Finanzen / Greenpeace untersucht 100 Investmentfonds auf Klimaschädlichkeit
Die Umweltorganisation Greenpeace möchte, dass in Luxemburg regulatorischer Druck auf die Finanzbranche ausgeübt wird. Klimarisiken abzuschätzen und offenzulegen, müsse in Zukunft für die Finanzverwalter zur Pflicht werden.
Die Luxemburger Investmentfondsbranche verwaltete im letzten November die unvorstellbare Summe von 4.882 Milliarden Euro. Damit hat das Großherzogtum nach den Vereinigten Staaten die zweitgrößte Fondsbranche in der Welt.
Eine von der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Auftrag gegebene Studie hat sich nun mit dem Einfluss der 100 größten in Luxemburg registrierten Investmentfonds auf das Klima befasst. Diese Schwergewichte unter dem Investment machen rund neun Prozent des gesamten hierzulande verwalteten Vermögens aus.
Bei der Untersuchung, die am Mittwoch bei einer virtuellen Pressekonferenz vorgestellt wurde, habe sich herausgestellt, dass die luxemburgische Fondsindustrie durch die Finanzierung von nicht nachhaltigen Unternehmen erheblich zum globalen Klimanotstand beiträgt, so Greenpeace. Zum Beispiel finanzieren die Luxemburger Investmentfonds fossile Brennstoffe und setzen überdurchschnittlich stark auf Kohle. Die Umweltschutzorganisation glaubt, dass dies nicht nur schädlich für die Umwelt ist, sondern auch ein erhebliches finanzielles Risiko darstellt.
Die 100 untersuchten Fonds stießen im Durchschnitt 10 Prozent mehr Treibhausgase aus als der MSCI-World-Index. Dieser Index bildet den Kurs von rund 1.600 Aktien aus 23 Ländern ab und wird standardmäßig für alle möglichen Vergleiche in der Branche zurate gezogen. Im Jahr 2019, so Greenpeace, seien die Fonds für die Finanzierung von 39 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen verantwortlich gewesen. Das entspricht dem vierfachen der nationalen Emissionen des Landes, sagt die Umweltschutzorganisation.
Einfluss der Investmentfonds
Die Investmentfonds sind zwar nur Investoren, sie haben allerdings einen gehörigen Einfluss. Würden viele Investmentfonds aufhören, Treibhausgas-intensive Unternehmen zu finanzieren, dann würden die Papiere dieser Firmen an Wert verlieren, weil die Nachfrage sinkt. Diese Betriebe hätten dann Schwierigkeiten auf dem Finanzmarkt, erklärt Martin Granzow, Autor der Studie und Geschäftsführer von Nextra Consulting aus Hamburg. Der Fokus müsse aber darauf liegen, Unternehmen zu finden, die etwas verändern wollen, und diesen dabei helfen. Der Wandel hin zum klimafreundlichen Unternehmen sei aber nicht immer möglich, so Granzow, etwa bei Betrieben, die ganz auf Kohlverstromung spezialisiert seien.
Risiken entstehen für Unternehmen und Investoren zum einen durch den Klimawandel direkt. Zum Beispiel dann, wenn ihre Produktionsmittel von extremen Wetterphänomenen beschädigt oder zerstört werden. Zum anderen birgt der Wandel zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft Risiken. Zum Beispiel, wenn neue Klimaschutzgesetze erlassen werden, auf die Unternehmen sich nicht vorbereitet haben, oder wenn Verbraucher anfangen, klimaschädliche Produkte zu boykottieren.
Für Greenpeace kommt den Akteuren der Branche dabei eine wichtige Rolle zu. Die Promotionsagentur Luxembourg for Finance (LFF) und der Branchenverband ALFI müssten das Problem angehen, sagt Martina Holbach, die bei Greenpeace für Klima und Finanzen zuständig ist. Auch die „Commission de surveillance du secteur financier“ (CSSF) müsse mehr tun. Bislang verfüge die Aufsichtsbehörde nicht einmal über Informationen über den ökologischen Fußabdruck der Investmentfonds, die sie kontrolliert.
Grünes Luxemburg?
Die Luxemburger Fondsindustrie bemüht sich seit einigen Jahren bereits um mehr Nachhaltigkeit. In seinem letzten Jahresbericht listet ALFI unter seinen Zielen, einen Rahmen zu schaffen, der nachhaltige Produkte gedeihen lässt. Die Promotionsagentur der Finanzbranche LFF beschreibt Luxemburg als „eine führende internationale Plattform für nachhaltige Finanzierungen, von verantwortungsbewussten Fonds, gemischten Finanzierungen, Börsennotierungen für grüne Anleihen bis hin zum Fonds-Labelling“. Die Regierung unter Beteiligung der Grünen schreibt in ihrem Koalitionsvertrag 2018: „In der letzten Legislaturperiode wurde Luxemburg zum Vorreiter in Sachen nachhaltige Finanzen und schlug unter Einhaltung der geltenden Vorschriften den Weg des ökologischen Wandels ein.“
Das nimmt Martina Holbach zur Kenntnis. Sie bemängelt allerdings, dass das nur ein sehr kleiner Teil im Vergleich zum kompletten Volumen der Branche sei – die Kirsche auf dem Kuchen. Grüne Finanzen machen in Luxemburg gerade einmal vier Prozent des verwalteten Vermögens aus.
Granzow leugnet nicht, dass ein beherztes Vorgehen der Gesetzgeber in Richtung klimafreundliche Investmentfonds einigen Investmentfonds zum Anlass werden könnte, das Land zu verlassen und sich an einem anderen Fondsplatz niederzulassen, betont aber seine Überzeugung, dass andere – klimafreundliche – Fonds wiederum noch Luxemburg kämen, weil sie hier ein gutes Umfeld für ihre Aktivität finden.
Interessantes Detail: Unter den 100 untersuchten Fonds befinden sich drei sogenannte „nachhaltige Investmentfonds“. Auch diese schnitten in der Analyse der mit dem Klima verbundenen Risiken nur mittelprächtig ab. In dem Bericht heißt es, die Kriterien, die diese Fonds verwenden, stellen „einen Mindeststandard in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte dar und werden auch von vielen Fonds verwendet, die nicht explizit als nachhaltig ausgewiesen sind“.
„Der größte Beitrag, den das Großherzogtum für die Zukunft unseres Planeten leisten kann, besteht darin, seine Fondsindustrie und seinen Finanzsektor im Allgemeinen mit den im Pariser Abkommen zur Bekämpfung der globalen Erwärmung festgelegten Grenzwerten in Einklang zu bringen“, so auch Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan bei der Pressekonferenz am Mittwoch.
Bemühungen auf EU-Ebene
Auf EU-Ebene werden derzeit Anstrengungen unternommen, um Finanzen nachhaltiger zu gestalten. Dazu wurden 2019 eine Verordnung über die „nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten“ im Finanzbereich beschlossen und im Juni 2020 eine Verordnung über die „Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen“ verabschiedet. Letztere enthält u.a. offizielle Kriterien, die helfen sollen zu bestimmen, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Im Klartext: Die Finanzbranche soll Investoren in Zukunft genauer über die Auswirkungen auf die Umwelt ihrer Produkte informieren. Noch ist das Resultat dieser Bemühungen nicht absehbar.
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