Luxemburg / Harte Zeiten für Ungeimpfte: Parlament verabschiedet neue Covid-Regeln
Das bislang wohl komplexeste und weitestgehende Maßnahmenpaket zur Eindämmung der Covid-Epidemie wurde am Donnerstagnachmittag vom Parlament verabschiedet; dies kurz bevor erste Regeln ab Mitternacht gelten werden. Ungeimpfte dürfen so etwa nicht mehr in Restaurants oder Gaststätten, es sei denn, sie sind von der Infektion genesen und könne dies nachweisen.
Dass die Impfung das einzig effiziente Mittel zum Kampf gegen das Coronavirus ist, darüber waren sich am Donnerstag alle Fraktionen und politische Gruppierungen einig. Allerdings gab es unterschiedliche Ansichten darüber, wie dieses Ziel einer höheren Impfquote als der aktuellen erreicht werden kann. Das von der Regierung vorgelegte Maßnahmenpaket, das unter anderem ab 15. Januar nur noch Menschen zu ihrem Arbeitsplatz zulässt, die geimpft, genesen oder getestet sind, ging manchen zu weit; für andere fehlt es an Kohärenz oder erscheint sozial ungerecht.
Ob es an dem bereits anstrengenden Programm der letzten Tage lag, ob die Sicherheitsmaßnahmen (ein großes Polizeiaufgebot schützte das Parlament vor einigen wenigen friedlichen und leisen Demonstranten) an die Nerven gingen oder ob es schlicht die zunehmende Corona-Müdigkeit war, sei dahingestellt: Jedenfalls wurde der Ton im Haus der Legislative zeitweise recht rau. Besonders der Noch-Vizepräsident der Regierung und Arbeitsminister Dan Kersch zeigte sich angriffslustig und unterbrach Oppositionssprecher und CSV-Präsident Claude Wiseler gleich mehrmals während dessen Intervention.
Im Vorfeld hatte Mars Di Bartolomeo (LSAP), Präsident der Gesundheits- und Sportkommission, zum 24. oder 25. Mal – so genau wusste er es nicht mehr – ein Covid-Gesetz in gewohnt und mittlerweile routiniert sachlicher Manier präsentiert.
Zu den Maßnahmen, die am Nachmittag mit den 31 Stimmen der Mehrheit bei Enthaltung der CSV und Gegenstimmen von ADR, „déi Lénk“ und Piraten angenommen wurden und von denen viele bereits am gleichen Tag um Mitternacht in Kraft treten, gehört jene, dass im Freizeitbereich die 2G-Regel gelten wird, und dies vorerst bis zum 28. Februar. Dies bedeutet, dass nur noch Geimpfte und Genesene Restaurants und Gaststätten, Kultur- und Sportveranstaltungen besuchen dürfen.
Kontrolle der Identität
Hierbei muss künftig nicht nur ein Zertifikat der Impfung oder des Status der Heilung von der Infektion vorgelegt werden; auch ein Ausweis (oder etwa ein Führerschein) muss beweisen, dass sich das entsprechende Dokument tatsächlich auf diese Person bezieht. Schulkantinen und soziale Restaurants für Bedürftige sind von der Regel ausgenommen.
Sportliche Aktivitäten, die von mehr als zehn Personen durchgeführt werden, fallen unter das Covid-Check-Regime. Ausnahmen gelten für Kinder und für 12- bis 19-Jährige, für die weiterhin die 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet) Gültigkeit hat.
Jugendliche, die älter als 16 sind, dürfen sich nun, auch ohne Zustimmung der Eltern, impfen lassen.
Eventuell teuer kann es dann ab dem 15. Januar für arbeitende, aber impfunwillige Menschen werden. Ab diesem Datum gilt die 3G-Regel am Arbeitsplatz. Wer nicht geimpft, genesen oder getestet ist, der darf nicht zu seinem Arbeitsplatz. Ist der Arbeitgeber einverstanden, darf der Betroffene auf seinen Jahresurlaub zurückgreifen, ansonsten wird ihm kein Lohn für die Fehltage ausgezahlt. Ein Entlassungsgrund ist das Fehlen in dem Fall nicht und auch ein Teil der Rentenbeiträge läuft weiter. Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene, die dennoch zur Arbeit wollen, müssen einen Test vorweisen. Entweder einen PCR-Test, der nur mehr 48 Stunden gilt, oder einen Antigen-Schnelltest, der nur 24 Stunden gültig ist und somit täglich erneuert werden muss.
Darüber hinaus dürfen Firmen- oder Verwaltungschefs Listen mit dem entsprechenden Status ihrer Mitarbeiter führen (die nach Auslaufen des Gesetzes zerstört werden müssen). Für Heimarbeit („télétravail“) gilt das 3G-Konzept nicht, was denn auch mehreren Parlamentariern als ein ungerechter Aspekt des Gesetzes missfiel. Krankschreibungen können zwar von den unliebsamen Auflagen befreien. Arbeitsminister Kersch (LSAP) geht allerdings davon aus, dass Ärzte sich nicht zum wiederholten Ausstellen solcher Zertifikate zur Gefälligkeit verleiten lassen. Die Gesundheitsdirektion wird eine Liste vorlegen, welche Krankheiten eine Impfung verhindern und somit besagte Menschen von den Einschränkungen befreien.
Regeln für Versammlungen
Treffen sich künftig bis zu zehn Personen, so gibt es keine besonderen Restriktionen. Bei Menschenansammlungen von 11 bis 50 Personen müssen zwei Meter Distanz eingehalten werden und es müssen Masken getragen werden oder die Aktivität muss unter Covid Check-Bedingungen über die Bühne gehen. Auch private Zusammenkünfte, etwa Weihnachtsessen mit mehr als zehn Personen, müssen der Gesundheitsdirektion gemeldet werden.
Von 51 bis 200 Personen gilt als weitere Regel, dass Sitzplätze genutzt werden müssen und von 201 bis 2.000 versammelten Menschen ist ein 2G-Covid-Check obligatorisch. Versammlungen von mehr als 2.000 Beteiligten müssen von der Gesundheitsdirektion genehmigt werden.
Diese Maßnahmen, so Mars Di Bartolomeo, sollen niemanden ausgrenzen, die Pandemie allerdings solle wirksam eingegrenzt werden.
Der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft sei bedroht, die Aggressivität nehme zu, so Claude Wiseler (CSV), der dazu aufrief, wissenschaftlich und sachlich zu bleiben. Die Impfquote im Land sei noch immer nicht hoch genug; die Grundprinzipien des neuen Covid-Gesetzes würden von der CSV befürwortet. Allerdings fehle eine bessere Kommunikation seitens der Regierung, der Einhalt verschiedener Regeln sei nicht realistisch und kaum überprüfbar, in den Schulen fehle das notwendige Wissen um die Regeln bei den Eltern und teils beim Schulpersonal. Die CSV werde sich u.a. aus diesen Gründen enthalten.
Gilles Baum, Fraktionssprecher der DP, und Josée Lorsché, Fraktionssprecherin der Grünen, verteidigten das Gesetz ebenso wie Georges Engel, der seine letzte Intervention als Fraktionssprecher der LSAP, ehe er Regierungsmitglied werden wird, machte.
Jeff Engelen (ADR) sprach sich für die Impfung aus, die allerdings freiwillig sein müsse, und Nathalie Oberweis („déi Lénk“) verwies auf soziale Ungerechtigkeiten, besonders bei den beruflichen Einschränkungen.
Das Prinzip „Pay to work“ lehnen die Piraten ab, so Sven Clement, der einräumt, die neuen Maßnahmen seien besser als keine Maßnahmen, dennoch die Ablehnung der Piraten ankündigte.
Nach einigen Klarstellungen von Arbeitsminister Dan Kersch und Gesundheitsministerin Paulette Lenert wurde der Text angenommen und das Parlament verabschiedete sich in die Weihnachtsferien.
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