Koalitionsabkommen / Grüne stellen viel Kontinuität fest und sparen mit Kritik
Ein Quartett mit bekannter Besetzung stellt sich vor: Die Grünen starten ohne Polemik und mit gemäßigter Kritik in die erste Parlamentswoche unter der neuen Regierung.
Es hätte ja einiges auszusetzen gegeben an dem Koalitionsvertrag, der am vergangenen Freitag nur per Leak an die Medien und damit auch an die Öffentlichkeit gelangte. Ex-CSV-Parteipräsident Engel hatte es beim Sonderparteitag von Fokus vorgemacht, wie man zumindest Teile eines eher zusammengeschustert wirkenden Abkommens auseinanderzunehmen hatte. Dagegen wirkte die neue Sprecherin von „déi gréng“, Sam Tanson, am Montag bei der Pressekonferenz ihrer Partei vor dem Antritt der Regierung im Parlament eher gemäßigt und mit angezogener Handbremse. Also eher verhalten.
Der Koalitionsvertrag der Christsozialen und Liberalen stehe zu 85 Prozent in der Kontinuität der blau-rot-grünen Vorgängerregierung. Überraschend sei, dass die Politik der vergangenen Jahre also weitergeführt werden solle, so die frühere Ministerin. Die große Mehrheit des Vertrags sei eine Weiterführung „unserer“ Politik. Außerdem solle vieles noch „studiert“ werden, sagte Tanson über die sich im Abkommen abzeichnende Evalutionitis der neuen Regierung. Immerhin gab sie einen kleinen Seitenhieb zum „Hickhack“ und zur „Geheimniskrämerei“ um das Dokument. Überhaupt schien es in dem Zustandekommen darum gegangen zu sein, einen „Vitesse-Rekord“ zu brechen.
Der Elefant,
der eine Maus gebar
Wenn das Parlamentarierquartett schon nicht viel zu bemängeln hatte, dann doch zumindest drei Punkte: Da wäre zum einen, wie wohl die Gegenfinanzierung der von Premierminister Luc Frieden (CSV) angekündigten steuerpolitischen Anreize klappe. Überhaupt handele es sich im Bereich der Steuerpolitik um einen „Elefant, der eine Maus geboren hat“. Tanson warnt davor, dass die Vorgehensweise in der Steuerpolitik für den Steuerzahler noch teuer zu werden drohe. „Was uns Sorgen bereitet: Wie ist es mit der Entlastung von denen, die wirklich nicht viel haben?“, so die Grünen-Politikerin. Die Gefahr bestehe also, dass vor allem jene profitieren, die schon etwas haben, besonders was die geplante Erhöhung des „bëllegen Akt“ und die Anpassung des „amortissement accéléré“ angehe, um die Investitionen anzukurbeln. Bemängelt wird auch, dass die finanziellen Hilfen im Wohnungsbau-Bereich nicht zeitlich limitiert sind.
Zu den richtig „heißen Kartoffeln“ der Politik sagte Tanson, dass es einen Minister – in Person von Claude Meisch (DP) – gebe, der nicht allein für das wichtige Problemressort Logement zuständig sei. Von Priorität für das Dossier sei bei den Liberalen demnach nichts zu sehen. Hier scheine es übrigens ein „Sammelsurium“ an Steuergeschenken zu geben, die aber kaum zu einer Stabilisierung der Wohnungspreise führen würde. Eine weitere „heiße Kartoffel“ wie die Migration werde aufgeteilt zwischen dem DP-Ministerium von Max Hahn und dem Innenressort von Léon Gloden (CSV). Und was die Bekämpfung der Armut angehe, würden konkrete Maßnahmen nicht immer genannt.
Zurück zur Kontinuität: Die neue Regierung setze gerade in der Klima- und Umweltpolitik auf die Vorarbeiten der Vorgängerkoalition, nur sei die Wortwahl, neudeutsch „Wording“, extrem problematisch. Zwar sei insgesamt frappant, dass vom Wahlkampfmodus der CSV nicht mehr viel übriggeblieben sei, aber gerade das „populistische Vorgehen“ von Friedens Partei führe zu dem falschen Eindruck, dass das Problem beim Bauen vor allem der Naturschutz sei. Außerdem bekritteln die Grünen, dass der Atomenergie im Koalitionsabkommen nicht ausdrücklich eine Absage erteilt wird.
Bleibt noch das frühere Ressort der neuen Grünen-Sprecherin: Auch hier gebe es extrem viel Kontinuität. Nur die geplante Einführung von Schnellgerichten (tribunal rapide) bereite „déi gréng“ Sorgen. Auch habe die Menschenrechtskommission keinen Menschenrechtsverteidiger bekommen. Sam Tanson wird sich im Parlament übrigens mit den Themen Europa, Finanzen, Verteidigung, Institutionen, Sport und Justiz befassen; François Bausch mit Arbeit, Landsplanung, Wirtschaft, Energie, Medien und Kommunikation; Meris Sehovic kümmert sich unter anderem um Bildung, Inneres, Mobilität und Familie. Joëlle Welfring um Klima, Forschung und Umwelt.
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Das Grauen hat viele Gesichter.