Euopäischer Rat / Gipfel klärt EU-Spitzenämter
Die EU-Staats- und Regierungschefs nahmen am Donnerstag bei ihrem Gipfeltreffen einen neuen und definitiven Anlauf, die Frage der Besetzung von drei Schlüsselämtern in der EU zu klären. Zudem wurde mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein Sicherheitsabkommen unterzeichnet.
Bei ihrem informellen Gipfeltreffen Anfang vergangener Woche hatten die 27 bereits im Wesentlichen festgelegt, wie das Personaltableau an der EU-Spitze künftig aussehen sollte. Seitdem hatte sich kein ernsthafter Widerspruch in Bezug auf die Auswahl des Spitzenpersonals geregt. Gemäß dem System des „Spitzenkandidaten“ ist die bisherige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihre eigene Nachfolge vorgesehen, der ehemalige portugiesische Regierungschef Antonio Costa soll das Amt des EU-Ratspräsidenten übernehmen und für die Nachfolge des bisherigen EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wurde die estnische Premierministerin Kaja Kallas genannt.
Bereits vergangene Woche hatte sich der polnische Regierungschef Donald Tusk bei einer Arbeitsvisite in Luxemburg zuversichtlich gezeigt, dass die drei die Zustimmung beim Gipfeltreffen erhalten würden. Tusk musste es wissen, hatte er doch mit seinem griechischen Amtskollegen Kyriakos Mitsotakis für die Europäische Volkspartei (EVP) gemeinsam mit zwei jeweils Vertretern der europäischen Sozialdemokraten und Liberalen die Personalfrage ausgehandelt.
Große Bedenken gab es allerdings noch bis vor Beginn des Ratstreffens, wie wohl die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni sich verhalten würde. Die Chefin der rechtspopulistischen Partei „Europäische Konservative und Reformer“ (EKR), die ideologisch bis ins rechtsextreme Milieu hineinreicht, konnte sich offenbar nur schwer mit dem abfinden, was die Koalition der Pro-Europäer unter sich ausgemacht hatten. Verbal fiel vor dem Gipfeltreffen beim Eintreffen ins Ratsgebäude doch vorerst nur der ungarische Regierungschef Viktor Orban auf, der vor den Kameras des von ihm kontrollierten ungarischen Staatsfunk von „Lügen“ und „Betrug“ sprach, die die Dreierkoalition kennzeichne. Es sei „ein Affront“ gegenüber den europäischen Wählern, die bei den Europawahlen überwiegend rechts gestimmt hätten. „Es gibt für uns keinen Grund, diesen Machtmissbrauch zu unterstützen“, meinte Orban.
Selenskyj bereitet zweiten Friedensgipfel vor
Dennoch erhielt Meloni die größte Aufmerksamkeit. Es gehe nun darum, die italienische Premierministerin „gut einzubinden“, sagte etwa der österreichische Kanzler Karl Nehammer. Die Personalien würden auch „mit unseren guten Freunden in Europa“ diskutiert, meinte seinerseits der deutsche Kanzler Olaf Scholz auf die Frage, inwieweit nun die Meinung der italienischen Ministerpräsidentin berücksichtigt werde. Dabei werde „sorgfältig und fair“ vorgegangen, versicherte Scholz. Ebenso wie er, machte der luxemburgische Premierminister Luc Frieden deutlich, dass sehr wohl unter den 27 alle Länder gehört werden. Doch brauche die EU-Kommissionspräsidentin, um im Amt bestätigt zu werden, nach ihrer Nominierung auch eine Mehrheit im Europäischen Parlament (EP). „Es gibt einen Unterschied zwischen Parteien, die miteinander reden und Länder, die miteinander reden“, sagte Luc Frieden und wies darauf hin, dass die EU nun mal eine parlamentarische Demokratie sei. Er sei mit dem Prozess, wie die Personalfrage geklärt wurde, „ganz und gar einverstanden“. Meloni hat kein Druckmittel, um mehr in die Personalentscheidungen eingebunden zu werden, denn diese wird auch bei den Staats- und Regierungschefs mit qualifizierter Mehrheit entschieden. Bis zum Redaktionsschluss war noch keine definitive Entscheidung gefallen.
Zuvor hatten jedoch der Gast aus Kiew, der ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, und der unvermindert weitergehende russische Angriffskrieg in der Ukraine die Aufmerksamkeit der 27. Im Mittelpunkt stand ein Sicherheitsabkommen zwischen der EU und der Ukraine, das vor der Ratstagung unterzeichnet wurde. Darin versichert die EU unter anderem, dass sie „entschlossen“ sei, „der Ukraine und seiner Bevölkerung jede notwendige politische, finanzielle, wirtschaftliche, humanitäre, militärische und diplomatische Unterstützung“ zukommen zu lassen, „so lange“ und „so intensiv“ wie nötig. Zudem will sich die EU an einer 50-Milliarden-Dollar-Hilfe beteiligen, die von der G7-Staatengruppe initiiert wurde. Wolodymyr Selenskyj erklärte, dass bereits an einem zweiten Friedensgipfel gearbeitet werde, bei dem konkrete Pläne vorgebracht werden sollten. „Wir wollen nicht, dass dieser Krieg Jahre dauert“, so der ukrainische Präsident, der auf die vielen Toten und Verwundeten auf den Schlachtfeldern im Osten des Landes verwies. Mit Russland habe er noch keine Gespräche geführt. „Die haben nur einen Plan: wie der Krieg länger dauern kann“, sagte er. EU-Ratspräsident Charles Michel seinerseits versicherte, dass die Ukraine noch mehr militärisch und finanziell unterstützt werde. „Es ist sehr wichtig, dass wir weiter an der Seite der Ukraine stehen“, sagte Luc Frieden.
Luxemburgs EU-Kommissar: nichts Definitives
Angesprochen wurde der luxemburgische Premierminister noch einmal darauf, ob nun Nicolas Schmit oder Christophe Hansen Luxemburgs Vertreter in der künftigen EU-Kommission sein wird. Wortreich hat Frieden nichts Definitives zur Sache geantwortet. „Ich will das Etappe nach Etappe machen“, sagte er. Zuerst werde die Frage der Topjobs in der EU geklärt. Der Rest komme später. Ohnehin sei es für ihn „als Premierminister von Luxemburg so, dass ich nicht unter Druck Entscheidungen treffe, sondern nachdem ich zugehört, abgewogen und diskutiert“ habe, fuhr Frieden fort. Seinen Vorschlag mache er auch im Lichte der Resultate der europäischen und nationalen Wahlen. „Es finden viele Gespräche statt, es werden viele Wünsche ausgedrückt. Ich höre immer ganz intensiv zu, ich höre, was gesagt wird und ich entscheide zum gegebenen Moment“, sagte Frieden weiter. Am Vortag ging er noch viel entschiedener mit der Frage über den künftigen EU-Kommissar Luxemburgs um. Es ist die luxemburgische Regierung, die den luxemburgischen EU-Kommissar bestimmt, „niemand sonst“, hatte er noch beim Besuch der estnischen Premierministerin Kaja Kallas in Luxemburg klargestellt.
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