Rentendebatte / Geschlossen gegen Sozialabbau: OGBL und LCGB ziehen erste rote Linien
Die Gewerkschaften OGBL und LCGB haben auf einer gemeinsamen Pressekonferenz eine Tripartite für die Rentendebatte eingefordert. Andernfalls müsse die Gesamtgesellschaft per Referendum befragt werden.
Die beiden größten Gewerkschaften Luxemburgs, OGBL und LCGB, haben sich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Montag zur Rentendebatte geäußert. Das etwas außergewöhnliche Zusammenspiel der beiden Gewerkschaften erklärt OGBL-Präsidentin Nora Back mit der Notwendigkeit einer geschlossenen Opposition gegen die Rentenreform. „Die Entscheidungen werden nach dem Tripartite-Modell genommen werden müssen“, formuliert Back die zentrale Forderung der beiden Gewerkschaften. Es stelle sich jedoch die Frage, warum auf Ministerin Deprez’ Liste mit Interessenverbänden weder Frauen- noch Grenzpendlerorganisationen stehen würden. „Warum wird der Dialog mit verschiedenen Verbänden gesucht und andere außen vor gelassen?“
Patrick Dury geht noch einen Schritt weiter. „Wenn diese Entscheidung nicht im Rahmen der Tripartite genommen wird, ist das Luxemburger Sozialmodell am Ende“, meint der LCGB-Präsident. „Wann soll das Tripartite-Modell sonst greifen, wenn nicht im Rahmen der Rentendebatte?“ Nach der breiten gesellschaftlichen Konsultierungsphase müsse eine Entscheidung demnach zwischen Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften fallen. Auch fordert Dury ein Referendum zur Rentenreform, in dem auch Luxemburgs Grenzpendler befragt werden. Die ersten Vorschläge von der Arbeitgeberseite (ohne Beitragszahlungen keine Leistungen; betrifft u.a. Studenten, Babyjahre) nannte Dury eine frauen- und familienfeindliche Politik. Dem heraufbeschwörten Sozialneid wolle man keinen Raum geben.
Keine gleichberechtigte Debatte
In der Hinsicht sei man als Gewerkschaftsvertreter auch nicht erfreut, dass die der Handelskammer nahestehenden Stiftung Idea eingeladen worden sei, Improof.lu aufseiten der CSL jedoch nicht. „Das ist keine gleichberechtigte Debatte“, moniert Nora Back. Als „unseriös“ bezeichnet sie auch die Zeitschiene der Ministerin für soziale Sicherheit, Martine Deprez. „Als Erstes werden Internetkommentatoren an der Debatte beteiligt und anschließend erst Experten“, sagt Back. Befürchtet wird zudem, dass nach einer rein mathematischen und technokratischen anstelle einer politischen Lösung gesucht werde. Ein Ansatz, der laut Gewerkschaften auf sehr ungenauen Modellierungen beruhe.
OGBL und LCGB wollen dann auch konsequent gegen Fake News und jegliche populistische Äußerung vorgehen. So etwa auch gegen das von Arbeitgeberseite hervorgebrachte Argument, dass man über die hohen Renten sprechen müsse. „Die Durchschnittsrente beträgt 3.600 Euro im Monat“, sagt Back. Renten über 8.000 Euro würden nur 0,14 Prozent im „régime général“ ausmachen, Renten über 10.000 gäbe es gar keine. Dahingegen liegen 33 Prozent der Altersrenten unter 2.500 Euro monatlich. Obwohl sich die Altersarmut in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt habe, sei sie in Luxemburg vergleichsweise weiterhin relativ gering. Das dürfe sich mit einer Rentenreform nicht weiter verschlechtern. „Die Renten sind keine Sozialhilfe – sie wurden sich über ein Leben lang verdient“, sagt Back. Und: „Das Luxemburger Rentensystem ist ein Luxemburger Attraktivitätsfaktor.“
Befürchteter Sozialabbau
Einen dringenden Handlungsbedarf sehen die Gewerkschaftsvertreter auch aufgrund der hohen Rentenreserven nicht. Im Gegenteil plädieren die Gewerkschaften dafür, das Aussetzen des Mechanismus des „Réajustement“ rückgängig zu machen. Mit dem „Réajustement“ werden die Renten an die Reallohnentwicklung angepasst. Auch dürfe die Jahresendzulage nicht abgeschafft werden. Kurzum: „Wir werden keinen Sozialabbau dulden“, so Nora Back.
OGBL und LCGB fordern dann auch, dass die Sozialtransfers Richtung „Fonds de l’emploi“ nicht mehr auf der Ausgabenseite der Renten mitgerechnet werden. „Das hat zur Folge, dass die Ausgaben die Beitragszahlungen erst in fünf bis sechs Jahren übersteigen“, sagt CSL-Direktor Sylvain Hoffmann.
Insgesamt halten die Gewerkschaftsvertreter wenig von den langfristigen Projektionen und Modellierungen, auf Basis deren jetzt eine Reform angedacht wird. Eine realistischere Basis sollen die bereits im Gesetz festgeschriebenen Evaluierungen auf einen Horizont von zehn Jahren sein. Berichte und Gutachten aus den 70er-, 80er- und 90er-Jahren hätten sich immer wieder als falsch erwiesen, weil deren zugrundeliegenden Hypothesen sich nicht bewahrheitet hätten. „Die Projektionen haben noch immer daneben gelegen“, sagt Dury.
Dementsprechend sehen die Gewerkschaftsvertreter die Lösung für ein nachhaltiges Rentensystem nicht auf der Ausgabenseite. Im Falle von Finanzierungsschwierigkeiten plädieren die Gewerkschaften, nicht nur auf die Rentenreserve zurückzugreifen. Auch könne ein Anheben der Beitragszahlungen, eine Entdeckelung der Beitragszahlungen, ohne die Ausgaben zu entdeckeln, progressiv gestaffelte Beitragszahlungen, eine stärkere Besteuerung im Sinne einer Vermögenssteuer für physische Personen und eine Anhebung der Vermögenssteuer für Unternehmen mehr Einnahmen generieren. „Die Arbeitgeberbeiträge in Luxemburg machen 11,6 Prozent der Arbeitskosten aus, während sie in der Europäischen Union im Durchschnitt 24 Prozent betragen“, sagt Sylvain Hoffmann. Auch da sehe man noch einen gewissen Handlungsspielraum.
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