Kino / „Gladiator II“ knüpft an einen Filmklassiker an, doch gelingt die Fortsetzung?
24 Jahre nach „Gladiator“ ist eine Fortsetzung des erfolgreichen Sandalenfilms von Ridley Scott in die Kinos gekommen. „Gladiator“ galt lange Zeit aufgrund seines klassischen Erzählprinzips und seiner narrativen Geschlossenheit als ein Einzelwerk, dem keine Fortsetzung mehr anzuheften sei. „Gladiator II“ pendelt zwischen technologischer Innovation und erzählerischer Überlast.
Als Ridley Scott 2000 mit „Gladiator“ einen Welterfolg verzeichnete, war der Sandalenfilm wiederbelebt und zugleich zu Grabe getragen. Die Kombination aus fesselnder Handlung, historischer Kulisse und beeindruckender Tricktechnik hat „Gladiator“ zu einem zeitlosen Klassiker gemacht. Die Geschichte des gefeierten Feldherrn Maximus, der zum Sklaven und Gladiator wird, um den bösen Imperator zu bezwingen, bot die klassische Heldenreise, die sich obendrein selbstreflexiv verhielt. „Gladiator“ stand prototypisch für eine neue Tendenz des kommerziellen Unterhaltungskinos Ende der Neunzigerjahre. Er verführte über sein Themenfeld aus Unterhaltung und Spektakel zu sich selbst. Die Arena des Kolosseums verschmolz mit der Leinwand des Kinosaals.
„Win the crowd“ oder noch „Are you not entertained? Is this not why you are here?“ hieß es da vielsagend. Die Menschenmassen, die dem Spektakel beiwohnen, sind auch wir Zuschauer. Wie schwierig es war, diesem innovativen und formvollendeten Film eine Neuerung, ja eine Steigerung abzugewinnen, davon zeugt allein der große zeitliche Abstand zwischen den Filmen. Egal, wie „Gladiator II“ an den Kinokassen abschneiden wird – seine Fallhöhe begleitete ihn bereits bei seiner Produktionsankündigung. Eine derart in sich geschlossene Filmerzählung, die kaum Wege zum Weiterspinnen zuließ, um eine Fortsetzung zu ergänzen, die sowohl dem Original Rechnung trägt als auch es übertreffen muss, ist 24 Jahre später keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Regisseur Ridley Scott und Drehbuchautor David Scarpa, die bereits für „Napoleon“ (2023) zusammengearbeitet haben, haben sich dieses waghalsigen Unterfangens dennoch angenommen.
Geschichte weitererzählt
Die Geschichte folgt Hanno (Paul Mescal), der in Numidien ein friedvolles Dasein als Bauer fristen möchte. Als er bei einem Angriff des römischen Heeres unter der Führung von Marcus Acacius (Pedro Pascal) seine Frau verliert sowie um sein Ansehen und seinen sozialen Stand gebracht wird, gerät er in Knechtschaft und schwört Rache. Mit der Hilfe des ehrgeizigen Waffen- und Sklavenhändlers Macrinius (Denzel Washington) erkämpft er sich den Weg in die Gladiatorenarena des Kolosseums, um Marcus Acacius erneut gegenüberzutreten. Doch Hanno muss lernen, seine persönlichen Motivationen einem größeren Wohl unterzuordnen, denn die goldene Zeit des römischen Imperiums neigt sich dem Ende zu. Die Zwillingsbrüder Caracalla (Fred Hechinger) und Geta (Joseph Quinn) regieren mit einer gefährlichen Mischung aus Tyrannei und Wahnsinn, die den Graben zwischen den Nöten des Volkes und dem Wohlstand der Obigen hat unüberbrückbar werden lassen. Der Umsturz ist absehbar, das Chaos indes auch …
Der britische Regisseur Ridley Scott ist in Hollywood freilich eine feste Größe, wenn es um die Inszenierung von großen Historienepen geht: „1492 – The Conquest of Paradise“ (1992) ist sein Film über die weltverändernde Seefahrt von Christopher Columbus, der zum 500-jährigen Jubiläum der Entdeckung Amerikas in den Kinos anlief. Dieses Bestreben, Historienepen in die Moderne zu überführen, sie mit den Mitteln der rasant avancierenden Tricktechnik zu bereichern und so zu neuer Bildgewalt zu verhelfen, zeichnet auch „Kingdom of Heaven“ (2005), „Robin Hood“ (2010) oder noch „The Last Duel“ (2021) aus – moderne Ritterfilme. Wenn Scott diesen Genres zu neuer Pracht und Größe verhelfen konnte, dann auch deshalb, weil er sie als Genreerzählungen überaus ernst nimmt. Nur selten hat er diesen Geschichten eine direkte Fortsetzung beigefügt.
Riesennashörner und Haifische
„Gladiator II“ ist denn auch seine doppelte Identität deutlich anzumerken: Zunächst gilt es, die Standardsituationen des mit fünf Oscars ausgezeichneten Vorgängers zu wiederholen und mittels digitaler Abbildungen zu steigern. Spektakulärer sind die Kämpfe in der Arena, von einer Gruppe tollwütiger und hungriger Paviane über ein Riesennashorn bis zu Haifischangriffen während einer Seeschlacht im Kolosseum. Es ist bemerkenswert, wie sehr sich „Gladiator II“ in seinen Massenszenen und bombastischen Kulissen weidet. Regisseur Ridley Scott versteht es immer noch gut, die bildgewaltigen Schauwerte des Antikfilms in Szene zu setzen: Wenn die Römer in den Krieg ziehen, füllen Hunderte von Schiffen die Leinwand und die Soldaten rücken gleich zu Tausenden an. Das antike Rom erstrahlt hier größer und detailreicher noch als im Original, dass dahinter die Leistungsstärke von Computern steckt, ist dem Film kaum anzusehen. Es werden ferner eine Vielzahl der bekannten Bildmotive und Dialogzeilen des Originals übernommen.
Über weite Strecken gelingt diese Kombination aus ehrfürchtiger Reverenz an das Vorbild und digitaler Steigerungstaktik auf spannende Weise – eine Strategie, die dann in der Enthüllung der wahren Identität des Helden gipfelt, die nun wirklich kein großes Geheimnis ist und regelrecht antiklimaktisch wirkt: Hanno ist eigentlich Lucius Verus, der Sohn von Lucilla (Connie Nielsen), der Frau, die Maximus (Russell Crowe) einst liebte. Von da aus unternimmt das Drehbuch viel Aufwand und viele Wendungen, um Lucius zum schicksalshaften Heilsbringer zu stilisieren, der den Massen die Freiheit zurückbringen soll. Denn der Widerstand gegen die etablierte Macht ist das zentrale Thema des Films: Die Dekadenz und die Trunkenheit der Macht haben in „Gladiator II“ ein Stadium der Fäulnis erreicht, dergestalt, dass die Zwillingsregenten in all ihrer wahnwitzigen Albernheit nicht bemerken, dass sie nur mehr Hampelmänner sind im politischen Ränkespiel anderer, eigennütziger Interessen. Die Korruption ist überall, sodass es nicht viel braucht, um sich die Erlöserfigur herbeizusehnen, die den Weg weisen soll. Denis Villeneuves „Dune 2“ zumindest hat entsprechende Messias-Erzählungen sehr viel kritischer und zynischer beschaut als Scotts neuer Film. Man könnte diese Tendenzen als reaktionär werten – und als ob der Film sich dessen selbst bewusst wäre, führt er die Figur von Macrinius als umstürzlerischen Politiker mit ins Feld. Er ist der ambitionierte Revolutionär, der die Idee des „Alten Roms“ begraben möchte, doch die Zukunft, die er anstrebt, lässt der Film offen.
Überzeugt die Fortsetzung?
Es sind diese leisen widerstreitigen ideologischen Tendenzen von „Gladiator II“, die den Film nicht zur Rundung bringen, ihn nicht zu sich selbst finden lassen – es sind Reibungen, die zuvorderst dem Drehbuch von David Scarpa geschuldet sind. In seinem Versuch, ein ganzes Ensemble von Figuren gegeneinander auszuspielen, schneidet „Gladiator II“ denkbar schlecht ab: Zu unverhofft und forciert erscheinen manche Wendungen, ersichtlich wird dahinter nur die eigene erzählerische Überlast aus erzwungenen Brücken zum Original und neuen Handlungssträngen, die entweder das Original kopieren oder bewusst umschreiben.
Ridley Scotts neuer Film präsentiert sich so als eine seltsame Angelegenheit: Der obligatorischen Pracht der Kostüme und Kulissen des Sandalenfilms steht eine geradezu forcierte Geschichte gegenüber, die offensichtlich nur als Vorwand dient, um an die Nostalgie eines überaus erfolgreichen filmischen Klassikers anzuknüpfen, ferner um beeindruckende Schlachtengemälde zu inszenieren. Möglicherweise hat aber auch nur das Monumentale, auf das dieser Film abzielt, an Größe und mithin an Überwältigung verloren? So wie weder die Macht des Spektakels noch der Glaube an die eigene Mythologie dieses zerrissene Rom hier zusammenhalten kann, so kann „Gladiator II“ weder aus seinen technologischen und narrativen Neuerungen heraus, noch aus seiner Rückbesinnung auf den eigenen filmischen Mythos wirklich überzeugen.
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