Mittelalter-Methode / Glockenguss von Stolzemburg: So verlief der zweite Versuch
Große Spannung in Stolzemburg: Am Dienstagabend wagte das Team rund um den Wissenschaftler Bastian Asmus einen zweiten Versuch, eine Glocke nach mittelalterlicher Methode zu gießen, nachdem der erste Anlauf misslungen war.
Zur Erinnerung: Auf einer Wiese in der Nähe des Grenzflusses Our waren Spezialisten seit zwei Monaten mit den Vorbereitungen für den Guss einer Glocke beschäftigt gewesen. Das Ganze geschah nach einer Anleitung des Benediktinermönchs Theophilus Presbyter aus dem 12. Jahrhundert.
Das Metallgemisch, bestehend aus 20 Prozent Zinn und 80 Prozent Kupfer, musste für den Guss auf mindestens 1.100 Grad in dem eigens angefertigten Lehmofen erhitzt werden. Daran scheiterte es jedoch beim ersten Versuch: Aufgrund einer mangelhaften Qualität der dafür gebrauchten Holzkohle konnte diese Temperatur trotz vieler Bemühungen am Sonntagabend nicht erreicht werden. Ergebnis: Das Unterfangen musste abgebrochen werden.
Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben: „Der Guss muss in den nächsten drei Tagen über die Bühne gehen, da wir sonst Gefahr laufen, dass die eingegrabene Gussform unter Feuchtigkeit leidet und beschädigt wird“, sagten die Spezialisten des Teams um Dr. Bastian Asmus, ausgebildeter Kunstgießer und Gründer des Labors für Archäometallurgie im deutschen Kenzingen.
Qualitativ bessere Holzkohle herbeizuschaffen, schien aber nach späterer Betrachtung des Lehmofens nicht die Lösung zu sein. Der Ofen hatte sehr gelitten und hätte zuerst repariert werden müssen, was aber zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte. Deshalb entschieden sich die Spezialisten für den Einsatz eines Gasofens. Der entspricht nicht der Anleitung aus dem 12. Jahrhundert entsprach, sollte jedoch ein Garant für die nötige Temperatur von 1.100 Grad Celsius sein.
Am Dienstagnachmittag wurde dann der zweite Versuch gestartet. Gegen 15.00 Uhr wurde der Ofen angefeuert, der Glockenguss war für 18.30 Uhr eingeplant. Alles verlief nach Plan. Dr. Bastian Asmus war guter Dinge. „Diesmal funktioniert’s.“ Kurz nach 18.00 Uhr hatte das Kupfer-Zinn-Gemisch die nötige Temperatur erreicht. Das Team zog wärmeabweisende Spezialkleidung an und traf die letzten Vorbereitungen zum Glockenguss.
Nach letzten Erklärungen in Richtung Zaungäste wurde die Befeuerung des Ofens abgeschaltet. Für das Befüllen der im Boden eingegrabenen Gussform hatte das Team nun sieben Minuten Zeit. „Eine Abkühlung von nur wenigen Graden lässt das Metallgemisch wieder erhärten“, sagte Dr. Asmus. Der Glockenguss lief zunächst wie geplant ab. Die Form füllte sich bis zum oberen Rand … doch plötzlich sackte das Metallgemisch ein. Dem Spezialisten war sofort klar: Der zweite Versuch war ebenfalls missglückt.
„Wir wollen unsere Glocke“
Man begann gleich mit der Ursachenforschung und grub die Gussform aus dem Boden aus. Der obere Teil der Glocke mit der Krone war nicht vorhanden, doch der eigentliche Glockenkörper entsprach nach ersten Untersuchungen den Erwartungen. Die Inschriften und Verzierungen waren sauber, der Klang ebenfalls.
Der überaus enttäuschte Dr. Asmus gab sofort zu verstehen, dass er eine neue Glocke anfertigen wird, dieses Mal jedoch in seinem Atelier in Deutschland. Auf Drängen der Mitglieder des organisierenden Interessenvereins und der Gemeinde entschied man sich jedoch dazu, dass nur die Krone im Atelier angefertigt werden soll, die dann anschließend an den Glockenkörper geschweißt wird. „Wir wollen, dass nicht irgendeine in Deutschland angefertigte, sondern die hier vor Ort gegossene Glocke später in dem ältesten Bauwerk Stolzemburgs hängt“, sagte Fernand Zanter, Präsident des lokalen „Syndicat d’initiative“. Die Glocke soll am 18. November im verwaisten Glockenturm, dem ältesten Bauwerk Stolzemburgs, aufgehängt werden, nachdem sie feierlich geweiht wurde. Der Turm stammt aus dem Jahr 1671.
Laut ersten Erkenntnissen von Dr. Bastian Asmus soll ein kleines Loch mit dem Durchmesser eines Bleistifts in der Gussform das Auslaufen des Metallgemischs in Höhe der Glockenkrone verursacht haben.
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