Eine fast normale 1.-Mai-Feier / Harte Zeit für die Gewerkschaften
Wären da nicht die Masken auf den Gesichtern der Gewerkschafter gewesen, so hätte man sich fast wie auf einer normalen 1.-Mai-Feier abseits jeglicher Pandemie gefühlt, als am Morgen der Umzug des OGBL durch die Escher Alzettestraße zum Rathausplatz zog. Etwas Normalität also an diesem 1. Mai; normal ist die Lage für die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer allerdings nicht. Zahlreiche Sozialkonflikte laufen und die allgemeine Lage ist wenig erfreulich.
Zahlreich waren die Mitglieder des OGBL dem Aufruf ihrer Gewerkschaft gefolgt und wurden mit vielen menschlichen Begegnungen, die während des letzten Jahres allzu oft fehlten, und mit einer eher traditionellen Feier sowie Covid-bedingt einem „Apéro to go“ belohnt.
Nach der Begrüßung durch die Sprecherin der Escher Sektion Nicole Sowa betonte Georges Merenz, Präsident des Landesverbandes, der mit dem OGBL fusionierte, dass es nicht infrage komme, dass die Beschäftigten erneut für eine Krise bezahlen würden, die sie nicht verursacht haben, wie nach der Finanzkrise geschehen. Umrahmt von Klängen des Cellisten André Mergenthaler und dem Sound der OGBL Big Band, ergriff vor dem gut gefüllten Rathausplatz OGBL-Präsidentin Nora Back das Wort (vgl. auch unser Interview mit der Gewerkschafterin).
Zum letzten Mal habe 1991 eine 1.-Mai-Feier in Esch stattgefunden, der 1. Mai bleibe der Tag der Arbeit, des weltweiten Einsatzes für Gerechtigkeit, für sozialen Fortschritt, für Frieden und Demokratie, für Freiheit und Gleichheit. Der 1. Mai dürfe deshalb nicht vor einem Virus haltmachen; die Gewerkschaften würden gerade jetzt gebraucht.
In den letzten Monaten haben die Arbeitnehmer gelitten und müssen noch weiter auf die Zähne beißen, so Back; die Gewerkschaft sei mit einer Situation konfrontiert, die es so noch nie gab. In zahlreichen Corona-Gesetzen habe es rund 30 Änderungen des Arbeitsrechts gegeben. Die Gewerkschaft habe auch in der schwierigen Zeit ihre Rolle erfüllt und habe weiter konkrete Forderungen gestellt. Eine ganze Reihe von Maßnahmen seien erreicht worden, die Absicherung der Jobs und der Existenzen betreffend.
Wirtschaftskrise kann nicht verhindert werden
Ein Ende der Corona-Krise sei noch nicht in Sicht und egal wie lange sie noch anhalte, könne eine Wirtschaftskrise nicht verhindert werden; deren Ausmaß und Dauer müsse allerdings begrenzt werden. In diesem Kontext unterstütze die EU-Kommission die Staaten. Diese mussten ihre Pläne zur Überwindung der Krise, die im Sozialdialog entstehen sollten, bis Ende April einsenden. Die Luxemburger Regierung habe dies im Alleingang gemacht, das Gegenteil also von dem, wie es hätte geschehen müssen.
Nora Back rief die Regierung deshalb auf, den Sozialdialog künftig ernster zu nehmen: Dieser sei die Garantie für sozialen Frieden. In dem Regierungspapier seien zudem keine sozialpolitischen Akzente zu finden, keine Maßnahmen zur Stärkung des Gesundheitssystems, nichts zur Stärkung der Kaufkraft, keine Maßnahmen gegen die Ungleichheiten. Und gerade Letztere würden ständig zunehmen; ein Skandal im reichen Luxemburg mit steigenden Besucherzahlen bei Sozialämtern und „Epiceries sociales“.
John Castegnaro zitierend (1982) unterstrich die Präsidentin: „Virun der Kris hunn se eis net gefrot, fir d’Milliardegewënner ze verdeelen, da solle se eis och no der Kris net froen, fir d’Milliardendefiziter ze bezuelen.“ Ein Rückfall in Austeriätspolitik werden OGBL und FNCTTFEL nicht akzeptieren.
Investitionen und Kaufkraft
Der Schwerpunkt zur Krisenbewältigung müsse nun auf öffentliche Investitionen und auf die Stärkung der Kaufkraft der unteren und mittleren Einkommensschichten gelegt werden.
So müsse u.a. in das Gesundheitswesen investiert werden, der Pflegebereich müsse gestärkt werden; die Pläne zur Teilprivatisierung von Servior müssten zurückgezogen werden. Auch im Schulwesen würden weitere Investitionen gebraucht und es müssten konsequente Lösungen zur Bekämpfung der Wohnungskrise her. Hierbei würde das Land auf direktem Weg in eine soziale Katastrophe steuern. Nora Back ging weiter auf die Klimakrise ein, deren Bekämpfung nicht abgetrennt von sozialer Gerechtigkeit betrachtet werden dürfe.
Die Erhöhung des Kindergeldes, die Aufwertung der Teuerungszulage, ein höherer Mindestlohn und ein gerechtes Steuersystem sind weitere Aspekte der Stärkung der Kaufkraft. Sollte Geld zur Stützung des Staatshaushaltes gebraucht werden, so sei eine progressive Corona-Steuer für die zehn oberen Prozent der Einkommen angebracht.
Die OGBL-Präsidentin sprach weiter die Sektoren an, in denen die sozialen Herausforderungen und somit der Gewerkschaftskampf besonders heftig sind und ging auf die Besonderheiten der Arbeit von zu Hause aus, dem Homeoffice, ein. Das Recht auf Abschalten müsse hier berücksichtigt werden. Reinigungssektor, Handel und auch Industrie kennen zurzeit konfliktuelle Situationen.
Streik bei Eurofoil
Und auch ein Streik zeichnet sich ab. Am Mittwoch stimmten 93 Prozent von 200 Mitarbeitern von Eurofoil während der Urabstimmung für einen Streik. Eine letzte Schlichtungssitzung wird am 6. Mai stattfinden; von dieser erwarten sich die Gewerkschaftler aber kaum ein Einsehen seitens der bislang stur auftretenden Direktion.
„Heemecht“ und „Internationale“ beschlossen die ganz besondere 1.-Mai-Feier, die im nächsten Jahr wohl wieder als Fest der Arbeit und der Kulturen in Neumünster über die Bühne gehen wird.
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Ich glaubte dass, Corona bedingt, auch Kavalkaden abgesagt wurden…
„„Virun der Kris hunn se eis net gefrot, fir d’Milliardegewënner ze verdeelen, da solle se eis och no der Kris net froen, fir d’Milliardendefiziter ze bezuelen.“ War es denn jemals anders? Wer hat denn die Bankenpleite gestützt wenn nicht der Steuerzahler? „Der freie Markt reguliert die Preise!?“ Die Situation auf dem Wohnungsmarkt beweist das Gegenteil. Angebot und Nachfrage.Wer nicht zahlen kann geht leer aus. Das erste Gebot des Kapitalismus.