Klimawandel / Grönlands Gletscher könnten in diesem Jahrhundert 35.900 Gigatonnen an Masse verlieren
Der menschengemachte Klimawandel wird immer sichtbarer. Besonders deutlich zu sehen sind die Folgen der Erderwärmung in Grönland. In diesem Jahrhundert könnte der grönländische Eisschild 35.900 Milliarden Tonnen an Masse verlieren, so eine neue Studie.
Grönland verliert schnell an Eis. So der eindringliche erste Satz einer neuen wissenschaftlichen Studie, die im Fachblatt Natur erschienen ist. Die Schmelze geht demnach so schnell vonstatten wie noch nie in den letzten 12.000 Jahren.
Mithilfe von Computermodellen konnten die Wissenschaftler aufzeigen, dass der südwestliche Teil des grönländischen Eisschildes während des gesamten Holozäns (dem Zeitalter des Menschen) mehrmals geschrumpft und wieder angewachsen ist. Doch selbst in den Jahrhunderten mit den gewaltigsten Schmelzen ging das Eis nicht in einem solch rapiden und alarmierenden Tempo wie heute vonstatten.
Nicht zuletzt trägt das Gletschereis, das vom Land ins Meer fließt, bedeutend zu einem Ansteigen des Meeresspiegels bei. Der zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) schreibt, dass der Meeresspiegel zwischen 1901 und 2010 um rund 19 cm (zwischen 0,17 und 0,21 m) angestiegen ist. Zusätzlich steigt der Meeresspiegel immer schneller an. Das Tempo, mit dem der Meeresspiegel ansteigt, nimmt zusehends zu. 2018 lag der Anstieg bereits bei 3,7 mm. Im 21. Jahrhundert könnten der grönländische Eisschild so zwischen 8.800 Milliarden Tonnen und 35.900 Milliarden Tonnen an Masse verlieren.
Die Wissenschaftler um Jason Briner haben für ihre Berechnungen ein sehr feines Modell des grönländischen Eisschildes benutzt und es mit Klimadaten gefüttert. Für die Zukunft haben sie unterschiedliche Mengen an Treibhausgasen angenommen. Wie viel von diesen Gasen sich in der Atmosphäre befindet, bestimmt mit, wie schnell das Eis schmilzt.
Treibhausgase
Treibhausgase werden alle Gase genannt, die zum Treibhauseffekt beitragen können. Sie können natürlichen oder menschlichen Ursprungs sein. Wird die Erde von der Sonne erhitzt, dann gibt sie einen Teil der Wärme in Form von langwelliger Wärmestrahlung wieder ab. Die Treibhausgase absorbieren diese Strahlung, sodass sie die Atmosphäre erhitzt, anstatt in den Weltraum abgestrahlt zu werden. Hin und wieder werden Treibhausgase deshalb auch als Klimagase bezeichnet.
Durch die Nutzung fossiler Brennstoffe gelangen Treibhausgase, die seit Millionen Jahren unter der Erde lagerten, in die Atmosphäre und tragen dazu bei, dass diese sich nach und nach aufwärmt. Eine andere weniger beachtete Quelle ist die Tierlandwirtschaft, bei der große Mengen des Treibhausgases Methan freigesetzt werden.
Besonders das Abschmelzen der großen Eisflächen am Nordpol hat einen verstärkenden Effekt auf den Klimawandel. Durch seine „Albedo“ reflektiert das Eis einen Teil der Sonnenstrahlen zurück ins All, ohne dass es die Erde erhitzen kann. Dieser Effekt wird zum Beispiel deutlich, wenn man im Sommer weiße Kleidung trägt anstatt dunkler Kleidung. Schmilzt das Eis aber ab, dann werden die Sonnenstrahlen nicht mehr ohne weiteres reflektiert und sie tragen verstärkt dazu bei, die Atmosphäre zu erwärmen.
Auf den ersten Blick verwirrend
Zwischen 2016 und 2019 wurde laut den Vereinten Nationen ein größerer Verlust an Gletschermasse verzeichnet als in allen anderen vergangenen Fünfjahresperioden seit 1950. Zuletzt war zwar festgestellt worden, dass sich Grönlands größter Gletscher, der Jakobshavn, erholt. Wissenschaftler hatten berichtet, der Gletscher fließe wieder langsamer, werde dicker und bereite sich wieder in Richtung Meer aus, anstatt sich zurückzuziehen. Die US-Weltraumbehörde NASA geht jedoch davon aus, dass es sich dabei nicht um gute Nachrichten handelt. Die Erholung des Gletschers sei der Nordatlantischen Oszillation (NAO) geschuldet, einer Verschiebung der Meeresströmungen, die nun kälteres Wasser an den Gletscher heranführt. „Die Veränderungen des Jakobshavn sind vorübergehend. Wenn die NAO wieder umkippt, wird sich der Gletscher höchstwahrscheinlich wieder ausdünnen, da das warme Wasser zurückkehrt, um ihn von unten weiter abzuschmelzen“, so die NASA. Die Weltraumbehörde schreibt weiter: „Auch wenn das Verhalten Jakobshavns für einige verwirrend sein mag, gibt es keinen Hinweis darauf, dass sein Wachstum auf eine Verlangsamung der globalen Erwärmung hindeutet.“
Eben jener Jakobshavn fällt auch in das Untersuchungsgebiet der neuerlichen Studie. Die Forscher geben zu, dass es schwierig ist, diesen Gletscher anständig zu simulieren. Allerdings sei das untersuchte Gebiet dominiert von Eisflächen, die relativ wenig direkte Kopplung mit dem Meer haben, was ihnen ihre Arbeit deutlich vereinfacht habe.
Nicht nur auf Grönland ist ein Rückgang der Gletscher zu beobachten. Auf Island ist der Okjökull (auch Ok genannt) so weit geschmolzen, dass ihm 2014 sein Status als Gletscher aberkannt worden ist. Er war der erste große Gletscher, den dieses Schicksal ereilte. Die Isländer haben ihm im vergangenen Jahr ein Denkmal gesetzt. Bei einer Zeremonie wurde eine Gedenktafel offiziell eingeweiht, mit einem Text, der sich an zukünftige Generationen richtet. „Der Ok ist der erste Gletscher Islands, der seinen Status als Gletscher verliert“, heißt es darin auf Isländisch und Englisch. „In den nächsten 200 Jahren werden wohl alle Gletscher das gleiche Schicksal erleiden. Diese Gedenktafel ist das Eingeständnis, dass wir wissen, was geschieht und was zu tun ist. Nur ihr wisst, ob wir es getan haben.“
Tatsächlich hat es Klimawandel schon immer auf der Erde gegeben. Unter anderem sind vulkanische Aktivität und die Milanković-Zyklen dafür verantwortlich. Letztere Beschreiben, welchen Einfluss die Eigenschaften der elliptischen Erdumlaufbahn und das „Taumeln“ der Erdachse (Präzession) auf das Klima haben. Milanković-Zyklen verlaufen in sehr langen Zeiträumen und können den derzeitigen Klimawandel nicht erklären.
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