Serie / „Hannert der Leinwand“: Unterwegs mit dem Team des Nachwuchsregisseurs Joé Freilinger
Die Luxemburger Filmwelt hält in allen Bereichen spannende Nachwuchstalente mit neuen Ideen und Projekten bereit. In der losen Serie „Hannert der Leinwand“ nimmt das Tageblatt Sie mit auf eine Reise hinter die Kulissen und beleuchtet den Alltag aufstrebender Filmschaffender. Zum Auftakt begleiten wir das Team um den 17-jährigen Joé Freilinger, der nach drei Kurzfilmen jetzt seinen ersten Langfilm produziert.
Achtung, Spoiler!
In „Vermësst“ dreht sich alles um die Entführung von Denise Peffer, die von ihrem eigenen Ehemann Kevin Peffer durchgeführt wird, um Lösegeld von ihren Eltern, Eric und Henriette Klensch, zu erpressen, nachdem diese im Lotto gewonnen haben. Kevin plant, mit dem erbeuteten Geld und seiner Geliebten Gaby Hinkel ein neues Leben zu beginnen. Denise wird von Gaby während eines Treffens betäubt und in eine abgelegene Hütte im Wald verschleppt. Die verzweifelten Eltern übergeben Kevin das geforderte Lösegeld, ohne die Polizei einzuschalten. Doch Kevin betrügt auch Gaby und flieht mit der gesamten Beute. Denise wird schließlich von einem Förster gerettet, und die Polizei – vor allem die Kommissare Felix Hopp und Serge Krumm – beginnt mit den Ermittlungen, nachdem Gaby ihre Rolle in der Entführung enthüllt. Die Geschichte endet mit Denise, die ihr Leben neu ordnen muss, während Kevin spurlos verschwunden bleibt.
Das Drehbuch schrieben Annette Streitz, Joé Freilinger und Simone Wirth. Hinter den Kulissen sorgen außerdem Roland Weber (Klappe), Giuliano Ceravolo (Fahrer), Patricia Streitz (Catering) und Diane Dupont (Fahrerin und Unterstützung) für einen reibungslosen Ablauf. Die Produktion übernahmen TFPL Film Productions & Feierblumm Productions ASBL. Unterstützt wird das Projekt, neben kommerziellen Partnerorganisationen, unter anderem von der Feierblumm ASBL, dem „Service national de la jeunesse“ und dem CNA („Centre national de l’audiovisuel“). Dort soll der Film nächstes Jahr im April gezeigt werden.
Bergem, 8:30 Uhr
Die Sonne steht noch tief am Himmel, als in der Cité Raedelsbësch bereits reges Treiben herrscht. Der Nachwuchsregisseur Joé Freilinger hat sich mit seinem Team eingefunden, um zwei Szenen seines neuen Krimis „Vermësst!“ zu drehen. Trotz seines jungen Alters führt Joé das Team mit beeindruckender Professionalität. „Man lernt dazu, indem man Dinge tut“, erklärt Joé, der seine Fähigkeiten als Schauspieler, Regisseur und Tonmann vor allem durch praktische Erfahrungen erworben hat.
Das verbindet ihn mit seinem Kamerateam – bestehend aus Pit Serrig, Owen Kremer und Rick Steffen, die allesamt erst vierzehn sind. „Wir legen einfach drauflos“, sagt Pit. „Wenn du die Technik beherrschst und kreativ bist, kannst du fast alles umsetzen. Ich war immer schon fasziniert von Filmen und achte seit jeher auf die kleinsten Details – etwa, was für Rollen es am Set gibt und wie sich wer hinter der Kamera verhält. Zwar wusste ich nie genau, worum es in den Filmen, die ich mir ansah, ging, aber Filmfehler erkannte ich schnell. Was mich besonders begeistert: Die Zusammenarbeit zwischen Menschen, die sich kaum oder gar nicht kennen. Es ist auch beeindruckend, mit so wenig Technik etwas Großes zu erschaffen.“ Pit hat bereits vor fünf, sechs Jahren mit dem Filmen angefangen, damals noch mit seinen Freunden und einem Handy im Park. Owen und Rick sind seit etwa zwei Jahren dabei. „Unsere Grundbasis haben wir in der Schule gelernt. Dort wurde uns außerdem vieles beigebracht, was die Eventbranche angeht“, erklärt Owen.
Ansonsten bringen sich die drei Jugendlichen das meiste selbst – und gegenseitig – bei. Insgesamt bilden sie eine Gruppe von acht Schülern aus dem Lycée Ermesinde, die gemeinsam Film- und Eventprojekte umsetzen.
Ein Großteil des Materials gehört den Jugendlichen, doch einige notwendige Geräte werden von der Feierblumm ASBL zur Verfügung gestellt.
Kurz vor Drehbeginn wird alles vorbereitet: Kameras, Ton und die Schauspieler, die nochmals ihren Text durchgehen. „Action!“, schallt es schließlich durch die Nachbarschaft, gefolgt von „Cut!“. Es wird geprobt, die Kameraeinstellungen werden angepasst und erste Fehler werden analysiert. Gemeinsame Entscheidungen, konstruktive Kritik und ein humorvolles Arbeitsumfeld prägen den Beginn des Arbeitstages.
Die Aufzeichnungen nehmen schließlich mit dem intensiven Dialog zwischen dem Polizisten Felix und dem Protagonisten Kevin über den Fortschritt der Ermittlungen bezüglich seiner verschwundenen Frau Denise ihren Lauf. „Das ist doch selbstverständlich. Ich weiß, dass das Leben meiner Frau auf dem Spiel steht. Da können Sie sich hundertprozentig auf mich verlassen“, sagt Carlo Dias alias Kevin Peffer dem Polizisten Felix Hopp, gespielt von dem 25-jährigen Ryan Cibango. Doch Kevin Peffer lügt, denn er ist selbst für das Verschwinden seiner Frau verantwortlich.
Leudelingen, 12:00 Uhr
Nach einem intensiven Vormittag in Bergem macht sich die Crew auf den Weg nach Leudelingen, wo zunächst ein gemeinsames Mittagessen ansteht. Das Catering wird liebevoll von Joé Freilingers Mutter Patricia Streitz vorbereitet und trägt maßgeblich zur familiären Atmosphäre am Set bei. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle die einzigartige Konstellation von drei Generationen, die an diesem Projekt Hand in Hand arbeiten: Regisseur Joé Freilinger, seine Mutter Patricia Streitz und Oma Annette Streitz, die als erste Regieassistentin und Scriptwriterin tätig ist. Dieser familiäre Zusammenhalt schafft eine ungezwungene, lockere Stimmung, die auch das nicht-verwandte Team schnell mitreißt. Man neckt sich, lacht und arbeitet konstruktiv zusammen.
Nach der Pause geht es weiter in die rue de la Montée. In der nächsten Szene besprechen die Schwiegereltern von Kevin, Henriette und Eric, die anhaltende Ungewissheit über das Schicksal von Denise. „Es ist jetzt schon über zwei Tage her, seit Kevin das Lösegeld übergeben hat, und wir haben immer noch kein Lebenszeichen von Denise“, sorgt sich Henriette. Die emotionale Spannung ist spürbar, und die Schauspieler Wilma Schonckert und Marc Dupong bringen die Verzweiflung und Nervosität ihrer Charaktere authentisch zum Ausdruck.
„Was ich besonders toll finde, sind die Jugendlichen des Filmteams. Die geben uns Hoffnung für die Zukunft“, sagt Wilma später, die gemeinsam mit Marc bereits schauspielerische Erfahrung im Theater in Weimerskirch gesammelt hat. Joé gibt derweil präzise Anweisungen: „Cut!“ „Etwas natürlicher, bitte.“ „Ruhe!“ „Die Tür schließen.“ „Uuund Action!“
Nach nur einer halben Stunde ist die Szene im Kasten. Die anschließende Filmsequenz im Auto erweist sich als etwas aufwendiger, doch mit Kreativität und Know-how meistert das Team auch diese Herausforderung.
Kehlen, 16:30 Uhr
Der nächste Halt führt das Team nach Kehlen, wo in der rue des Juifs eine weitere wichtige Szene gedreht wird: Ein dramatischer Moment, in dem die Polizei Olivier die schreckliche Nachricht vom Tod seiner Frau überbringt. Gerade bei dieser emotionalen Szene unterlaufen dem Schauspielteam eine Menge lustiger Patzer, was jedoch niemandem verübelt werden kann, schließlich geht der Drehtag schon lang.
„Ich bin seit zwei Jahren als Schauspieler in Luxemburg aktiv. Der Beruf interessiert mich, seit ich 12 bin und die ersten Filme geschaut habe. Später habe ich zwei Jahre Schauspiel in Köln studiert und jetzt bin ich seit zwei Jahren professionell unterwegs“, verrät Ryan Cibango zwischendurch. „Es ist schon ein Traum für mich, ich würde das gerne öfter machen – sowohl in Luxemburg als auch im Ausland. Ich spreche mehrere Sprachen und möchte auch in internationalen, großen Produktionen mitwirken. Ich würde gerne auf Netflix zu sehen sein, in Actionfilmen oder Thrillern wie John Wick oder sogar den ‚Transformers’.“ Die luxemburgische Filmszene findet Ryan interessant, sieht aber noch Potenzial für mehr Vielfalt: „Wir könnten mehr Filme für Jugendliche machen, wie ‚Stranger Things’ oder ‚Riverdale’, oder auch Horrorfilme. Ich möchte als Schauspieler verschiedene Rollen spielen, nicht nur Krimis oder Polizeifilme.“
Neben der Schauspielerei ist Ryan auch in der Musik- und Modebranche aktiv. „Vor drei Jahren habe ich eine Werbung für Payconic gemacht und model auch für Marken wie Snipes.“
Nachdem die Szene in Kehlen nach einer Stunde abgefilmt ist, ist erneut Pause angesagt, um die bisher geleistete Arbeit Revue passieren zu lassen. Auf einem Fernseher im Wohnzimmer der Location flimmern die ersten Aufnahmen, die in ausgelassener Stimmung diskutiert werden.
Bergem, 18:00 Uhr
Zurück in Bergem versammelt sich die Crew zum Abendessen. Ein Moment der Ruhe, bevor die letzten Szenen des Tages, die Nachtszenen, anstehen. Trotz der langen Arbeitsstunden bleibt die Stimmung gut und die Motivation immer noch hoch. Diese Abschlussszenen spielen in Denises Keller, wo sie – vor ihrer Entführung – auf zwei unbekannte Koffer stößt und die Polizei informiert. Später stellt sich heraus, dass die Koffer Gaby gehören … und diese ein Verhältnis mit ihrem Mann hat.
Bergem, 22:30 Uhr
Der Drehtag endet. Erschöpfung mischt sich mit Zufriedenheit. Es war ein langer Tag voller harter Arbeit und kreativer Höchstleistungen am Set von „Vermësst!“. Joé Freilinger und sein gesamtes Team zeigten trotz ihres noch sehr jungen Alters eine große Leidenschaft und ein tiefes Verständnis für die Kunst des Filmemachens. „Der Tag ist sehr gut gelaufen. Wir hatten zwar etwas Verspätung, die wir nicht einholen konnten, doch mit dem Resultat bin ich sehr zufrieden“, fasst es Joé Freilinger müde, aber glücklich zusammen.
Auch die Schauspielenden sind glücklich mit ihrer Arbeit, auch wenn Carlo Dias sich wundert, warum ausgerechnet er immer den Bösewicht spielen muss. „Ech weess net, wat se hu mat menger Schnuff“, sagt er. Auch in der neuen Luxemburger Crime-Serie „Marginal“ verkörpert er den Feind. Den Drehtag fand er jedenfalls toll: „Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Die Szenen sind gelungen. Die Jungs haben gut zusammengearbeitet. Es ist ein super Team, und sie arbeiten hart. Es freut mich, mit ihnen zusammenarbeiten zu dürfen.“
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