/ Gut versorgt, immer und überall: Hausärzte und „Maisons médicales“ sollen eine wichtigere Rolle spielen
Die nächtliche Schließung der Notaufnahme in Niederkorn im Rahmen des neuen Spitalplans erhitzte unlängst die Gemüter. „Ist mit einem Rückschritt der Gesundheitsversorgung zu rechnen?“, fragten sich viele. Das Tageblatt erkundigte sich. Hier sind die Antworten des Gesundheitsministeriums.
Was ist das Ziel der Zentralisierung der „Urgences“?
Bei allen Anstrengungen des Gesundheitsministeriums zur Neugestaltung der Gesundheitsversorgung steht die Qualität der medizinischen Versorgung im Mittelpunkt, unabhängig davon, wo der Patient wohnt. Dabei wurde bei der Ausarbeitung des neuen Spitalgesetzes besonders der demografischen Entwicklung und den wissenschaftlichen Fortschritten auf dem Gebiet der Medizin Rechnung getragen.
In diesem Sinne wurde auch die Zentralisierung und Neugestaltung der Öffnungszeiten der Notfallaufnahmen entschieden. Die „Urgences“ müssen viele Normen erfüllen, die jetzt per großherzoglicher Verordnung definiert wurden. Sie betreffen z.B. die Organisation der Notdienste, den Ärzte- und Personalbestand, die Infrastruktur, die Ausrüstung sowie die Prozeduren und Vorschriften, die eingehalten werden müssen, wenn ein Patient aufgenommen, verlegt oder entlassen wird. Eine Bündelung an einem Standort aller wichtigen Parameter (technische Plattform, Notfallärzte, Spezialisten, Pflegekräfte, andere akute medizinische Dienstleistungen etc.), die zu einer Notaufnahme gehören, die rund um die Uhr funktioniert, trägt dazu bei, dass die Normen einfacher erreicht werden können.
So werden die Notaufnahmen im Zentrum im CHL, im „Hôpital Kirchberg“, in der „Kannerklinik“ des CHL, im Süden im Escher CHEM und im Norden im Ettelbrücker CHdN zentralisiert. In diesem Sinne fährt der Rettungsdienst beispielsweise direkt in die Notaufnahme des CHEM in Esch und nicht ins HPMA nach Niederkorn beziehungsweise der SAMU Norden nach Ettelbrück und nicht nach Wiltz.
Das Ministerium wird weiterhin intensiv daran arbeiten, mittel- und langfristig das Funktionieren der Notdienste nachhaltig zu verbessern (z.B. durch verbesserte Software, Optimierung des Workflows und bessere Standardisierung der Sortierkriterien).
U.a. im CHEM in Esch wird sich über zu lange Wartezeiten beschwert.
Es stimmt, dass besonders in den Wintermonaten und der Grippezeit die Zahl der Patienten in den Notdiensten steigt. Allerdings konnte festgestellt werden, dass von den über 90.000 Notfällen, die alleine das CHEM pro Jahr aufnimmt, letztes Jahr insgesamt lediglich 77 Patienten im Zeitraum zwischen abends 21 und morgens 7 Uhr mit einem Krankenwagen ins HPMA nach Niederkorn gebracht wurden. Dieser eher geringe Prozentsatz (1,5 Patienten pro Woche zwischen 21 und 7 Uhr) dürfte also keinen merkbaren Einfluss auf die Wartezeiten im CHEM haben.
Was will das Ministerium tun, um die Wartezeiten zu verringern?
Die Notdienste in Luxemburg werden im Vergleich zu denen im Ausland besonders stark in Anspruch genommen. In 35 Prozent der Fälle werden die Notdienste bei leichten Beschwerden oder Verletzungen aufgesucht. Das wirkt sich natürlich auf die Dauer der Wartezeiten aus. Im Jahr 2017 beschlossen das Gesundheitsministerium und das Ministerium für soziale Sicherheit deshalb, etwas gegen die zu langen Wartezeiten zu tun. Anfang 2018 wurden die ersten Verbesserungsmaßnahmen auf Basis eines Audits eingeleitet.
Für die Jahre 2017 und 2018 wurden Finanzmittel in Höhe von 2 Millionen Euro bereitgestellt, damit die Krankenhäuser zusätzliches Personal für die Notdienste einstellen konnten.
Parallel dazu wurde ein „Dashboard“ ausgearbeitet, um die wichtigsten Empfehlungen des Audits in einer drei- bis sechsmonatigen Perspektive festzuhalten. Heute sind bereits gut über die Hälfte der insgesamt 150 Empfehlungen umgesetzt worden oder dabei, umgesetzt zu werden.
Ziel des Gesundheitsministeriums ist es, jeden Patienten innerhalb der ersten zehn Minuten nach seiner Einweisung entsprechend der Schwere seines Krankheitszustandes zu beraten und ihn dann über den Fortgang seiner Versorgung bzw. Behandlung zu informieren.
Weitere wichtige Maßnahmen, welche die Funktionsweise der Notdienste verbessern sollen, betreffen die Anpassung der Räumlichkeiten. In den vergangenen Monaten wurde hierzu eine Bestandsaufnahme gemacht. In dem Zusammenhang hat das Gesundheitsministerium eine substanzielle Aufstockung des Krankenhaus-Fonds („Fonds hospitalier“) von rund 15 Millionen Euro beim Finanzministerium für die nächsten Jahre beantragt.
Zusätzlich wurden Umbauarbeiten im pädiatrischen Notdienst der Kinderklinik genehmigt und die „Passerelle“ für eine „Fast track“-Filière im CHEM in Esch finanziert.
Was sind die „filières de tri“ in den Notfallstationen?
Das Audit über die Notdienste hat gezeigt, dass besonders ältere Mitbürger oder Menschen mit einer geistigen Behinderung häufig längere Wartezeiten in den Notdiensten in Kauf nehmen müssen, da sie meistens ohne lebensbedrohliche Gesundheitsbeschwerden eingeliefert werden.
Um die Versorgung dieser Patienten zu verbessern, sollen in Zukunft sogenannte „filières de prises en charge spécifiques“ in jeder Notaufnahme eingeführt werden. Das wäre eine „filière gériatrique“ für Patienten über 75 Jahre oder eine „filière psychiatrique“ für Patienten mit einer psychischen Krankheit. Damit aber auch Kinder und Jugendliche schneller versorgt werden, ebenso wie Patienten, die einen Hirnschlag oder einen Herzinfarkt erlitten haben, oder schwangere Frauen, werden zusätzlich eine „filière pédiatrique“, eine „filière accident vasculaire cérébral (AVC)“, eine „filière coronaropathie“ und eine „filière gynéco-obstétrique“ eingeführt. Durch diese verbesserte Steuerung des Patientenzustroms wird sich eine schnellere und effizientere Versorgung erhofft.
Was ist der Zweck der Informationskampagne des Gesundheitsministeriums?
Das Gesundheitsministerium initiiert regelmäßig Informationskampagnen, um über die Möglichkeiten alternativer Behandlungseinrichtungen aufzuklären und anzuregen, diese auch zu nutzen, so etwa die Kampagne über die „Maisons médicales“ im Jahr 2017. Im Oktober 2018 wurde die neue Informationskampagne über die Funktionsweise des Gesundheitssystems vorgestellt. Diese wurde gemeinsam mit der Gesundheitskasse (CNS) ausgearbeitet und präsentiert sich in Form einer Broschüre und eines Faltblatts, die dem Bürger auf einfache Art und Weise, anhand von Piktogrammen, die Primärversorgung erklären und nützliche Infos über die verschiedenen Anlaufstellen wie Ärztepraxen, „Maisons médicales“ und Kliniken (Adressen, Öffnungszeiten etc.) geben. Diese sind auf Französisch, Deutsch, Englisch und Portugiesisch erschienen und können bei den Gemeinden oder beim Gesundheitsministerium bestellt werden.
Welche Rolle spielen die Allgemeinmediziner und die „Maisons médicales“ bei der Gesundheitsversorgung?
Die Allgemeinmediziner sind ein wichtiger Eckpfeiler unseres Gesundheitssystems. Daher bleibt ihre Stärkung eine der Prioritäten. Der Hausarzt ist nämlich für viele Bürger der erste Ansprechpartner und eine Vertrauensperson in Gesundheitsfragen. Er spielt aber auch eine wichtige Rolle bei der Überweisung eines Patienten an Spezialisten oder gegebenenfalls in die Notaufnahme. Wenn die Hausarztpraxis geschlossen hat, kann der Patient einen Allgemeinmediziner in einer „Maison médicale“ aufsuchen.
Das Gesundheitsministerium unterstützt zudem die Bildung von Gruppenpraxen, um somit durch flexiblere Arbeitszeitmodalitäten einen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung zu fördern. Auch dies dient der Entlastung der Notdienste in den Krankenhäusern. Das Gesundheitsministerium stellt hierfür auch eine finanzielle Unterstützung zur Verfügung.
Die Einführung einer gratis Smartphone-App zur schnellen Lokalisierung von Arztpraxen, die in unmittelbarer Nähe des Patienten geöffnet haben, soll die Gesundheitsversorgung ebenfalls verbessern.
Ist die Kritik, dass die Wartezeiten in der Kinderklinik zu lang sind, gerechtfertigt?
Das Ministerium ist stets darum bemüht, die Funktionsweise der Notdienste zu verbessern, insbesondere bei Kindernotfällen. Für Eltern, die mit ihrem Kind in die Kinderklinik kommen, fühlt sich jede Minute Wartezeit wie eine Ewigkeit an. Hier wurden bereits erste Maßnahmen ergriffen. Zusätzlich zu den acht Vollzeit-Pflegekräften wurden noch zwei weitere Stellen für Kinderärzte geschaffen.
Wichtig ist es, die Eltern gut über die weiteren medizinischen Schritte zu informieren. Hierfür sollen „Infirmières d’accueil et d’orientation“ eingesetzt werden.
Welche anderen Maßnahmen werden noch ergriffen, um die Behandlung der Patienten zu verbessern?
Neben den bereits genannten Maßnahmen zur Verbesserung der Funktionsweise in den Notdiensten wurden bzw. werden kurz- bis mittelfristig noch eine ganze Reihe anderer Änderungen kommen, darunter beispielsweise die Schaffung eines „Centre de frais spécifiques – Urgences“ bei der Gesundheitskasse. Dieses ist seit dem 1. Januar 2019 in Kraft.
Hinzu kommt noch die Aufwertung der Nomenklatur für Notfallbehandlungen vom Oktober 2018. Es werden außerdem Referenzwerte und Indikatoren eingeführt, die es erlauben, die Aktivitäten in den Notdiensten zu bewerten, um so die zukünftigen Bedürfnisse besser einzuschätzen.
Die jeweiligen Arbeiten in den Krankenhäusern sind bereits im Gange. Im September soll des Weiteren eine Arbeitsgruppe für die Primärversorgung ins Leben gerufen werden.
Bei welchen Leiden wird geraten, eine Notaufnahme aufzusuchen, bei welchen nicht?
Wenn man einen Husten oder eine Erkältung hat, kann der Patient sehr gut von seinem Hausarzt oder in der „Maison médicale“ versorgt werden.
Falls sich herausstellt, dass ein Patient vielleicht doch eine schlimmere Erkrankung hat, wird er sofort in die Notaufnahme überwiesen. Das ist auch einer der Gründe, weshalb sich die „Maisons médicales“ immer in der Nähe eines Krankenhauses befinden. Eine allgemein gültige Liste mit Indikationen von Leiden gibt es nicht. Im Zweifelsfall sollte immer ein Arzt entscheiden.
Das Personal der Notaufnahmen wurde aufgestockt. Wie sieht diese Maßnahme im Detail aus?
Seit dem 1. August 2018 werden insgesamt 20 zusätzliche Pflegekräfte in den Notdiensten für Erwachsene und acht in der Kindernotfallaufnahme vom Ministerium finanziert. Die Krankenhäuser sind dabei, dieses neue Personal einzustellen. Durch die Einführung attraktiverer Tarife für die Notärzte im Oktober 2018 wurde zudem die Voraussetzung geschaffen, damit Krankenhäusern mehr hochqualifizierte Notfallärzte zur Verfügung stehen.
Welche Rolle spielen die Polikliniken der Spitäler?
Die Polikliniken spielen ebenfalls eine wichtige Rolle in der flächendeckenden Gesundheitsversorgung. Aus diesem Grund sieht das Regierungsprogramm vor, dass die sogenannten Proximitäts-Standorte (Niederkorn, Düdelingen, die Zithaklinik und Wiltz) erhalten bleiben. Die Patienten können unangemeldet tagsüber hier vorstellig werden, wenn sie gesundheitliche Probleme haben („policlinique non-programmée triée“).
Patiente-Vertriedung
Präsident René Pizzaferri begrüßt die Zentralisierung der Notfallstationen. Auf diese Weise würden die Patienten an Orten behandelt, wo alle notwendigen Mittel zur Verfügung stünden. Das Problem sei vielmehr die Verfügbarkeit der Ärzte rund um die Uhr. Es könne nicht sein, dass man sechs Monate warten müsse, um einen Termin bei einem Spezialisten zu bekommen. Nach 17 Uhr sei es teilweise ganz schwer, einen Arzt zu konsultieren. Die „Maisons médicales“ würden nämlich erst um 20 Uhr öffnen. Sie könnten länger geöffnet sein, so Pizzaferri. Er begrüßt deswegen die Schaffung von Gemeinschaftspraxen. Die ehemalige Gesundheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP) hatte 500.000 Euro in den Haushalt 2018 eingetragen, um die Ärzte bei der Gründung solcher Praxen zu unterstützen. Gut findet die Patiente-Vertriedung auch den Plan, die „Maison médicales“ an die Notfall-Spitäler anzubinden. Die Polikliniken ihrerseits sollen beibehalten werden, als „cabinets de groupe multidisciplinaires“.
Kritik übt René Pizzaferri aber an den MRT (Magnetresonanztomografie)-Untersuchungen. Hier macht die Vereinigung sich für eine Ausweitung der Aktivitätsperioden stark. Das reduziere die Wartezeiten. Und was die Kinderbetreuung betrifft, so wird die Schaffung, neben der Kinderklinik in Luxemburg-Stadt, einer weiteren Anlaufstelle im Norden, z.B. in Ettelbrück, gefordert.
Die Reform der Gesundheitsversorgung sei prinzipiell gut, so die Bilanz der Interessenvertretung. Man müsse aber abwarten, wie ihre Umsetzung vonstatten gehe. Deshalb bleibt die Patiente-Vertriedung vorsichtig.
AMMD
Die AMMD („Association des médecins et médecins-dentistes“) pochte in ihrer Stellungnahme im Vorfeld des Wahlkampfs im letzten Jahr auf die Ausbildung von qualifizierten Ärzten, um der demografischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Andernfalls drohe ein Ärztemangel. Sie forderte zudem, die Einwanderer, die oft bei einem Gesundheitsproblem die Notaufnahmen aufsuchen, besser über die alternativen Anlaufstellen aufzuklären. Die Organisation begrüßt in dem Zusammenhang die Aufwertung der Hausärzte und Schaffung von Gemeinschaftspraxen.
Lesen Sie hierzu auch den Kommentar von René Hoffmann.
- Roland Breyer, ein Leben im Dienst der Gemeinde - 17. September 2020.
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Tja, am liebsten nicht krank werden, wenn, dann aber richtig bis zum abkratzen. Haben zweimal die Notaufnahme besuchen müssen, leider wie immer an einem Wochenende. Wartezeit 4 Stunden, waren bis dahin nicht abgekratzt.
Preisfrage: Wo geht man hin, wenn die Maison Médicale noch nicht offen ist, oder schon geschlossen sind, und die praktizierenden Ärtze noch nicht geöffnet haben, oder schon geschlossen haben. Eine weitere Fehlplanung des Gesundheitsministerium, aber daran sind wir ja gewohnt.
man muß ja auch nicht für alles zur “ Urgence „, das Problem liegt aber auch bei den allgemein Ärzten die nicht wie früher noch Hausbesuche machen, dazu sind sich die Dame und Herren zu fein auf ihren Anrufbeantwortern raten sie einem in Notfällen zur “ Urgence “ zu gehen.
Auf der einen Seite sagt Lydia Mutsch wir haben genug Personal auf der anderen Seite bemängelt man lange Wartezeiten, was denn jetzt genug oder unterbesetzt. Wenn Niedercorn jetzt schließt kommen diese Menschen auch noch nach Esch, ihnen muß ja schließlich geholfen werden durch die Fusion Düdelingen, Niedercorn und Esch ist das ganze System aus dem Gleichgewicht geraten und die Leittragenden sind natürlich wie üblich immer die Patienten, jetzt kommt das neue Südkrankenhaus dann kann man ja CHEM als Notfallklinik und “ Urgence “ umfunktionieren und nach entsprechender Behandlung die Patienten entweder nach Hause oder in die entsprechende Klinik schicken .