Differdingen / Günstiger und einfacher renovieren: Klima-Agence startet Pilotprojekt für 4.000 Häuser
Wer schon einmal energetisch renoviert hat, weiß: Die Prozeduren sind komplex. Um das zu vereinfachen, organisiert die Differdinger Gemeinde zusammen mit der Klima-Agence das Pilotprojekt „Zesumme renovéieren“. Bis zu 4.000 Wohngebäude könnten so energetisch analysiert und renoviert werden.
Renovieren ist teuer und zeitaufwendig – vor allem, wenn das Gebäude danach weniger Energie verbrauchen soll. Trotzdem: Die energetische Sanierung und Dekarbonisierung des Gebäudebestands ist laut Luxemburger Klimaplan von „entscheidender Bedeutung“. Doch wie beschleunigt man den umweltfreundlichen Umbau, wenn Geld, Interesse und Fachkräfte begrenzt sind? Das Projekt „Zesumme renovéieren“ in Differdingen soll genau dieses Problem lösen. „Wir versuchen verschiedene Hürden bei der energetischen Renovierung anders anzugehen, um die Menschen besser mitnehmen zu können“, sagt Christiane Conrady. Sie ist Leiterin des Innovationsteams bei der Klima-Agence, das sich um die Umsetzung des Pilotprojektes kümmert.
Grundsätzlich geht es darum, mehrere Häuser gleichzeitig energetisch zu analysieren und zu renovieren. Das sei möglich, weil sich viele Häuser in Differdingen ähneln. „Wir haben einen Gebäudetypen, der wurde 150 Mal in Differdingen gebaut und der Entwurf, den wir jetzt ausarbeiten, gilt dann für die 150 Gebäude“, sagt Conrady. Heißt: Die Klima-Agence hat zusammen mit ihren Partnern einen Steckbrief pro Hausmodell mit allen möglichen Energiesparmaßnahmen zusammengestellt, der dann auf mehrere Haushalte angewendet werden kann. „Wir wissen alle, dass Fachkräftemangel herrscht, und in Typologien arbeiten ist Teil des innovativen Charakters des Projektes“, meint Conrady.
Betroffen sind Wohngebäude mit „großem Renovierungspotenzial“, die viel Energie verbrauchen. In diesem Fall seien das Häuser, die vor den 1990ern gebaut wurden – in Differdingen gebe es viele davon. „Wir gehen davon aus, dass es etwa 6.000 Wohngebäude in Differdingen gibt und in den beschriebenen Bereich fallen etwa 4.000“, so Conrady. Auf der Internetseite des Projektes sind insgesamt 20 dieser Steckbriefe zu finden. Schaut man sich beispielsweise das Dokument „Maison mitoyenne 1900-1930 2 étages“ an, ist zu erkennen, dass eine komplette Renovierung bis zu 80 Prozent Energieersparnisse mit sich bringen könnte. Und: Für die Arbeiten könnten die Besitzer knapp 20.000 Euro finanzielle Beihilfen erhalten. Etwa 600 Häuser in Differdingen fallen in diese Kategorie.
„Menschen neugierig machen“
Das „Renovierungspotenzial“ und die wiederholenden Grundrisse sind allerdings nicht die einzigen Gründe für Differdingen als Standort des Pilotprojektes. Auch der soziodemografische Aspekt sei wichtig. „Wir wissen, dass Renovierungsprojekte finanziell relativ substanziell sein können – und ein Aspekt des neuen „Plan national d’énergie et de climat“ (PNEC) ist auch die ‚just transition‘“, sagt Fenn Faber, Direktor der Klima-Agence. Es sei wichtig, Haushalte einzubinden, die man vorher noch nicht erreicht habe. Das Ziel sei es, „die Ahnungslosen“ anzusprechen – so nennt die Klima-Agence das Zielpublikum intern. „Wir wollen Menschen neugierig machen, die sich noch keine Gedanken gemacht haben“, sagt Conrady.
Zusätzlich zu den finanziellen Beihilfen sei es für schwächere Haushalte auch möglich, eine Garantie vom Staat für den Renovierungskredit zu erhalten. „Wir haben verschiedene Möglichkeiten, aber das Coolste wäre natürlich, wenn wir eine Vorfinanzierung bieten könnten, aber da laufen die Gespräche auf Niveau des Energie- und Umweltministeriums“, sagt Conrady. Vorfinanzierung sei allerdings nicht Teil des Pilotprojektes. „Es wäre natürlich schön, wenn wir das in Zukunft mit anbieten könnten“, sagt auch Faber.
Günstiger renovieren durch Bündelung
Die Klima-Agence organisierte am Montagabend eine Infoveranstaltung für alle Bewohner Differdingens. Etwa 150 Menschen waren gekommen – für die beiden Mitarbeiter der Klima-Agence ein „voller Erfolg“. Das Interesse an diesem Thema sei in vergangener Zeit generell stark gestiegen. „Wir haben es geschafft, eine Art Aufbruchstimmung zu erschaffen“, sagt Faber. Verschiedene Menschen würden ihren Nachbarn nun auch davon erzählen.
Und genau dieser Aspekt sei wichtig. Die finanzielle Last könnte nämlich auch dadurch gemindert werden, dass mehrere Haushalte in einem Viertel ihre Aufträge bündeln. „Während der Infoveranstaltung waren einige Menschen relativ motiviert, das so zu machen“, sagt Faber. Diese Bündelung steigere dann auch die Effizienz: So sei es vielleicht eher möglich, Handwerker „dazu zu motivieren“, den Auftrag anzunehmen und bessere Preise zu erhalten.
Denn das Projekt stelle nicht nur für die Besitzer eine Vereinfachung dar, sondern auch für die Handwerker. „Die Projekte sind schon vorstrukturiert – die Vorarbeit ist also schon gemacht.“ Renovierungsprojekte seien nicht für jeden Betrieb die erste Wahl, weil sie sehr komplex und mit vielem Hin und Her verbunden seien. Sollte sich herausstellen, dass viele Menschen aus einem einzigen Viertel am Projekt teilnehmen, werde die Klima-Agence auch eine Viertelversammlung organisieren, um diesen Aufschwung zu nutzen und vielleicht noch weitere Menschen zur Teilnahme zu motivieren.
Energetisch renovieren soll einfacher werden
In der Praxis sieht es so aus, dass die Klima-Agence die Besitzer so viel wie möglich bei der Renovierung begleitet. „Wir haben eine Viertelmanagerin – das ist eine erste Kontaktperson, die dem Besitzer hilft, zum richtigen Moment den richtigen Partner zu kontaktieren. Der Besitzer muss natürlich seine Anfragen selbst unterschreiben, aber wir wollen einen Ansprechpartner erschaffen und dadurch die Komplexität für die Menschen senken“, sagt Conrady.
Die Besitzer müssten sich trotzdem noch mit einem zertifizierten Energieberater zusammensetzen, um das standardisierte Modell zu personalisieren. „Wenn sie ihr Projekt definiert haben, dann helfen wir ihnen, einen Handwerker zu finden und machen alle Schritte, um die Förderung zu bekommen“, so Conrady. Die Menschen sollen auch schon relativ früh eine Kostenabschätzung bekommen und gleichzeitig eine Gegenüberstellung der Beihilfen.
Damit das alles so reibungslos wie möglich funktioniert, habe die Klima-Agence auch Partnerschaften geschlossen. „Wir haben in den Differdinger Banken Ausbildungen abgehalten und unsere Projekte vorgestellt, damit die Menschen, wenn sie zu ihrer Bank gehen, nicht schon der nächsten Hürde begegnen“, sagt Faber. Um dafür zu sorgen, dass die Renovierungen mit dem Denkmalschutz übereinstimmen, habe sich die Klima-Agence mit dem „Institut national pour le patrimoine architectural“ (INPA) getroffen. Die Steckbriefe der einzelnen Gebäudetypen seien also bereits vom INPA und der Gemeinde abgesegnet. „Wir sind diejenigen, die das Projekt im Alltag umsetzen, aber wichtig sind die Partnerschaften“, sagt Faber.
Sollte sich das Projekt als Erfolg herausstellen, müsse man untersuchen, wie das Prinzip auf nationaler Ebene umgesetzt werden könnte. Dabei spiele auch der politische Wille eine Rolle.
Die Differdinger Bürgermeisterin Christiane Brassel-Rausch zum Pilotprojekt
Neben Amsterdam, Madrid, Paris oder Rom nimmt Differdingen als einzige Luxemburger Stadt an dem Projekt „Smart City 2030“ teil. Insgesamt 112 Städte werden an einem Pilotprojekt der Europäischen Kommission teilnehmen und versuchen, bis 2030 klimaneutral zu werden. „Das Pilotprojekt schreibt sich in dieses Vorhaben ein“, sagt die Differdinger Bürgermeisterin Christiane Brassel-Rausch („déi gréng“) gegenüber dem Tageblatt. „Wir befinden uns in einer Notsituation, wo die Zeit knapp wird – es reicht nicht, darauf zu warten, dass irgendjemand anfängt.“ Sollte das Pilotprojekt Erfolg haben, könnte es später auch in Ortschaften wie Esch, Rümelingen oder Düdelingen eingeführt werden. Also überall, wo beispielsweise Reihenhäuser von der Arbed gebaut wurden. „Es ist wirklich schwierig, eine energetische Renovierung zu machen und dieses Projekt könnte dabei helfen“, so Brassel-Rausch.
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Laut der offiziellen Statistik-Website von Luxemburg gab es im Jahr 2021 insgesamt 8.213 Gebäude in Differdingen, das wird wohl dauern.