OGBL/SEW / Gewerkschaft fordert ehrliche Analyse und klare Vorgaben von Bildungsminister Claude Meisch
Patrick Arendt, Präsident des OGBL-Syndikats für Erziehung und Wissenschaft, hat auf der traditionellen Pressekonferenz zum Schulanfang 2020/2021 die mangelnde Kommunikation von Bildungsminister Claude Meisch (DP) kritisiert und spricht von „Selbstbeweihräucherung“. Ein Digitalisierungskonzept sowie genug Personal fehlten hingegen weiterhin. In den Kompetenzzentren schwelt zurzeit ein „größerer Konflikt“ mit dem Bildungsminister, gab Patrick Arendt bekannt.
Präsident Patrick Arendt und Vizepräsident Jules Barthel bedauern, dass die Corona-Maßnahmen der Regierung erst der Presse vorgestellt wurden, bevor das Schulpersonal davon erfahren habe. Ansonsten „sind wir weitestgehend einverstanden“, erklärten die beiden auf der traditionellen Pressekonferenz des OGBL/SEW zur Rentrée. Es gebe allerdings einige Probleme, die schon im Vorfeld hätten geklärt werden können, wenn Bildungsminister Claude Meisch (DP) mit den Gewerkschaften zusammengearbeitet hätte. „Stattdessen wurden uns die Maßnahmen vor 14 Tagen in einer Videokonferenz mitgeteilt – und heute sehen die mittlerweile wieder anders aus“, kritisiert Patrick Arendt.
„Insgesamt beruhen die Hygienemaßnahmen auf der Trennung von Schulklassen, was wiederum viele Fragen für die ‚Maisons relais’ aufwirft“, sagt Arendt. Zudem bereite die Vorgabe von versetzten Pausen – was einen versetzten Stundenplan voraussetzt – einigen Schuldirektionen Kopfzerbrechen. Der OGBL/SEW bezweifelt des Weiteren, dass das geplante Mobile Testing bei mehreren Verdachtsfällen effizient und schnell reagieren kann. Dass das Bildungsministerium im „Secondaire“ die Schulen entscheiden lasse, ob die Klassen aufgeteilt werden oder nicht, sei ebenfalls nicht sehr glücklich, erklärt Jules Barthel, Vorsitzender der „Secondaire“-Sparte im OGBL/SEW. „Hier hat sich der Minister das Leben etwas leicht gemacht, denn hier müssen zahlreiche Fragen geklärt werden: Wer bleibt zu Hause, wie funktioniert der Sportunterricht in dem Fall, wie funktionieren die ‚travaux pratiques’? Hier haben wir uns eine klare Entscheidung vonseiten des Ministeriums gewünscht.“
Soziales Gefüge bröckelt
OGBL/SEW-Präsident Patrick Arendt stellt fest, dass durch die Corona-Pandemie das soziale Gefüge in den Schulklassen weiter auseinanderzubrechen droht. „Die Schüler aus den gebildeten Sozialschichten sind gut durch die Corona-Pandemie gekommen, die anderen etwas schlechter“, bilanziert Arendt. Das sei keine Kritik an den Eltern oder dem Lehrpersonal, das sei ein Fakt, so der Gewerkschafter. Deshalb könne der OGBL jedoch die Ansicht des Ministers, dass „Schoul doheem wonnerbar“ funktioniert habe, nicht teilen.
Im kommenden Schuljahr sei die größte Aufgabe der Schule, die Schere zwischen den verschiedenen Bildungsständen wieder zuzukriegen und das Verlorene schnellstmöglich aufzuholen. Deshalb fordert der OGBL/SEW, anhand angepasster standardisierter Tests schnellstmöglich Bilanz zu ziehen, um den Lehrern ein gezieltes Feedback zu geben.
Das Ministerium habe sich während des Lockdowns komplett auf das private Equipment und die technische Kenntnis der Lehrer verlassen. „Equipment, das von der Steuerverwaltung noch immer nicht als Arbeitsmaterial anerkannt wird“, wie Arendt nebenbei bemerkt.
Der Vorschlag des Bildungsministeriums, Nachhilfestunden nach der Schule zu organisieren, bringt nach der Sicht des OGBL/SEW wenig: „Die fallen ja dann während den regulären Unterrichtsstunden weg“, erklärt Patrick Arendt.
Weiterhin Personalmangel in den Schulen
Anschließend kam Arendt noch auf den Mangel an Lehrpersonal zu sprechen, der dem Bildungswesen in Luxemburg schon seit Jahren zu schaffen macht. Das Lehrerdasein in Luxemburg sei nicht mehr attraktiv, erklärt Arendt: „Die Notlösung der Quereinsteiger wird mittlerweile als adäquate Lösung angesehen. Die Politik muss mehr Anstrengungen unternehmen.“ Vor allem aber sollen die ausgebildeten Lehrkräfte, die aus den Schulen abgezogen und als Spezialisten rekrutiert wurden, wieder den Schulen zugewiesen werden. „Wir brauchen nicht noch mehr ausgebildete Fachkräfte, die in zahlreichen Versammlungen sitzen, während konkrete Hilfe bei den Schülern gebraucht wird.“
Auch der „Plan de développement scolaire“ soll vorläufig auf Eis gelegt werden, fordert Arendt. Jetzt sei nicht der Moment, um weitere 15 ausgebildete Lehrkräfte aus den Schulen abzuziehen, die als Spezialisten fürs Programmieren eingestellt werden sollen. „Wir haben bereits einen Code, den wir den Kindern beibringen. Der beinhaltet 26 Zeichen und wenn sie den verstehen, erschließt sich ihnen das ganze Wissen der Welt.“ Danach könne man sich noch immer dem Coding widmen, erklärt Patrick Arendt.
Fehlendes Konzept für Digitalisierung
Im Allgemeinen fehlt dem OGBL-Syndikat ein klares Konzept, wie die Digitalisierung in die Schulen integriert und in den Klassen behandelt werden soll. Es reiche nicht, in jeden Klassensaal einen Computer zu stellen – dieser allein mache die Kinder auch nicht intelligenter, sagt Arendt und verweist auf eine Studie der OECD: „Computer helfen nicht beim Lesen- und Schreibenlernen. Es ist hingegen wichtig, dass die Kinder die Motorik des Buchstabenschreibens verinnerlichen, weil das beim Lernen der Sprache hilft.“ Das Tippen auf einer Tastatur sei eher kontraproduktiv.
Gleiches gelte auch für den „Secondaire“-Bereich. 15.000 iPads wurden vom Ministerium gekauft. Das allein stellt aber noch keinen Mehrwert für die Schüler dar, erklärt Jules Barthel vom OGBL/SEW: „Wir brauchen ein klares Konzept, wie diese eingesetzt werden sollen.“ Zudem sei es bedenklich, dass eine Firma wie Apple quasi exklusiven Zugang zu Luxemburgs Schülern und deren Daten habe.
Keine Kommunikation
Eines wurde auf der Pressekonferenz jedoch deutlich: Die Kommunikation zwischen OGBL/SEW und Bildungsminister Claude Meisch scheint einen neuen Tiefpunkt erreicht zu haben. „Wenn der Bildungsminister behauptet, mit den Gewerkschaften gesprochen zu haben, ist das nicht ganz falsch. Unter Dialog verstehen wir jedoch etwas anderes“, erklärt Patrick Arendt seine Ansicht. Eine Einladung zu einer Konferenz ergehe meist kurz vor dem Wochenende an die Gewerkschaften – diese haben dann keine Zeit, sich ordentlich vorzubereiten. Eingeladen werden dann auch nur die Präsidenten, die jeweils nur ihre persönliche Sicht der Dinge darlegen können. „Diese Treffen werden dann meist kurz vor einer Pressekonferenz angekündigt – dann, wenn alles schon beschlossen wurde“, erklärt Arendt.
Stichwort Kommunikation: In den Kompetenzzentren schwelt derzeit ein Konflikt, der dazu geführt hat, dass sich mehrere Gewerkschaften zusammengeschlossen haben, erklärt Arendt gegenüber dem Tageblatt. Auch hier habe sich Bildungsminister Meisch nicht dialogbereit gezeigt. Kommende Woche sollen mehr Details bekannt werden, sagt Arendt.
„Offizielle Briefe werden nicht beantwortet, nicht einmal eine Empfangsbestätigung erhalten wir“, monieren Patrick Arendt und Jules Barthel. „Den Lehrern ist es egal, wie oft Bildungsminister Claude Meisch öffentlich auftritt“, sagt Arendt. Die angekündigten Konzepte würden in den Schulen nicht greifen und beim Schulpersonal und bei den Eltern nur große Unsicherheit auslösen.
Der Bildungsminister soll keine vagen Ankündigungen treffen, sondern die derzeitigen Probleme ehrlich und offen benennen, fordert Arendt und stellt fest: „Wir sind nicht an einer PR-Kampagne des Ministers und nicht an seiner Selbstbeweihräucherung interessiert.“
- Von Dynamik und Statik: Xavier Bettels Europa- und Außenpolitik braucht neue Akzente - 19. November 2024.
- CSV und DP blicken auf ereignisreiches Jahr zurück - 18. November 2024.
- „déi Lénk“ sieht von „Interessenkonflikten durchsetzte“ Institution - 13. November 2024.
Deen Herr Meisch as komplett feel um Platz. Daat misst dach elo bal jiddereen matkritt hun.