich sicher, dass Carole Dieschbourg sich in diesem Punkt nichts vorzuwerfen habe, meinte Bausch und erntete für diese Aussage viel Beifall von den fast 270 Grünen, die Donnerstagabend ins Kulturzentrum Tramsschapp auf dem hauptstädtischen Limpertsberg gekommen waren.
Auch Parteipräsident Christian Kmiotek fand deutliche Worte. Er beschuldigte die Opposition, mit „Fake News“ zu operieren. „Die CSV hat ihre Beschuldigung mit einem juristischen Gutachten untermauert, das von keinem einzigen Juristen unterschrieben ist. Und so etwas nimmt den Begriff Rechtsstaat in den Mund. Ich könnte kotzen“, rief Kmiotek unter dem Jubel der Parteimitglieder in den Saal.
259 Mitglieder für Kox
Bereits zuvor hatte sich François Bausch von der CSV enttäuscht gezeigt, die noch bis vor einem Jahr auf eine Regierungskoalition mit den Grünen gehofft hatte. Auch einem zukünftigen Bündnis mit den Christsozialen erteilte Bausch am Donnerstag eine klare Absage. In Krisensituationen erkenne man, wo man Freunde habe und wo nicht, sagte Bausch. Er habe keine Lust, fünf Jahre mit einem Partner in der Regierung zu sitzen, mit dem es auf menschlicher Ebene nicht stimme. „Alle, die träumen, dass die Regierung zerbricht, sollen weiter träumen“, lautete sein unmissverständliches Bekenntnis zur Dreierkoalition.
Der eigentliche Grund, weshalb der außerordentliche Kongress überhaupt veranstaltet worden war, rückte am Donnerstag etwas in den Hintergrund. Erwartungsgemäß wurde der langjährige Abgeordnete und frühere Bürgermeister der Stadt Remich Henri Kox mit überwältigender Mehrheit zum neuen Regierungsmitglied gewählt. 259 Mitglieder stimmten für ihn. Nur drei waren dagegen, vier enthielten sich. Noch kurz vor dem Kongress hatte er Glückwünsche mit einem „Waart emol of“ abgewiegelt. Seine Zweifel waren unberechtigt.
Voraussichtlich am Donnerstag wird Kox als neuer Minister für Wohnungsbau und delegierter Minister für Verteidigung und Innere Sicherheit vereidigt. Er wird Justizminister Felix Braz ersetzen, der wegen einer im August erlittenen Herzattacke seine Aufgabe bis auf weiteres nicht mehr erfüllen kann. Die noch aktuelle Wohnungsbauministerin Sam Tanson wird das Justizressort übernehmen, während François Bausch neuer Vizepremierminister wird.
In seiner Ansprache stellte auch Henri Kox fest, dass „déi gréng“ zurzeit stark unter politischer Beobachtung stehen: „Wir werden gerempelt und geschubst, doch wir lassen uns nicht unterkriegen.“ Politisch kündigte er an, den von seiner Vorgängerin Sam Tanson gezeichneten Weg weitergehen zu wollen. Der erschwingliche Wohnraum habe Priorität, der private Markt könne nicht liefern, deshalb sei die öffentliche Hand gefordert, insbesondere beim Mietwohnungsbau. Dafür wolle er sich einsetzen, sagte der dienstälteste Abgeordnete der Grünen. Die Gemeinden seien der stärkste Partner im Wohnungsbau. Deshalb wolle er bis Ende 2020 die Reform des „Pacte logement“ in Zusammenarbeit mit den Kommunen zum Abschluss bringen.
Weiterer Schicksalsschlag
Für die Ressorts Verteidigung und Innere Sicherheit sei er zwar nicht wirklich „Demandeur“ gewesen, doch er nehme auch diese Herausforderung an und werde alles dafür tun, dass Polizei und Armee wieder den Ruf haben werden, den sie verdienen. Unter Tränen bedanke er sich am Ende seiner Ansprache bei seiner Familie und seinem Vater.
Auch die schwere Krankheit von Felix Braz ließ die Grünen am Donnerstag nicht unberührt und rief ihnen wieder den Tod des früheren Staatssekretärs im Umweltministerium Camille Gira im vergangenen Jahr in Erinnerung. Sowohl François Bausch als auch Christian Kmiotek und Henri Kox vergossen Tränen, als sie auf das schwere Schicksal ihrer beiden langjährigen Weggefährten eingingen.
Vor anderthalb Jahren habe er mit Camille Gira einen seiner besten Freunde verloren, bedauerte François Bausch. Er habe lange gebraucht, bis er diesen Schock verkraftet habe. Er habe es nicht für möglich gehalten, dass ihn einige Monate später mit dem Herzinfarkt von Felix Braz ein weiterer schwerer Schicksalsschlag ereilt. „Es waren harte Wochen, mit die härtesten in meinem Leben“, gestand ein ungewohnt emotionaler François Bausch.
Trotz dieser traurigen Vorfälle bleibe die politische Erwartungshaltung der Wähler an die Grünen bestehen und diesen Erwartungen müsse und wolle man auch gerecht werden.
Grundsätzliche Fehler
Der Name Traversini fiel erst gegen Ende des Kongresses. Die Misere der Grünen habe sich durch die Ereignisse in Differdingen noch weiter verschlimmert, meinte François Bausch. Es seien grundsätzliche Fehler passiert, die an den Fundamenten unserer Grundwerte rütteln. „déi gréng“ müssten diese Krise jetzt nutzen, um zu hinterfragen, wieso das gerade ihnen geschehen sei, der Partei, die dafür bekannt sei, dass sie moralische Werte hoch halte. Parteipräsident Kmiotek würdigte seinerseits die Verdienste von Traversini in Differdingen. Seit seinem Amtsantritt sei die Stadt lebenswerter geworden. „De Roberto huet eng komme gelooss, awer en huet sech entschëllegt a steet dofir gerued.“
Jetzt warte man nur darauf, dass andere Bürgermeister, die in ihren Gemeinden ähnliche Fehler begangen haben, sich auch dazu bekennen und die Konsequenzen ziehen, forderte Kmiotek und erntete erneut tosenden Beifall. Es war ein Seitenhieb an den Mamer „Député-maire“ Gilles Roth (CSV), der 2014 beschuldigt wurde, im Rahmen einer PAG-Änderung Druck auf einen Beamten ausgeübt zu haben und nun einer der Hauptakteure bei den Vorwürfen gegen Carole Dieschbourg ist.
„Der Aufbau im Süden fängt morgen an“
Doch die Grünen wollen sich von den Schicksalsschlägen und der „Gaardenhaischen“-Affäre nicht unterkriegen lassen und planen bereits den Wiederaufbau im Südbezirk, wo sie am stärksten getroffen wurden. „Der Aufbau im Süden fängt morgen an“, skandierte die 27-jährige Parteipräsidentin Djuna Bernard. Die personelle Erneuerung müsse bis 2023 vorangetrieben werden. Die Grünen könnten in diesen schweren Zeiten auf eine hochrangige zweite Riege zurückgreifen. Viele weitere potenzielle junge Kandidaten habe sie vergangene Woche auf der Straße für Klimagerechtigkeit demonstrieren gesehen. Ihnen liege der Planet am Herzen und sie sollen sich auf lokaler Ebene engagieren.
Ersetzt wird Traversini im Parlament von Semiray Ahmedova (38), die am Donnerstag sichtlich nervös aufgrund ihrer bevorstehenden Aufgaben war. Die 31-jährige Chantal Gary wird für Henri Kox ins Parlament nachrücken. Damit sind in der grünen Fraktion erstmals mehr Frauen (5) als Männer (4) vertreten. Eine Premiere im Luxemburger Parlament. „déi gréng“ zählen aktuell 977 Mitglieder.
- Esch2022: Das Vertrauen in die Europäische Kulturhauptstadt schwindet weiter - 27. Dezember 2020.
- Im Escher Krankenhaus herrscht auf allen Ebenen Unruhe - 25. Dezember 2020.
- Corona kostet Luxemburger Staat bislang 4,4 Milliarden Euro - 16. Dezember 2020.
Alles Guddes fiir den neien Job. Hoffentlech geléngt et eisem neie Wunnéngsbauminister t’Wunnéngspräiser ob e raisonnablen niveau erofzedrécken.
Die Freude sei ihnen gegönnt. Hoffentlich wird es nicht bald ein schlimmes Erwachen!
Also Friede, Freude, Eierkuchen, das war einmal. Jetzt geht’s ans Eingemachte.
Den Wunnungsbauproblemm ass net mat Ministermethoden ze lei’sen.
Do kann all Partei machen waat se wellt, daat geht net !
Daat huet Mme Tanson schons an der kurzer Zeit erkannt, an dann nemmen so’u sei’er wei‘ mei’glech daat warmt Ee engem aaneren zo’uscho’usteren !
Elo huet de Kox dat warmt Ee, mol kucken wei‘ heen dan domadder jonglei’ert !
Das Wohnungsbauproblem betrifft die gesamte Regierung und nicht nur die Grünen. Schliesslich geht es um die Zukunft unseres Landes und um die Lebensqualität spätestens unserer Nachkommen.
Hauptsache Herr Kox freut sich wie ein Schneekönig, dass er endlich sein Ziel erreicht hat!
Das ganze Land hat mittlerweile mitgebekommen dass auch bei den grünen Vetternwirtschaft wichtiger ist als alles andere. Doch Haupsache auf dem Kongress leckt man sich gegenseitig die Wunden bedauert sich eher als Besserung zu geloben.
So wird das bei den nächsten Wahlen aber in die Hosen gehen !!!
HOW DARE YOU ???
In die Hose werden die naechsten Wahlen wohl fuer die CSV gehen…..
Da sich die Zahl der CSV-Wähler auf natürliche Art und Weise ständig verringert, dürfte das wohl in der Tat passieren. Sicher ist es aber nicht. Andererseits macht die CSV momentan eher einen desolaten Eindruck: abgehalfterter ehemaliger Spitzenkandidat, krawallige Fraktionschefin, überforderter Präsi.
Dazu kommt noch die krachende Niederlage bei den Europawahlen, wo sich die DP erstmals an der CSV vorbeigeschoben hat. Deren Aufstellung ist nun mal sehr diszipliniert, sehr viel mehr als bei der CSV. Zudem hat man den Premier-Bonus.
In Sachen CSV würde ich mich nicht zu sehr freuen und mit dieser natürlichen Art und Weise der Verringerung der CSV Wähler meinen Sie wohl eine biologische. Nicht schlecht! Nur Politik ist nichts Statisches, sie befindet sich in einem permanenten Wandel . Die Parteien verändern sich, so oder so. Den besten Beweis dafür haben jetzt die Grünen erbracht. Also abwarten und erstens kommt es anders als zweitens wie man denkt.
ech kann keng Politiker mei gesin.Alles nemmen Vetternwirtschaft…egal vu wei engem bord dass se sin.
an esoubal eng „liasse“ wenkt,sin all gudd Virsaetz verpufft.