/ Grauen im Industriegebiet: 39 Leichen in Lkw unterstreichen die gescheiterte EU-Migrationspolitik
Am frühen Mittwochmorgen ging der Anruf in der Zentrale ein. Fünf Krankenwagen eilten nach Grays in die Eastern Avenue, zwei zusätzliche Notfallwagen folgten. Doch der Großalarm in der ostenglischen Grafschaft Essex kam zu spät. Als die Retter in der Industriezone rund 30 Kilometer von London entfernt eintrafen, hatte die Polizei ihre traurige Bilanz bereits gezogen: Die 39 Menschen in dem weißen Lkw-Anhänger waren tot, vermutlich erstickt.
Der Fahrer, ein 25-jähriger Mann aus Nordirland, wurde festgenommen und den gestrigen Tag über verhört. Noch ist nicht viel mit letzter Gewissheit zu sagen in dieser Tragödie: Der Lkw soll aus Bulgarien stammen, er soll am vergangenen Samstag mit einer Fähre aus Irland den walisischen Hafen Holyhead und so das Vereinigte Königreich erreicht haben, die Toten sollen bis auf einen Jugendlichen alle erwachsen gewesen sein, der zuständige Polizeichef meinte, es würde wohl viel Zeit benötigen, die Toten zu identifizieren.
Dass es sich um ein weiteres Flüchtlingsdrama handelt, dürfte außer Frage stehen. Mittlerweile ermittelt die britische Polizeibehörde für Organisierte Kriminalität, worunter auch das Schlepperbusiness fällt. Im Laufe des Tages erwähnte die britische Polizei eine andere Route des Lkw, die ebenfalls ins Auge gefasst werde. Demnach habe die Zugmaschine zwar am Samstag von Dublin nach Holyhead übergesetzt, der Anhänger sei aber vom belgischen Zeebrugge aus nach Purfleet in der Themse-Mündung gelangt, von wo aus es bis zur Fundstelle in Grays nur zehn Minuten Fahrt sind. Das soll sich in diesem Szenario nur etwas mehr als eine Stunde vor der grausigen Entdeckung durch die Rettungskräfte abgespielt haben. Das bulgarische Außenministerium hatte bis dahin auch die Herkunft des Lkw-Anhängers bestätigt. Dieser ist demnach in der bulgarischen Hafenstadt Varna registriert.
Die andere Brexit-Folge
Bei der Polizei von Grays war der Anruf rund um den verdächtig abgestellten Lkw mitten in der Nacht um 1.40 Uhr Ortszeit (2.40 MESZ) eingegangen. Rettungskräfte waren im Waterglade-Industriegebiet auf den Lkw aufmerksam geworden. Bereits früh am Morgen war der Fundort weitflächig abgesperrt. Hinter großen schwarzen Sichtschutzplanen untersuchten die Forensiker der britischen Polizei in weißen Overalls den Tatort. Sogar das Rote Kreuz war vor Ort. Der britische Premier Boris Johnson zeigte sich in einer ersten Reaktion „entsetzt“.
Der Fall erinnert an die Flüchtlingstragödie im österreichischen Parndorf aus dem Jahr 2015. Damals waren 71 Menschen aus dem Irak, Afghanistan, Syrien und dem Iran ums Leben gekommen, erstickt in einem aus Ungarn kommenden Kühllastwagen – und abgestellt in einer Pannenbucht auf einer österreichischen Autobahn. Der Fall sorgte im Flüchtlingssommer 2015 für Fassungslosigkeit. Mehr als vier Jahre später kommt es zu einer ähnlichen Tragödie.
Das legt zum einen die mörderischen Konsequenzen einer immer noch fehlenden, gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik bloß. Und zum anderen lenkt es den Blick auf eine Folge des Brexit, die sonst wenig Aufmerksamkeit bekommt: Der Druck, der vom drohenden EU-Austritt der Briten auf die Migranten ausgeht, ist enorm – auf jene, die in Lagern in Nordfrankreich verharren wie auf jene, die noch weiter entfernt sind von ihrem Ziel. Noch weiß man nicht abschließend, wo die 39 Menschen in den Container stiegen, den sie nicht mehr lebend verlassen sollten.
Brexit als Bombengeschäft
Für Schlepper ist der Brexit ein Bombengeschäft. Dass nach einem EU-Austritt der Briten keiner mehr ins Vereinigte Königreich komme, ist eine unter Flüchtenden weit verbreitete Falschnachricht. Viele Migranten in den Camps im Norden Frankreichs sind am Verzweifeln. Immer mehr versuchen, mit Schlauchbooten überzusetzen. Den Angaben französischer Behörden nach wurden bis Oktober diesen Jahres mehr als 2.000 Passagiere von mehr als 200 Booten wieder heruntergeholt.
Und das Vereinigte Königreich gilt nach wie vor für viele Flüchtende als Sehnsuchtsort. So auch für den iranischen Kurden Rebaz. Der Mittdreißiger hängt seit mehr als einem Jahr in einem Camp in der Gemeinde Grande-Synthe nahe Dunkerque fest. Er habe schon zigfach versucht, auf einem Lkw nach England zu kommen, erzählt Rebaz am Telefon, immer wieder sei er erwischt worden. Doch er ist sich sicher, dass er mal in UK bleiben wird können, „denn wenn du bis da bist und deine Geschichte sie überzeugt, bekommst du auch deine Papiere“. Seine Hoffnung: „Die Engländer brauchen vor allem nach dem Brexit billige Arbeitskräfte.“
Der Ärmelkanal misst an seiner schmalsten Stelle 34 Kilometer. Die Gefahren sind trotzdem erheblich. Die See zwischen Frankreich und England ist nicht nur oft rauh, es herrscht auch dichter Schiffsverkehr. Erst vor zehn Tagen wurden am Strand des Urlaubsortes Le Toquet die Leichen von zwei jungen Irakern angespült. Tote Flüchtlinge an einem Strand in Frankreich? Eigentlich sind das Bilder, die man aus der Türkei oder Griechenland kennt.
Wer bleibt, stirbt auch
Rebaz entgegnet, dass er und die anderen in den Camps keine andere Möglichkeit hätten. „Die Franzosen wollen uns nicht – und wenn wir bleiben, gehen wir auch kaputt.“ Der Dreck, die Feuchtigkeit und Kälte, die Krankheiten, „gesundheitlich schafft das keiner ewig“, sagt Rebaz. Die 39 Toten bei London schockieren Rebaz zwar, aber verwundert ist er nicht. „Wenn die aus Bulgarien kamen, waren sie vier Tage in einem Container unterwegs – das zu überleben, ist fast unmöglich“. So sei das mit dem Sehnsuchtsort England. Wer dorthin wolle, müsse es versuchen. „Wenn du Glück hast, überlebst du und wenn du Pech hast, stirbst du.“
Die Überfahrt wird in der Tat immer schwieriger. Die Franzosen übernehmen an ihrer Nordküste den britischen Grenzschutz. London finanziert die Mauern und Türme und Zäune mit dutzenden Millionen Euro mit. An den wichtigsten Fährhäfen wie Calais werden Lkws mit Kohlendioxidmessgeräten auf illegale Passagiere kontrolliert. Das könnte auch der Grund sein für die ungewöhnliche Route, die der Lkw aus Bulgarien wohl genommen hat.
Die Verbindung zwischen Dublin und Holyhead ist eine der wichtigsten zwischen Irland und Großbritannien, 90 Prozent des irischen Lkw-Frachtverkehrs Richtung UK werden über Dublin abgewickelt. In der Regel finden keine Grenzkontrollen zwischen beiden Staaten statt. Der Chef des Dubliner Hafens Eamonn O’Reilly sagte Anfang des Jahres, der Lkw-Verkehr sehe aus wie “eine Linie aus Stahl, die aus den Schiffen herausläuft”.
Dieses Schlupfloch im Grenzschutznetz könnte der Schlepper von Grays genutzt haben, so denn die Holyhead-Route gewählt worden war. Von weniger stark benutzten französischen Häfen wie Roscoff gibt es Fähren ins westirische Rosslare. Von dort sind es noch wenige Autostunden bis Dublin. Trotzdem hätte eine solche Route die Anfahrt um viele Stunden verlängert. Möglicherweise um fatale Stunden für die 39 Passagiere, deren Tod Ärzte noch in der Nacht zum Mittwoch in einem Industriegebiet im Osten Englands feststellen mussten.
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Chinese komme jo nun awer net aus de klasseschen Migratiounsgebidder. Huet also wéineg mat enger verfehlter Immigratiounspolitik ze din, an desem Fall. Dat si wuel éischter daer Quasi-Sklaven, déi zu Honnerten an den Hannerräim vun der Chinarestauratioun, resp. an de Wunnenge vu räiche Chinesen an Asiaten a GB als Déngschtpersonal beschäftegt sin.