Interview / Gewerkschaftspräsidentin über Lokalpolizei: „Wir machen immer noch die gleiche Arbeit“
Seit fast drei Wochen läuft in Luxemburg-Stadt und in Esch das Pilotprojekt einer Lokalpolizei. An der Arbeit der Polizei hat das nichts geändert, sagt die Präsidentin des „Syndicat national de la Police grand-ducale“ (SNPGL), Marlène Negrini, und erklärt, weshalb es sich nicht um eine Polizei innerhalb der Polizei handelt.
Tageblatt: 20 Polizeikräfte sind seit dem 1. Juli in Luxemburg-Stadt und vier in Esch als Lokalpolizei unterwegs. Wie wird das Pilotprojekt konkret umgesetzt?
Marlène Negrini: Für jeden Tag werden Leute aus einem Kommissariat für die Lokalpolizei eingeteilt. Sie erledigen ausschließlich diese Arbeit und haben keine anderen Missionen. Die Beamten sind alleine dafür da, die Bestimmungen der kommunalen Polizeiverordnung zu kontrollieren. In Luxemburg-Stadt fallen darunter die Kontrolle des Bettelverbots, aber auch andere Verstöße. Sie sind zu Fuß unterwegs oder vielleicht mit Rädern – wenn welche zur Verfügung stehen. Es geht darum, Präsenz zu zeigen. Dass die Leute die Patrouillen sehen und wissen: „Ah, da ist die Polizei.“ Beamte in einem Dienstwagen hält man ja nicht einfach an und spricht sie an.
Worin besteht der Unterschied zwischen der Arbeit der Lokalpolizei und der von herkömmlichen Beamtinnen und Beamten?
Es gibt keinen neuen Moment, es wird die Polizeiarbeit gemacht, die wir immer schon erledigt haben. Ein großer Unterschied existiert nicht. Statt Lokalpolizei ist es deshalb treffender, wenn man von Fußpatrouillen spricht. Denn es ist dieselbe Arbeit. Nur, dass die lokalen Einheiten nicht mit einem Auto durch die Stadtviertel fahren. Wenn sie dann zum Beispiel beobachten, wie Drogen verkauft werden, verständigen sie eine andere Patrouille. Denn: Sie haben ja kein Fahrzeug dabei, mit dem sie jemanden mit auf das Revier nehmen können.
Wie bewertet das „Syndicat national de la Police grand-ducale“ das Pilotprojekt?
Als Pascal Peters uns das Projekt präsentiert hat, hat es uns gefreut, zu hören, dass es anders umgesetzt wird, als Minister Léon Gloden (CSV) es zu Beginn angekündigt hatte. Von ihm hatte es zuerst so geklungen, als würde extra eine Sparte innerhalb der Polizei geschaffen. Eine neue Einheit aufzubauen, wäre aber Quatsch gewesen. Wo hätte man die Leute dafür hernehmen sollen? Wir haben aber dann gemerkt, dass es nicht das ist, was wir befürchtet hatten. Denn es ist keine Polizei in der Polizei. Die Patrouillen gehören zu einem Kommissariat, zu einem in Luxemburg-Stadt oder dem in Esch. Jedes Kommissariat hat einen Chef, über dem der Regionaldirektor steht.
Immer wieder wurde darüber diskutiert, wer der lokalen Einheit Anweisungen geben wird. Anders als ursprünglich gefordert, hat nun nicht die Bürgermeisterin bzw. der Bürgermeister die Weisungsbefugnis.
Genau. Diese liegt beim Regionaldirektor der Polizei. Er tauscht sich mit dem Bürgermeister aus, der sagt, was er braucht. Der Bürgermeister von Esch hat zum Beispiel zwei Patrouillen für die Gemeinde angefragt. Wichtig ist, dass die tägliche Arbeit innerhalb der Polizei koordiniert wird. Da kann nicht jemand anderes der Chef sein. Die Polizisten erledigen ja ihre Aufgaben, und das muss organisiert werden. Unabhängig davon, welcher Bürgermeister es ist: Es kann doch nicht sein, dass der anruft und sagt: „Hier streiten sich gerade Menschen, geht mal dahin und schaut nach.“
Das könnte die Polizei wahrscheinlich alleine wegen des immer wieder thematisierten Personalmangels nicht stemmen. Sind Sie gut genug aufgestellt, um das Pilotprojekt umzusetzen?
Im April wurden 170 Menschen vereidigt, von denen 80 Weggänge auffingen. Insgesamt 90 besetzten neue Stellen und die wurden über Kommissariate im ganzen Land aufgeteilt – zum Beispiel in der Hauptstadt. Das hat den Start des Pilotprojekts überhaupt erst ermöglicht. Es gehen nicht ausschließlich die neu eingestellten Personen auf Patrouille, aber durch sie sind ausreichend Leute da, um das Projekt zu stemmen. Ich habe bisher nicht gehört, dass das in einem Kommissariat nicht möglich ist. Für uns ist das hier etwas anderes als das verstärkte Polizeiaufgebot für die Kontrollen des Bettelverbots. Das war für uns eine zusätzliche Belastung, da Polizisten aus anderen Kommissariaten in die Hauptstadt kommen mussten.
Wie wurde das Projekt intern aufgenommen?
Patrouillen gehören zur Polizeiarbeit und ich habe bislang nicht gehört, dass sich jemand dagegen gesträubt hätte und das nicht übernehmen wollte. Via ein internes Papier wurde über das Pilotprojekt informiert. Wie genau die Patrouillen organisiert werden, liegt in den Händen der Chefs der Kommissariate. Normalerweise geht nicht immer die gleiche Person auf Patrouille.
Erste Bilanz des Projekts
Der Bürgermeister von Esch ist mit der ersten Phase des Projektes zufrieden. „Das Feedback von vor Ort ist durchweg positiv und auch in der Interaktion mit dem Bürger sieht man, dass die neue Initiative des Innenministeriums gut angenommen wird“, erklärt Christian Weis (CSV) und zeigt sich optimistisch, dass die neuen Maßnahmen das „Sicherheitsgefühl der Escher Bürger weiter verstärken.“ Anpassungen wurden bisher noch keine vorgenommen, Christian Weis weist allerdings darauf hin, dass dafür die Polizei und damit das Ministerium für innere Angelegenheiten verantwortlich ist. Auf die verweist auch die Pressestelle der Gemeinde Luxemburg, wenn man nach einer ersten Bilanz der Lokalpolizei fragt. Dem Ministerium ist es aber noch zu früh, um sich zum Projekt zu äußern, das seit dem 1. Juli läuft. Von dessen Pressestelle heißt es: „Der Innenminister wird zum gegebenen Zeitpunkt kommunizieren.“
Und wie sehen die Reaktionen in der Bevölkerung aus?
Bereits jetzt ein Fazit zu ziehen, ist schwer. Man muss den Menschen ja eine Chance geben. Was ich mitbekommen habe, ist, dass Ältere – wenn ich das so sagen darf – durch die Armbinden an die schreckliche Zeit des Zweiten Weltkriegs erinnert werden. Die blauen Bänder sollen aber durch einen Streifen ersetzt werden, der dann mit Klettverschluss an der Uniform befestigt wird. Es gibt aber auch gute Nachrichten: Leute sagten uns, dass sie sich darüber freuen, wieder mehr Polizei zu sehen. Bisher habe ich eher positives Feedback gehört.
Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Projekts am 1. Juli hieß es, dass Ende des Jahres eine erste Bilanz gezogen wird.
Während der kommenden Monate soll es kleine Zwischenbilanzen geben. Ende November wird sich dann zeigen, ob die Polizei wirklich sichtbarer geworden ist. Denn nach fünf Monaten ist dann ein großes Fazit geplant. Dabei wird zum Beispiel geklärt, was noch fehlt oder ob es mehr Leute braucht. Vielleicht in Esch, weil das doch ein heißes Pflaster ist. Ich denke nicht, dass das Projekt dann vorbei sein wird. Im Gegenteil: Ich gehe davon aus, dass es auf andere Gemeinden ausgeweitet wird. Wir tun dabei das, was wir ohnehin bereits jeden Tag tun: Polizeiarbeit.
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