/ Gespaltenes Österreich: Wie die Politik die Stimmung im Land vergiftet hat
Die Österreich-Wahl lieferte die erwarteten Ergebnisse. Ex-Kanzler Sebastian Kurz und seine ÖVP souverän vorne, die FPÖ ohne Strache abgestraft, die SPÖ unter Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner mit zwei blauen Augen davongekommen, die Grünen mit Zugpferd Manfred Kogler nach einer Pause wieder im Nationalrat. Das klingt nach einer klaren Angelegenheit – die Schwierigkeiten aber beginnen jetzt erst, bei der Koalitionssuche. Oder vielmehr: Sie gehen weiter.
Seit im Frühling 2017 die wohl vorerst letzte schwarz-rote Koalition platzte (andere Lesart: gesprengt wurde) und der damalige Außenminister Kurz seine altehrwürdig-konservative ÖVP von Schwarz auf Türkis umfärbte und als „Liste Kurz – Die neue ÖVP“ siegreich in die vorgezogenen Neuwahlen vom Herbst 2017 führte, ist das politische Klima in Österreich vergiftet. „Der neue Stil“, den die ÖVP-Spindoktoren damals ausriefen, hat nur Verbitterung hinterlassen.
Die Koalition der ÖVP mit der radikal rechten FPÖ war ein Scheitern mit Ansage. Mit solchen Menschen, das zeigten die anderthalb Jahre Regierungsbeteiligung, lässt sich kein Land führen – zumindest nicht, ohne dass es danach gespaltener ist als zuvor. Auf diese politische Leinwand muss jetzt jemand eine Koalition pinseln.
Hier sind dann (fast) alle Szenarien denkbar – und alle (fast) undenkbar. Eine Wiederauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition ist nicht auszuschließen. Die ÖVP hält sich zwar zurück, die FPÖ aber läuft seit Wochen im Brautkleid herum. Doch scheiterte ein solches Unterfangen erneut, stünde Kurz als der da, der blöd genug ist, denselben Fehler zweimal zu begehen. Anders sähe das bei einer Dreierkoalition mit den Grünen und den liberalen Neos als Juniorpartnern aus oder bei dem wahrscheinlich möglichen Schwarz-Grün. Doch ob die Grünen da mitspielen? Eine Koalition mit Kurz – die Basis der in Österreich sehr linken Partei ginge auf die Barrikaden. Andererseits: Aus der außerparlamentarischen Opposition heraus (die Grünen blieben 2017 unter fünf Prozent und flogen aus dem Parlament) direkt in die Regierungsbeteiligung – für die Parteispitze sicher verlockend.
Schließlich bliebe Türkis-Rot eine Option. Beide Parteien begegnen sich zwar äußerst feindselig. Aber auch hier könnten Regierungsämter die SPÖ verlocken. Zudem ist der Gewerkschaftsflügel der Partei erpicht darauf, wieder Zugriff auf das Sozialministerium zu bekommen. Demnach: Alles in allem ist eine zähe Partnersuche zu erwarten.
Wie in der österreichischen Politik miteinander umgegangen wird, erleichtert die Aufgabe nicht. Kalkulierte Falschbehauptungen, glatte Lügen, gegenseitige Anschuldigungen – schamlos werden alle dreckigen Karten gespielt. Das geht so weit, dass die Verschwörungstheorie wieder Einzug gehalten hat in Österreichs Alltag. Der große Austausch von George Soros, der hinter allem steckende israelische Geheimdienst, die ausländischen Mächte, die Österreich lenken wollen – ein Kelch der Vernebelung, aus dem vor allem ÖVP und FPÖ reichlich ans Wahlvolk ausschenken. Hinzu kommt die toxische Mischung aus offenem Rassismus, geförderter Islamfeindlichkeit, verstecktem Antisemitismus und Sozialchauvinismus, mit der die Alpenrepublik dauerberieselt wird. Das kann keiner Gesellschaft guttun.
Dem Land ist zu wünschen, dass es eine Regierung bekommt, die die Menschen wieder mehr zusammenführt. Unter den gegebenen Umständen ist jedoch eine Politik zu erwarten, die auch nach den Wahlen vor allem mit sich selber beschäftigt sein wird. Tu Felix Austria? Zurzeit wahrlich nicht.
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Während der grossen Koalition wurde sich zum Schluss nur noch gegenseitig blockiert und von einer konstruktiven Politik konnte keine Rede mehr sein. Davon hatten die Österreicher die Schnauze gestrichen voll. Vor allem im Ausland wird häufig unterschlagen, dass es in Österreich seit Jahrzehnten unter den Wählern eine Mitte-rechts Mehrheit gegeben hat. Es war also eher ein Paradox, dass die SPÖ jahrelang den Kanzler stellte.
Die SPÖ hat in Österreich das gleiche Problem wie überall in Europa. Das eindeutige Profil fehlt und bewirkt eine Abwanderung von SPÖ-Wählern zur FPÖ und zu den Grünen. Da in der Opposition naturgemäss weniger Posten zu verteilen sind, wächst die Unzufriedenheit unter den Genossen und führt zu internen Machtkämpfen, die der Sozialdemokratie natürlich nicht förderlich sind. Wenn die SPÖ ihre Linie in Zukunft nicht ändert, und das hat die Parteivorsitzende gemäß ihrer Aussage von gestern Abend nicht vor, wird es meiner Meinung nach in Zukunft so schnell keine SPÖ Regierungsbeteiligung mehr geben.