Coronavirus / Großbritannien deckt sich mit Antikörpertests ein
Im Vereinigten Königreich sollen bald Tests erhältlich sein, mit denen Menschen prüfen können, ob sie mit dem Coronavirus in Kontakt gekommen sind und eine Immunität aufgebaut haben. Der Test unterscheidet sich grundlegend von jenem, mit dem das Virus bei Erkrankten nachgewiesen wird und der auch in Luxemburg durchgeführt wird.
Während der derzeitigen Pandemie möchten viele Menschen, die sich unsicher sind, Gewissheit haben: Bin resp. war ich mit dem Coronavirus (Sars-CoV-2) infiziert oder nicht? In Großbritannien soll nun ein Test auf den Markt kommen, mit dem sich die Menschen zu Hause selber testen können. Darüber berichtete die Zeitung Guardian. Hierbei handelt es sich um einen Antikörpertest. Mit einem kleinen Piekser wird Blut aus der Fingerkuppe entnommen und auf Antikörper getestet.
Antikörper sind Schutzstoffe, die vom Immunsystem produziert werden, um eine Krankheit zu bekämpfen. Wenn sie in erhöhtem Maße im Blut vorhanden sind, bedeutet das, dass der Körper eine bestimmte Krankheit hat oder hatte. „Der Test kann Ihnen nicht sagen, ob Sie derzeit das Virus haben; er ist für Menschen, die Symptome hatten und sich erholt haben, damit sie wissen, dass sie nicht mehr ansteckend sind und wieder arbeiten können. Menschen sind normalerweise gegen das Virus immun, wenn sie es einmal gehabt haben“, schreibt der Guardian.
Der Zeitung zufolge sind derzeit mehrere solcher Tests in der Entwicklung. Es sei bislang aber nicht bekannt, welche davon von den Behörden freigegeben werden. Einige davon sollen einfach zu bedienen sein, wie ein Schwangerschaftstest, und dem Benutzer binnen 10-15 Minuten das Resultat liefern. Die Tests sollen, wenn es so weit ist, bei Amazon und in zentral gelegenen Drogerien erhältlich sein. Sharon Peacock von der Gesundheitsagentur Public Health England sagte, innerhalb der nächsten Tage könne in Großbritannien bereits großflächig getestet werden. Die Regierung äußerte sich vorsichtiger.
Unentdeckte Fälle ausmachen
Mit einem solchen Antikörpertest ließen sich bisher unentdeckte Fälle unter den Menschen aufspüren, sagte die Ärztin Marylyn Addo gegenüber der Zeit. Dadurch werde unterscheidbar, wer durch die kursierenden Erreger noch in Gefahr ist und wer schon immun ist. Addo gehört zu einem internationalen Team, das derzeit an einer Impfung gegen das Virus arbeitet.
Tags zuvor hatte Gesundheitsminister Matt Hancock laut Guardian verkündet, seine Regierung habe 3,5 Millionen Antikörpertests gekauft. Mit dem Test könnte auch der Status von ärztlichem Personal, Pflege- und Reinigungskräften überprüft werden, die sich derzeit vorsorglich in Quarantäne befinden. „Die Antikörpertests werden es den Menschen ermöglichen, zu sehen, ob sie das Virus gehabt haben, dagegen immun sind und wieder arbeiten können“, sagte Hancock laut Guardian. Dem Minister zufolge wird der Test „sehr bald“ zur Verfügung stehen.
Die Immunität nach einer Corona-Infektion ist noch nicht gut untersucht. Gewaltsame Experimente an Rhesusaffen haben ergeben, dass eine Immunität besteht. Trotz Bemühen ist es den Wissenschaftlern nicht gelungen, einmal genesene Affen ein zweites Mal zu infizieren. Es gilt allerdings der Hinweis, dass Tierversuche nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragbar sind.
Die vorläufigen Resultate zur Immunität entsprechen allerdings den Erfahrungen der Wissenschaftler mit anderen Viren derselben Familie. „Etwas anderes haben wir aufgrund von Erfahrungen mit anderen Coronaviren wie den Sars- oder Mers-Erregern auch nicht erwartet“, sagte Isabella Eckert von der Abteilung für Infektionskrankheiten am Universitätsklinikum Genf gegenüber dem NDR. Und weiter: „Wir wissen allerdings noch nicht, wie lange diese Immunität anhält.“ Bei anderen Coronaviren ist dies allerdings mehrere Jahre der Fall. Bei Sars beispielsweise seien Antikörper drei bis fünf Jahre nachweisbar. Laut Wall Street Journal will sich die zuständige Behörde in Großbritannien nicht dazu äußern, wo sie die Antikörpertests herhat. Peacock sagte der Zeitung zufolge allerdings, sie stammten aus Südostasien.
Suche nach dem Erreger
Derzeit versuchen Länder, sich bei der Bestellung von Material gegenseitig auszustechen. Teils mit unlauteren Mitteln. Die luxemburgische Gesundheitsministerin Paulette Lenert sagte im Tageblatt-Interview: „Jedes Land jagt das gleiche Material. Wir wurden mit Überbietungspraktiken konfrontiert: Wir hatten das Material schon bezahlt – in letzter Minute hat es uns dann aber jemand vor der Nase weggeschnappt. Zu einem sehr hohen Preis. Es gibt Bestellungen, die beschlagnahmt oder geklaut werden.“
Der Antikörpertest unterscheidet sich von dem Test, der derzeit durchgeführt wird, um zu ermitteln, ob eine Person an dem Virus erkrankt ist. Bei diesen Tests geht es darum, eine akute Covid-19-Erkrankung festzustellen.
Dafür nimmt das ärztliche Personal eine Probe bei der betroffenen Person. Diese wird in ein Labor geschickt, wo sie direkt auf den Erreger hin untersucht wird – also nicht auf Antikörper. Das Verfahren, das dazu benutzt wird, nennt sich „Echtzeit-Polymerase-Kettenreaktion“. Laut dem deutschen Robert-Koch-Institut dauert die reine Testzeit vier bis fünf Stunden. In Wirklichkeit warten Patienten aber ein bis zwei Tage auf ihr Ergebnis. Solche Tests sind sehr zuverlässig, vorausgesetzt, die Probe – etwa ein Abstrich aus dem Rachen – wurde korrekt entnommen. Daneben muss die Inkubationszeit des Virus abgewartet werden.
Erhöhte Test-Kadenz
Derzeit haben die einzelnen Länder – selbst innerhalb von Europa – sehr unterschiedliche Herangehensweisen, wie getestet wird. In einigentestet man unter Berücksichtigung knapper Laborkapazitäten nur Fälle, in denen ein dringender Verdacht einer Erkrankung besteht, oder gar nur, wenn der Patient schwere Symptome hat. In anderen Ländern wird großzügiger getestet. Dieser Umstand wird oft als Hauptgrund dafür genannt, dass sich das Verhältnis von bestätigten und tödlich verlaufenden Fällen von Land zu Land stark unterscheidet.
Am vergangenen Freitag hatte Premierminister Xavier Bettel gesagt, die erhöhte Zahl an Infizierten in Luxemburg habe auch mit der erhöhten Test-Kadenz zu tun. Am Donnerstag alleine seien etwa 750 Menschen getestet worden. Tags zuvor seien es über 700 gewesen.
Um getestet zu werden, ist in Luxemburg ein ärztliches Attest nötig. Menschen, die vermuten, sich angesteckt zu haben, sollen auf keinen Fall eine Praxis aufsuchen. Auf der Internetseite des Ministeriums heißt es: „Wenn nötig, kontaktieren Sie Ihren Arzt per Telefon. Begeben Sie sich nicht in die Arztpraxis.“ Weiter heißt es dort: „Das Testergebnis wird über einen sicheren Kanal an den Arzt, der den Test angefordert hat, geschickt, der es dem Patienten unverzüglich mitteilt. Das Ergebnis wird gemäß dem Gesetz vom 1. August 2018 über die Meldepflicht für bestimmte Krankheiten auch an die Gesundheitsinspektion übermittelt. Auf Wunsch des Patienten kann das Ergebnis auch an seinen behandelnden Arzt übermittelt werden.“
A propos: Werden unsere Blutspender auch auf Antikörper untersucht um einen Eindruck der Immunen in der Bevölkerung zu bekommen wie in anderen Ländern?