Handwerk / Goldschmiedin Annick Mersch erklärt, warum Silber wie eine Diva ist und wie sie mit Edelsteinen arbeitet
Annick Mersch ist ein offener Mensch. Es kommt im Leben, wie es kommt. Sie nimmt es so und plant nicht. Vielleicht ist sie deshalb seit 14 Jahren erfolgreich mit ihrer Selbstständigkeit. In Berdorf betreibt die Schmuckdesignerin ihr Atelier und fertigt auf Bestellung.
Annick Mersch (38) arbeitet gerade an 60 verschiedenen Entwürfen. Vom Ring über Halsketten und Armbänder bis hin zu Ohrsteckern, es sind alles Auftragsarbeiten ihrer Kunden. Wenn die Schmuckdesignerin eine Handschrift hat, dann die: Sie experimentiert gern, vor ihrem Einfallsreichtum bleibt nichts verschont.
So wie viele ihrer Mitstudenten von damals, die am liebsten immer das Gleiche machen, könnte sie nicht arbeiten. Erst nach einem kurzen Zögern fällt ihr dann doch eine Form ein, mit der sie schon länger arbeitet und die immer wiederkehrt. „Würfel faszinieren mich“, sagt sie. Ihr Blick fällt auf die Vitrine in der Wand vor ihr.
Dort liegt gerade eine ganze Serie aus Silber schön drapiert wie zum Beweis. Die Schmuckstücke sind so gebogen, dass sie dreidimensional wirken. Sie sind es aber nicht. Die Schmuckstücke sind formschön und strahlen in ihrem Minimalismus zeitlose Eleganz aus. Dabei ist Silber noch nicht einmal ihr Lieblingsmaterial.
Silber ist eben nicht Gold
„Silber ist wie eine Diva“, sagt Mersch. Es ist empfindlich und widerspenstig, fordert beim Verarbeiten viel Geduld. Ob es sich biegen, walzen oder sägen lässt, hängt von minimalen Unterschieden in der Temperatur ab. Sonst entstehen Tiefenoxidationen, die sich als schwarze Flecken zeigen, oder es bricht. Die Arbeit mit Silber ist ein Wechsel zwischen erhitzen, bearbeiten, abkühlen lassen, wieder erhitzen.
Gold ist bescheidener. „Das ist ein Material, dass sich fast von selbst formt“, sagt Mersch. Sie verarbeitet beides für ihre Kreationen, arbeitet mit Edelsteinen und nimmt oft noch Holz dazu. Und was sich wie überbordende Fülle anhört, ist dem Prinzip des Weglassens untergeordnet. Mersch gehört nicht zu denjenigen, die das Gefühl haben, nie mit einem Entwurf fertig zu werden. Wenn die Form stimmt, ist es bei ihr gut.
Die Goldschmiedin teilt sich das Atelier mit der einzigen Glasbläserin in Luxemburg. Zufall oder nicht, der Einzige, der sie nach dem Abitur für eine Hospitanz nimmt, ist ihr Vorgänger in Berdorf. Nach der Schule geht es ihr genauso wie vielen. Sie weiß nicht so richtig, was sie machen soll. Sie sucht und bleibt, wie sie sagt, irgendwann „beim Schmuck hängen”.
Ungeplant rutscht sie in die Selbstständigkeit
Sie selbst trägt kaum welchen. Ein Jahr lang hospitiert sie damals in Berdorf, springt ins kalte Wasser und sammelt Erfahrungen. „Seitdem hatte ich keine Angst mehr davor, mich selbstständig zu machen“, sagt sie. „Ich habe da gelernt, mich einzuschätzen.“ Folgerichtig schließt sie danach im deutschen Idar-Oberstein nach vier Jahren ihre Ausbildung zur Designerin mit Schwerpunkt in Edelsteinen und Schmuck ab.
Danach geht alles ganz schnell und völlig ungeplant. Sie steckt noch mitten im Diplom und zieht parallel ihren Gesellenbrief zur Goldschmiedin nach, als schon der erste Anruf aus dem Müllerthal kommt. Das Goldschmiedeatelier steht mittlerweile leer, sie wird sehnlichst erwartet. Das Weihnachtsgeschäft 2007 steht bevor.
„Es läuft so, wie es läuft“, sagt Mersch schulterzuckend. „Ich habe nie groß Pläne gemacht.“ Zum Nachdenken kommt sie damals sowieso nicht. Sie muss neben den Prüfungen die Genehmigungen für ihre Selbstständigkeit einholen. Zweifel kommen erst später. Vier Jahre später wird sie krank, erste Ängste kommen auf. Wieder entscheidet sie sich für ihren Beruf, für ihre Selbstständigkeit.
Von der vagen Idee bis zum Schmuckstück
„Schmuckdesignerin, Goldschmiedin, das ist einfach das, was ich machen will“, sagt sie. „Mich fasziniert die Herstellung, das Handwerk.“ Damit steht sie nicht alleine da. Nach Angaben der „Chambre des métiers” gibt es derzeit 49 Betriebe, die als „bijoutier-orfèvre“ angemeldet sind. 2010 waren es 29.
Allerdings beobachtet die Kammer eine Entwicklung. Viele „maîtres orfèvres”, Goldschmiede mit einem Meisterbrief, bleiben nicht in der Schmuckherstellung. Sie wechseln vielfach ins Kunsthandwerk, um auszustellen. Seit 2013 gibt es keine Ausbildung mehr im Land, die meisten gehen nach Idar-Oberstein wie Annick Mersch.
Die rund 30.000 Einwohner zählende Stadt gilt als eines der großen Schmuckzentren in Deutschland und aufgrund des natürlichen Vorkommens an Achaten, Jaspis und anderen Edelsteinen sind Edelsteinschleifer fester Teil der Kultur der Stadt. Mersch kommt während des Studiums damit in Berührung und entwickelt Vorlieben. Ulexit ist so ein Stein, der sie nicht mehr loslässt.
Im Volksmund wird er „Fernsehglas“ genannt, bei ihr veredelt er Holzschmuck. Der Wassermelonenturmalin ist ein anderer Stein, der sie fasziniert. „Das ist einfach ein Wunder der Natur“, sagt sie. Mersch arbeitet individuell, nach Maß und Vorgabe der Kunden. Zwar umfassen ihre beiden Kataloge rund 200 Seiten, aber ihr Tagesgeschäft sind Einzelstücke und die Vitrinen im Atelier ein „amuse-gueule“ ihrer Kunst.
Ihre Kunden kommen meist mit einer vagen Idee, die sie berät und verfeinert. „Für mich ist kein Wunsch unmöglich“, erklärt sie eines ihrer Prinzipien. Ihre Auftraggeber sind Teil des Prozesses, wenn ein Schmuckstück – egal für welchen Körperteil – unter ihren Händen Form annimmt. Obwohl sie eine künstlerische Ausbildung hat, ist ihr Selbstverständnis stark dienstleisterisch geprägt. Die Zufriedenheit ihrer Kunden ist ihr das Wichtigste.
Seltenes Handwerk
In dieser Serie haben wir den Trockenmauerbau, das Töpfern, das Korbflechten sowie das Handwerk des Sattlers, des Kunstschmieds und hier des Goldschmieds vorgestellt. Der letzte Teil ist ein Ausflug in die einzige Kokosweberei Deutschlands, die in der Großregion liegt.
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