/ Gewerkschafter Roby Meis wird 80: „De Whisky war Moud zu Bréissel“
Ganz im Vordergrund stand er nicht, jedenfalls nicht in der luxemburgischen Gewerkschaftsszene: Als Vertreter des Landesverbandes konnte er allerdings viel auf dem Brüsseler Parkett bewegen, wo er unter anderem den Bau des „Trade Union House“ bei der Gare du Nord initiierte und leitete und ein Vierteljahrhundert in verschiedenen Funktionen bei der CISL („Confédération internationale des syndicats libres“) beschäftigt war.
Die letzten zehn Jahre dieser Brüsseler Zeit leitete er das neu erbaute Gewerkschaftshaus, war aber auch Vizepräsident der „Fédération des associations européennes et internationales établies en Belgique“, eines Dachverbandes, der immerhin 1.500 Vereinigungen zählt. Meis fühlte sich wohler als Macher im Hintergrund und verfügt über das nötige taktische Gespür, um so die Ziele zu erreichen, die er sich für sich selbst, seine Laufbahn, aber auch für die Gewerkschaftsbewegung und somit den gesellschaftlichen Fortschritt setzte. Dabei war eine solche Karriere dem am 17. Mai 1939 Geborenen nicht vorgezeichnet.
Er hatte die Lust am Lyzeum verloren und obwohl sein Vater darauf hielt, dass er die „Quatrième“ abschließen sollte, machte er diskret ein Aufnahmeexamen bei der Bahn, wo er denn auch als „Elève d’exploitation“ angestellt wurde, übrigens gemeinsam mit dem FNCTTFEL-Gewerkschafter Marcel Arendt, mit dem er Freunde zu einer „Choucroute“ zum gemeinsamen 80. Geburtstag einladen wird. Da bereits sein Großvater bei der Bahn arbeitete, wurde die Neuigkeit in der Familie dann doch positiv aufgenommen. Als Auszubildender hatte er Einblick in alle Tätigkeitsbereiche, die in einem Bahnhof anfallen: vom Ticketverkauf über Güterabfertigung bis zu Arbeiten an den Gleisanlagen und in den Wagenhallen.
Damals verlangten er und unter anderem ein gewisser Josy Konz, der später Präsident des Landesverbandes werden sollte, die Gleichstellung nach ihrer Berufsausbildung mit der Handwerkerlaufbahn. Gemeinsam mit anderen in Esch beschäftigten jungen Eisenbahnern hatte Meis die FNCTTFEL-Jugendsektion Esch gegründet; der Zusammenhalt unter den Kollegen und die gute Stimmung im Escher Bahnhof lassen ihn noch heute schwärmen.
Konkrete Hilfe statt Maschinenwartung
Jedenfalls wurde Meis – obwohl dies ihn nicht sonderlich reizte, irgendwann als „Mécanographe“ nach Luxemburg-Stadt berufen, wo er im Direktionsgebäude arbeitete. Erst als er um Versetzung bat, konnte er bei der „Entraide médicale“ der CFL einen Job machen, der ihm wieder gefiel, konnte kranken Mitarbeitern in wirtschaftlicher Not dadurch helfen, dass er staatliche Gelder organisierte. Mittlerweile hatte er Abendkurse besucht, Buchhaltung und Korrespondenz gelernt. Den Militärdienst absolvierte er als Armee-Bibliothekar, ein Posten mit ausreichend Freiheiten für den Gewerkschafter.
Meis, der auch in der CGT-Jugend und anderen politischen Jugendorganisationen jener Zeit aktiv war, Personaldelegierter in der Zentraldelegation der CFL war, Generalsekretär der Jugendsektion der FNCTTFEL, Mitglied des Föderalrates, Vizepräsident der „Action commune des jeunes“ und ab 1966 beigeordneter Generalsekretär des Landesverbandes (damals noch unter Präsident Albert Bousser), lernte das politische und vor allem das gewerkschaftspolitische Handwerk demnach von der Pike auf. Es lag denn wohl auch am gewerkschaftlichen Stallgeruch und den erworbenen Kompetenzen, dass er 1968 die Kasse des Verbandes übernahm, die er zwei Jahre lang kommissarisch verwaltete.
Er zog den Posten des stellvertretenden Generalsekretärs aber jenem des Kassiers vor. Mit Brüssel kam er dann als Mitglied des Konsultativen Komitees für soziale Probleme der Binnenschifffahrt in Kontakt, konnte unter anderem einige Schleusenwärter gewerkschaftlich organisieren. Es war demnach bloß eine Frage der Zeit, bis Roby Meis die Eisenbahn aufgab und sich hauptberuflich der Gewerkschaftsarbeit widmete. Er wurde 1970 Generalsekretär der CGT („Confédération générale du travail“) in Luxemburg, die, so unterstreicht er im Gespräch, in diesem Jahr übrigens 100 Jahre feiern werde.
Als Exekutivmitglied der „Confédération européenne des syndicats“ und in weiteren Ämtern hielt er später u.a. in Genf eine Rede zum Luxemburger Krisenmanagement in den Siebzigern, als das Land von der Stahlkrise wirtschaftlich schwer getroffen worden war. Hier wurde der Generalsekretär der IBFG (Internationaler Bund Freier Gewerkschaften), Otto Kersten, auf ihn aufmerksam, rekrutierte ihn kurzerhand und so zog er nach Brüssel. Erst arbeitete er als Kerstens Sprecher und organisierte als Mitglied des Direktoriums des Internationalen Gewerkschaftsbundes die Pressearbeit.
International Trade Union House
Später schlug er den Bau einer neuen Brüsseler Gewerkschaftszentrale vor. „Das alte Gebäude hatte nicht einmal benötigte Konferenzsäle“, so Meis, „diese mussten in Brüsseler Hotels angemietet werden.“ Er musste u.a. Vertreter der Mitgliedsorganisationen davon überzeugen, dass das ausgewählte Gelände an der „Gare du Nord“ („wou deemools nach lauter Hourebude waren“) sich eignen würde, und sich mit den belgischen Besonderheiten eines Neubaus in Brüssel herumschlagen.
Schließlich stand aber ein modernes, funktionelles Gebäude, das International Trade Union House, dem er bis zu seiner Pensionierung als Direktor vorstand. Über die Brüssler Zeit, immerhin ein Vierteljahrhundert, berichtet er schmunzelnd, immer wenn jemand etwas von ihm gewollt habe, sei ihm erst einmal ein Whisky serviert worden. „De Whisky war Moud zu Bréissel.“ Er schien es nicht übertrieben zu haben, immerhin fährt er zweimal im Jahr zu einem seiner Söhne nach München (Physiker beim Europäischen Patentamt), um dort die Hecke akkurat zu schneiden …
Die Laufbahn von Meis verlief demnach alles andere als geradlinig und langweilig, dennoch ist damit noch längst nicht alles über den Mann gesagt, der heute 80 wird. Zum Beispiel seine kommunalpolitische Arbeit in Bettemburg und Hesperingen für die LSAP, sein Engagement für Verbraucherschutz, das sich wie ein roter Faden durch sein Arbeitsleben zieht. Während des Gespräches nennt er immer wieder Namen von Mitstreitern, was sich wie das Who is Who der syndikalistischen Geschichte des Landes anhört. „Antoine Weis, Mathias Hinterscheid, Josy Konz, John Castegnaro, Benny Berg, Josy Konz, René Bleser usw.“, alle hat er sie gekannt bzw. eng mit ihnen zusammengearbeitet.
Geschichten zur politischen Geschichte
Ein Gespräch mit Meis, der den Kontakt mit der nationalen linken Szene stets gehalten hat, ist demnach auch eine historische Lektion, eine abseits der bislang festgehaltenen Geschichtsschreibung, und es wäre sicher spannend und nützlich, wenn er die begonnene Autobiografie fertigschreiben würde. Er kennt zum Beispiel als Mitstreiter von Castegnaro die Hintergründe der Entstehung der Tripartite, er war einer der Initiatoren des EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund) und hat noch die zur Gründung des OGBL und zur Teilnahme an diesem Stellung nehmenden Briefe aller damaligen nationalen Gewerkschaften zu Hause: „Direkte Absagen gab es damals keine, auch nicht vom LCGB …“.
Auch aktuelle Dossiers kommentiert er aus der Erfahrung eines gewerkschaftlichen Lebens heraus, so die gescheiterte Fusion der FNCTTFEL mit dem OGBL, woran der damals unter anderem Verbandspräsident Jeannot Schneider (der später CFL-Direktor wurde) eine starke Verantwortung hatte, und sieht und kommentiert auch die aktuellen Widerstände gegen eine Fusion deutlicher als der offizielle Wortlaut.
Die niedrigeren Beiträge als beim OGBL, die Furcht, dass die Konkurrenzgewerkschaft durch eine Fusion gestärkt werde sowie eine schwierige Lösung beim Immobilienbesitz scheinen eine größere Rolle zu spielen als die reinen gewerkschaftlichen Überlegungen. Ideen, wie die Zusammenarbeit vorankommen könnte, hat Meis jedenfalls auch heute noch und zieht sich keineswegs aus der aktiven Gewerkschaftsarbeit zurück. Immer noch sendet er Mitteilungen des Internationalen Gewerkschaftsbundes weiter an unsere Redaktion, ist bei den Pensionierten des Verbandes engagiert und hat sein Ohr weiterhin nahe an den politischen Entwicklungen … in Luxemburg und in der Welt.
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Ist das das Wichtigste einer Bilanz: “ De Whisky war Moud zou Bréissel “ ? Abbé jo dann !
Prost!
Nët ze vergiessen, fir d’Eurokraten steierfräi ! An den Alkohol konservéiert.