Willkommene Alternative / Glutenfreie Bäckerei öffnet in Luxemburg-Stadt
Für die Betroffenen ist es eine Wohltat. Für viele Gesundheitsbewusste ist es eine willkommene Alternative. Seit kurzem hat Luxemburg mit „Chambelland“ eine Bäckerei, die ausschließlich glutenfreie Backwaren anbietet. Die Nachricht hat sich rasant schnell herumgesprochen. Claude Wolf ist ihr nachgegangen.
Es ist die Geschichte von Begegnungen und Leidenschaften: Sie begann 2012, als sich der Biologe Thomas Teffri-Chambelland und der Publizist Nathaniel Doboin kennenlernten. Ersterer war auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung, der Zweite war mit dem festen Vorsatz von einer Weltreise zurückgekehrt, die Welt besser zu machen. Das sollte allerdings nicht verhindern, dass beide Unternehmer Spaß haben und der Kunde sich wohlfühlen konnte.
Glutenfreies Brot, hieß das von Teffri-Chambelland entwickelte Konzept. Wer sich mit der Gluten-Allergie beschäftigt hat, der weiß, dass die für Allergiker geeigneten Brotsorten streng von den klassischen Getreideprodukten getrennt werden müssen. Anders gesagt, eine klassische Bäckerei, die nebenbei auch glutenfreies Brot anbietet, kann nicht funktionieren.
Die Marke „Chambelland“ bietet deshalb ausschließlich glutenfreie Produkte an. Ihre zwei Adressen in Paris waren von Beginn an erfolgreich. Das hat nicht zuletzt die Wahl zur „drittbesten Bäckerei von Paris“ zusätzlich bestätigt.
Begegnungen
Ihren Erfolg verdankt sie weiteren Begegnungen: Das waren die stimmige Zusammenarbeit von Thomas Teffri-Chambelland mit dem französischen Müller Stéphane Pichard. So entstand 2014 in Malijai, einem Dorf in den französischen „Alpes de Haute-Provence“, eine funkelnagelneue Mühle, in der bis heute ausschließlich glutenfreie Körner gemahlen werden. Geliefert werden sie von dem italienischen Bauern Gianmario Viola und den Reisbäuerinnen Laura und Livia, die in der Po-Ebene zu Hause sind.
Eine weitere Etappe in der Entstehung und Entwicklung des Konzeptes war dann die Begegnung der beiden Pariser „Väter“ des „Chambelland“, Thomas und Nathaniel, mit dem Belgier Arnaud Rasquinet. Er hatte das belgische Konzept des „Le Pain Quotidien“ nach Paris gebracht und danach erfolgreich weiter exportiert.
Er selbst ist kein Allergiker und glaubte anfangs nicht an das Konzept. Das „Chambelland“ hat ihn dann aber so begeistert, dass er die beiden Betreiber überredete, ihm die Entwicklung in Belgien anzuvertrauen. Seither gibt es glutenfreie Bäckereien in Waterloo, in Gent und in Brüssel. Nummer sechs ist seit Anfang Februar in Luxemburg.
Die hiesige Verkaufsstelle wird täglich von Brüssel aus beliefert. Das Angebot ist immer ofenfrisch, was abends nicht verkauft wurde, geht an gemeinnützige Vereinigungen.
Überraschende Vielfalt
Hand aufs Herz. Wer täglich zwischen Baguette, Weißbrot, Bauernbrot oder Mischbrot wählen kann, kennt sich mit den glutenfreien Alternativen nicht so genau aus. Dabei sind diese im „Chambelland” fast genauso vielfältig wie das reguläre Angebot.
Ein Klassiker ist das Brot aus Reismehl, wobei Teffri-Chambelland vor zehn Jahren mit dieser Vorgehensweise Neuland betrat.
Ein weiterer Bestseller ist das Fünf-Kerne-Brot. Hier werden der Basis-Zutat Reismehl weitere Kerne wie Sesam, Buchweizen, Mohn und Sonnenblumenkerne zugefügt. Im Angebot sind aber auch Focaccias, ein luftiges Zuckerbrot und alle Arten von Kuchen, wie der Grandma’s Orange Cake, die Apple-Tartelettes und der Hazelnut Cake. Es gibt auch Eclairs, Paris-Brest oder eine Zitronen-Meringue-Torte.
Auf der Webseite des „Chambelland“ erfährt der Verbraucher zusätzlich, wie er selbst ein Herbstbrot zubereiten kann. Das Mehl dafür erhält er vor Ort.
Der Bäckerei angegliedert ist eine Konditorei, in der man die Spezialitäten auch verköstigen kann: Es gibt täglich ein glutenfreies Frühstück, mittags werden Quiches, belegte Brote und Suppen serviert, nachmittags gibt es Kaffee und Kuchen und sonntags erwartet ein Brunch die Liebhaber. Der Erfolg ist beeindruckend, das Geschäft ist nie leer, die Tische heiß begehrt. Geschäftsführer Arnaud Rasquinet ist von dem in dem Maß durchschlagenden Erfolg so beeindruckt, dass er fast täglich anwesend ist, um der Kundschaft den Puls zu fühlen. Hoch erfreut ist er auch über die Kaufkraft der hiesigen Kundschaft, die im Vergleich zu Paris oder Brüssel viel Geld ausgibt. Die verhältnismäßig hohen Preise, die einerseits den teuren Rohstoffen und andererseits dem Transport aus Brüssel geschuldet sind, schrecken offenbar nicht ab.
Der Erfolg beflügelt die Betreiber. Sie suchen einerseits Partnerschaften mit bestehenden Unternehmen, um möglicherweise in deren Betrieben eine Verkaufsecke zu eröffnen, sie haben aber auch eine weitere Niederlassung in Amsterdam schon im Blick.
Gluten-Unverträglichkeit
Durchfall, Bauchkrämpfe, Erschöpfung, Kopfschmerzen oder Konzentrationsschwierigkeiten – Gluten-Allergiker kennen diese Symptome. Und verzichten deshalb schweren Herzens auf Lebensmittel aus Weizen, Gerste, Roggen oder Dinkel, anders gesagt auf knackiges Weißbrot, Pizza und Nudeln, sowie auf die meisten verarbeiteten Gerichte, in denen sich häufig Weizenprodukte verstecken.
Medizinisch gesehen ist die Gluten-Unverträglichkeit eine Mischform aus Allergie und Autoimmunerkrankung. Es ist eine Reaktion des Körpers auf das Klebeeiweiß, das in vielen Getreidesorten vorhanden ist.
Die Krankheit führt zu einer Immunreaktion des Darms, der dadurch chronisch entzündet ist und gewisse Nährstoffe kaum oder gar nicht aufnehmen kann.
Die Glutenallergie ist häufig nicht diagnostiziert, Fachkreise gehen davon aus, dass bis zu 70 Prozent der Betroffenen sie nicht kennen. Sie kann in jedem Alter auftreten. Ihre Ursachen sind nicht bekannt, die Medizin spricht häufig von erblicher Veranlagung. Sie ist nicht heilbar, Linderung bringen allein eine glutenfreie, gemüsebasierte Ernährung und der Verzicht auf Fertigprodukte, deren Zusammenstellung man nicht immer nachvollziehen kann.
In den USA ist man in der Recherche und Diagnose schon viel weiter als hier in Europa. Dort ist bekannt, dass rund 20 Prozent der Bevölkerung allergisch auf Getreideprodukte reagieren. Die Geschäftswelt kann und will sich nicht erlauben, dies zu verkennen. Das glutenfreie Angebot ist somit quasi Pflicht. „Wenn ich sehe, wie unsere Niederlassung eingeschlagen hat, dann hatte Luxemburg bislang zumindest Nachholbedarf“, so Rasquinet.
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