Parlament am Frauentag / Gleichstellung macht Fortschritte – aber es gibt Luft nach oben
Der Internationale Frauentag war am Dienstag auch Thema im Parlament. Eine Aktualitätsstunde, in die Dan Biancalana (LSAP) thematisch einführte, stand auf der Tagesordnung. Auch der sogenannte „virage ambulatoire“, also die Absicht, mehr medizinische Behandlungen außerhalb von Spitälern durchzuführen, stand auf Initiative der CSV auf dem Programm.
Im Rahmen einer vorher programmierten Fragestunde an die Regierung wollten Laurent Mosar (CSV) und Dan Biancalana Details zu den rezenten Überfällen auf Busfahrer wissen. Transportminister François Bausch verweis darauf, dass im Rahmen künftiger RGTR-Busbestellungen die Sicherheitsmaßnahmen aufgerüstet werden. Kameras, Notknöpfe und eventuell Sicherheitskabinen für die Fahrer sind angedacht. Eine Zunahme von Gewalt gegen Mitarbeiter im öffentlichen Personenverkehr gebe es allerdings nicht.
Wie es um die Rückerstattung psychotherapeutischer Behandlungen durch die Gesundheitskasse CNS stehe, wollte Carole Hartmann (DP) vom Minister für soziale Sicherheit, Claude Haagen (LSAP), wissen. Eine letzte Tarifverhandlung zwischen der „Fédération des associations des psychothérapeutes du Luxembourg“ (Fapsylux) und der CNS stehe noch im März an; danach könne die Rückerstattung durch die CNS schnell Realität werden, so der Minister.
25,6 Millionen Personalkosten plus infrastrukturelle Mehrausgaben würde die anvisierte verlängerte Schulpflicht bis 18 Jahre kosten, so Bildungsminister Claude Meisch (DP) in seiner Antwort auf eine Frage von Myriam Cecchetti („déi Lénk“). Es werde nach Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes eine dreijährige Übergangsfrist gelten, so Meisch. Rund 800 Schüler wären hiervon betroffen.
Fünf Jahre Arbeiten an der A3
Details über die geplanten Arbeiten an der A3 Luxemburg-Düdelingen wollte Gusty Graas (DP) erfahren. Transportminister François Bausch („déi gréng“) verwies darauf, dass die Verbreiterungsarbeiten bis 2027 andauern werden, in sieben Phasen ablaufen werden, die Geschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt wird und an den Baustellen nur mehr zwei Spuren zur Verfügung stehen. Chaotische Zustände erwarte er sich nicht, da der Verkehr bereits jetzt nur langsam laufe. Problematisch könne es allerdings bei Unfällen werden.
Für Martine Hansen, die wegen des Todes ihrer Schwester nicht an der Sitzung teilnehmen konnte, fragte Gilles Roth (CSV) in leicht provokatorischer Weise, wie der Staat gegen die Preiserhöhungen bei Diesel und Benzin vorgehen wolle und verwies darauf, dass pro Liter des Diesel-Kraftstoffes (Preis 1,72 Euro) 75 Cent in die Staatskasse fließen. Energieminister Claude Turmes („déi gréng“) verwies auf die Nachwehen der Pandemie und den aktuellen Krieg in der Ukraine, die zu der Preisexplosion geführt hätten, und auf globale Reaktionen wie etwa die Freigabe von Reserven. Luxemburg habe u.a. die Teuerungszulage ausgeweitet und erhöht.
Im europäischen Gleichstellungsindex zwischen den Geschlechtern habe Luxemburg seine Position in den letzten zehn Jahren stark verbessert, so Dan Biancalana im Rahmen der Aktualitätsstunde zum Thema. Trotz Verbesserungen bleibe noch viel umzusetzen, so der Redner, der u.a. auf Nachholbedarf bei Frauen als wirtschaftliche Entscheidungsträger verwies. Mehr Information und Sensibilisierung sei gesellschaftlich notwendig, das „Observatoire de l’égalité“ brauche mehr Daten, so Biancalana.
Das Recht auf Teilzeitarbeit
Das Recht auf Teilzeitarbeit könne vieles im Rahmen der Aufteilung von Kindererziehung und Haushaltsarbeit verbessern; die LSAP stehe für dieses Recht ein, so der Parlamentarier, der außerdem auf die Problematik des Sexismus am Arbeitsplatz verwies.
Die Pandemie, so Georges Mischo (CSV), habe die in Luxemburg gemachten Fortschritte in Sachen Gleichberechtigung ausgebremst. Das Weltwirtschaftsforum habe die notwendige Zeit, um den „Gender Gap“ zu überbrücken, auf hundert Jahre angesetzt. Die Pandemie habe die Entwicklung allerdings zurückgeworfen. Gleichberechtigung der Geschlechter beginne im Kopf, so der Redner.
Das Land sei auf dem richtigen Weg, es sei aber noch Luft nach oben, so Gilles Baum (DP), der auf fehlende Lohngleichheit besonders im Niedriglohnsegment und auf eine notwendige Verbesserung der Work-Life-Balance hinwies. Eine positive Entwicklung sei, dass immer mehr Väter Elternurlaub nehmen würden, so Baum.
Wir seien weit weg vom Ziel einer gleichberechtigten Gesellschaft, so Chantal Gary („déi gréng“). Eine von drei Frauen sei Opfer von Gewalt, zwei Einsätze der Polizei gebe es täglich wegen häuslicher Gewalt und Entscheidungsposten würden fast nur von Männern besetzt. Gary verwies auch auf das Männer/Frauen-Verhältnis von 39 zu 21 im Parlament. Zudem seien Frauen im Haushalt oft zuständig für alles, was u.a. eine enorme mentale Belastung darstelle.
„Von Natur aus nicht interessiert“
Den bis zu dem Zeitpunkt und auch nachher vorherrschenden Konsens zum Thema unterbrach ADR-Sprecher Jeff Engelen, der – nachdem er sich gegen Quoten ausgesprochen hatte – zu bedenken gab, es könne ja sein, dass sich Frauen von Natur aus nicht für führende Posten etwa in der Wirtschaft interessierten und verwies auf biologisch bedingte Unterschiede. Schließlich verwies er auch noch darauf, dass Männer medizinisch stärker von Covid betroffen seien als Frauen.
Ihre Solidarität mit allen Frauen, die zurzeit unter Krieg leiden oder sich in Kriegsgebieten befinden, drückte Myriam Cecchetti aus und verwies auf immer noch verbreitete Gender-Rollen. Frauen würden immer noch als Sexobjekt in der Werbung benutzt, alleinerziehende Frauen seien am stärksten von Armut betroffen, die Löhne von Frauen im Reinigungssektor seien die niedrigsten im Land … Sie monierte, dass sich die weiblichen LSAP-Abgeordneten so organisiert hatten, dass sie an der parallel zur Sitzung laufenden Kundgebung zum Frauentag teilnehmen konnten, während Parlamentarierinnen ihrer Partei aufgrund der fehlenden personellen Stärke dies nicht tun konnten.
Pirat Marc Goergen griff u.a. das Thema der Gleichstellung in Religionen auf. So müsse etwa arbeitsrechtlich dagegen vorgegangen werden, dass die katholische Kirche es Frauen verweigert, Pfarrer zu werden.
Gleichstellungsministerin Taina Bofferding (LSAP) regte an, im Herbst eine längere Debatte zum Thema zu führen. Sie wollte Engelens Aussagen zur biologischen Prädisposition nicht so stehen lassen und verwies u.a. auf die jüngste OGBL-Studie zum Sexismus am Arbeitsplatz. In diesem Rahmen regte sie eine Unterredung der Gewerkschaft mit dem Arbeitsminister an, um verstärkt gegen solche Praktiken vorgehen zu können.
Nur 14 Bürgermeisterinnen
Es gelte stärker und gezielter gegen Stereotype, gegen Vorurteile vorzugehen, so die Ministerin, die weiter auf die unrühmliche Tatsache verwies, dass die 102 Gemeinden des Landes lediglich 14 Bürgermeisterinnen zählen.
Es folgte eine von der CSV angeregte Orientierungsdebatte zum Thema „virage ambulatoire“, in die Claude Wiseler einführte. Der Prozess, der seit einigen Jahren angestrebt wird und u.a. vom Gesundheitstisch begleitet wird, wurde durch die Pandemie teilweise ausgebremst. So war die anschließende Debatte eher eine Zwischenbilanz, bei der Gesundheitspolitiker aller Parteien ihre Vorstellungen zu der Thematik in Erinnerung riefen und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) detailliert auf die – trotz Pandemie – getätigten Arbeiten im Rahmen des „virage ambulatoire“ einging.
Der Prozess wird noch ausreichend Gelegenheit bieten, erneut auf die Thematik, die zahlreiche Aspekte umfasst, einzugehen. Das Thema begreift u.a. die „Maisons médicales“, das digitale Patientendossier, Hospitalisierung zu Hause, Telemedizin, gemischte Arztpraxen, neue technische Möglichkeiten der Medizin, CNS-Tarife und vieles mehr; dies alles im Rahmen der medizinischen Qualität und der Kosten.
Ein weites Feld demnach, das nicht nur schwer zu überblicken, sondern auch nur auf längere Dauer umzusetzen ist.
In der Sitzung vom Mittwoch wird das Parlament sich ausschließlich mit dem dritten Teil der Verfassungsreform beschäftigen.
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