Editorial / Gleichberechtigung ist keine Frage der Generationen
Wer denkt, das Thema Gleichberechtigung sei lediglich eine Frage der Generationen und dass sich das Problem mit dem Sterben der „alten weißen Männer“ von selbst lösen wird, der befindet sich definitiv auf dem Holzweg. Am vergangenen Donnerstag und Freitag hat das Ministerium für Gleichstellung von Frauen und Männern die vierte Auflage von „Rock de Rack“, dem Jugendfestival für Gleichstellung, organisiert. Das Thema lautete Gleichstellung im Sport, das für unterschiedliche Lyzeumsklassen in verschiedenen Ateliers vertieft wurde. Das Tageblatt war mit einem Atelier zum Thema Sportjournalismus und der Repräsentativität von Sportlern und Sportlerinnen in den Medien vertreten.
Dass auch einige 15- oder 16-Jährige die Gleichstellung im Sport nicht unbedingt befürworten beziehungsweise den Sinn darin nicht erkennen, war dann doch etwas überraschend. Die Argumentation ging von „Frauen haben ja sowieso keine Chance gegen Männer, weil sie ihnen körperlich unterlegen sind“, dass niemand sich für Frauensport interessiere, weil er nicht spektakulär genug sei, bis hin zur Ansicht, Frauen würden ja ohnehin nur meckern, und „was wollen sie denn noch alles?“. Ach ja und Journalistinnen sollten natürlich auch nur über Frauensport berichten. Und es waren nicht nur männliche Schüler, die der Meinung waren, dass die ganze Sache mit der Gleichstellung doch etwas zu weit getrieben würde.
Es waren Aussagen, die einen zum Teil sprachlos machten und zugleich die Wichtigkeit von Aktionen wie „Rock de Rack“ eindrücklich verdeutlichten. Was sehr oft in den Aussagen mitschwang, war die Angst, dass Gleichstellung bedeute, dass man jemandem etwas wegnehmen möchte. Dass es bei Gleichstellung einfach nur darum geht, dass jeder die gleichen Rechte und die gleichen Chancen haben soll, war für einige unverständlich.
Für „Rock de Rack“ hatte das Tageblatt in der Donnerstagsausgabe darauf geachtet, dass vor allem Sportlerinnen den Sportteil prägten. Was übrigens ohne zu große Schwierigkeiten gelungen ist. Gut fand das noch lange nicht jeder, und einige zu Recht. Denn es gab sowohl Jungen als auch Mädchen, die der Meinung waren, dass eine ausgewogene Berichterstattung der richtige Weg sei. Es gab also auch einige, die eine reflektierte Meinung hatten. Schülerinnen, die sich darüber aufregten, immer noch sexistischen Sprüchen ausgesetzt zu sein, wenn sie über ihren Sport reden.
Im Sport hat sich in den vergangenen Jahren einiges in Sachen Gleichstellung getan, wie auch Radsportlerin Christine Majerus findet, die mit ihrem Einsatz viel zu dieser Entwicklung beigetragen hat. Um den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und vor allem schneller voranzukommen als bisher, braucht es vor allem ein breites Bewusstsein in der Gesellschaft, dass wir von Gleichstellung immer noch weit entfernt sind. Ohne generationenübergreifenden Einsatz sind Errungenschaften auch schnell wieder dahin. Es geht im Endeffekt um Chancengleichheit, Gerechtigkeit und vor allem Selbstbestimmung. Die Gleichstellung von Frau und Mann wird so schnell noch nicht zum Selbstläufer.
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