Schwarzes Gold / Guinness hat Lieferschwierigkeiten: Ausgerechnet über die Feiertage geht den Briten ihr Lieblingsgetränk aus
Von wegen Marketing-Trick. Zweifelsfrei haben die Feiertage auf der Insel zu Tage gefördert, was schon im Advent gemunkelt wurde: Dem Getränkegiganten Diageo geht eines der wichtigsten Produkte aus. In vielen englischen Pubs bleiben die Zapfsäulen für Guinness, das schwarze Gold im Bierglas, bis auf weiteres trocken. Abhilfe ist frühestens im Februar zu erwarten.
Im legendären Nord-Londoner Pub Faltering Fullback („schwankender Außenverteidiger“) bekommt die Stammkundschaft zum traditionellen Nachbarschaftstreff am ersten Feiertag stets ein Freibier. Viele, zumal jüngere Feiernde verlangten nach einem Pint Guinness – und wurden abgewiesen. „Auf neue Socken kann ich gut verzichten, aber Weihnachten ohne Guinness, das geht eigentlich gar nicht“, maulte Adam Seear. Auch Charles Grane mochte seine Enttäuschung nicht verbergen: „Wie kann denn das sein, dass ausgerechnet über die Feiertage das Bier ausgeht?“
Das fragen sich viele Gastronomen auch. Denn die irische Flaute verspüren auf der britischen Insel keineswegs nur unabhängige Gastwirtschaften wie der Faltering Fullback. Ebenso betroffen sind gewaltige Pub-Ketten wie Admiral Taverns mit beinahe 1.600 Kneipen oder Wetherspoons, in deren fast 800 Standorten jährlich normalerweise 25 Millionen Pints Guinness gezapft werden. Wetherspoons-Chef Tim Martin gab sich zwar, dem Weihnachtsfest angemessen, versöhnlich, schließlich könne er sich seit 45 Jahren auf Guinness als zuverlässigen Lieferanten verlassen. „Aber die müssen mehr Bier brauen.“
Keine Produktionssteigerung
Guinness-Besitzer Diageo sprach zu Monatsbeginn von „außergewöhnlich hoher Nachfrage“, weshalb man die Auslieferung beschränken müsse. Beliefert werden die britischen Nachbarn vom Heimatstandort am St. James’s Gate in Dublin aus, wo Arthur Guinness 1759 mit dem Brauen seines Stout genannten dunklen Bieres begann. Die gewaltige Anlage mit angeschlossenem eigenen Mini-Kraftwerk sei „voll ausgelastet“, eine Steigerung der Produktion vorerst nicht möglich.
Fieberhaft arbeiten Brauingenieure und Handwerker jetzt an einer zusätzlichen, rund 30 Millionen Euro teuren Produktionsstraße am Standort Dublin. Zusätzlich ist eine gänzlich neue Brauerei in der benachbarten Grafschaft Kildare im Bau, die veranschlagten Kosten liegen bei 200 Millionen Euro. Für Diageo gilt es, einen Super-GAU zu vermeiden. Am letzten Januartag beginnt nämlich das legendäre Rugby-Turnier der „Six Nations“, bei dem Irland seinen Titel verteidigt. Und Rugby-Fans gehören zu den treuesten Kunden von Guinness, dem langjährigen Sponsor des Events.
Konkurrenz schlägt zu
Marketing-Spezialisten sprechen mit Hochachtung über die irische Marke, in den letzten Jahren hat die Firmen-Werbung immer wieder Preise erhalten. „Guinness is good for you“, lautete einst der eingängige Slogan für das leicht bitter schmeckende Getränk mit dem Alkohol-Gehalt von 4,2 Prozent. Die dunkle Farbe erhält das begehrte Gemisch übrigens durch einen Anteil gerösteter Gerste, zusätzlich zu den üblichen Bierzutaten wie Hopfen, Hefe und Wasser. Als besonderes Kennzeichen gilt zudem das – vom Produkt her eigentlich überflüssige – Zapfen in zwei Phasen. Auch dafür erfanden die Werbetexter einen schönen Spruch: „Good things come to those who wait“, Gutes erhält, wer warten kann.
Die Absatzkrise hat nun Kritiker auf den Plan gerufen. Offenbar habe Diageo sich zu sehr auf Spirituosen konzentriert und die alte Marke Guinness vernachlässigt, tadelt etwa John Gapper von der Financial Times. Dabei teilte der Konzern bereits vergangenen Juli beglückt einen Bier-Verkaufsanstieg um 18 Prozent mit, ausschließlich bestritten von der ehrwürdigen Marke, die gerade bei jungen Leuten und Celebrities wie Kim Kardashian Zuspruch findet. Dazu trägt offenbar bei, dass das schwarze Gold eher mit einem vergnüglichen Pubbesuch assoziiert wird als mit dem Alkoholkonsum auf dem heimischen Sofa. Dass Diageo nun der gestiegenen Nachfrage nicht Genüge tun kann, könnte sich als „teurer Fehler“ herausstellen, glaubt Gapper.
Womöglich droht dem Marktführer zusätzliches Ungemach durch die lieferfähige Konkurrenz. Im Faltering Fullback-Pub gibt es neuerdings Murphy’s Stout zu trinken. Auf der grünen Insel blieb der Absatz des dunklen Gesöffs zuletzt weitgehend auf die Gegend um die südliche Großstadt Cork beschränkt. Kommt es jetzt zu einem Siegeszug bei den Briten? Die Freunde Seear und Grane hätten jedenfalls nicht dagegen. „Gar nicht so schlecht“, lautete ihr Urteil nach dem dritten Pint.
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