Karneval / „Hatte mal gesagt, dass ich auf der Bühne sterben will“: Herbert Becker über sein Leben im Fastnachtsfieber
Am Wochenende stehen in Luxemburg die letzten Kavalkaden für dieses Jahr an und bei denen an der Mosel wird Herbert Becker vor Ort sein. Das Gespräch mit dem Gründer eines Karnevalsvereins und langjährigem Mitglied einer Männergarde im deutschen Schweich zeigt, welche Unterschiede es bei Fastnacht zwischen Deutschland und Luxemburg gibt – und wann es an der Zeit ist, die Dinge langsamer anzugehen.
Mit den Kavalkaden in Wasserbillig, Remich und Petingen stehen an diesem Wochenende die letzten Umzüge für dieses Jahr an und dann endet auch in Luxemburg endgültig die Fastnachtssaison – oder, wie der leidenschaftliche Karnevalist Herbert Becker es sagen würde: die „Session“. Der 66-Jährige kennt sich aus mit den Begriffen, der Geschichte und der Tradition rund um die fünfte Jahreszeit. Wohnhaft in Trier, arbeitet er seit mehr als 35 Jahren in Luxemburg und hat sowohl in Deutschland als auch im Großherzogtum so manche tolle Tage mitgemacht.
„Luxemburg hat eine andere Feierkultur. Dort gibt es zum Beispiel viele ‚Fuesbaler‘, das haben wir hier fast nicht. Bis auf Petingen und einige Kappensitzungen in Diekirch gibt es in Luxemburg dagegen keinen Saal-Karneval“, erzählt Herbert Becker bei einem Gespräch in seinem Büro in der Trierer Wohnung. Wer dieses betritt, weiß: Hier wurde und wird Fastnacht gelebt. In einem Regal stehen zahlreiche Pokale, an der Wand hängen, nebeneinander gereiht, Tafeln aus Kork. Daran angepinnt: Medaillen, Orden oder Pins. Alle hat er in Verbindung mit dem Karneval erhalten.
Auftritte in Uniform
„Von den Medaillen habe ich die Bänder abgenommen, so habe ich ausreichend Platz“, erklärt Hebert Becker. Rund 600 sind es ihm zufolge insgesamt, eine Medaille von der „Escher Fuesend“ ist auch dabei. „Die hat mir letztes Jahr der Präsident des ‚Syndicat d’initiative‘ überreicht, als ich für das Tageblatt da war“, erinnert sich der Mann, der seit 1988 als Mediengestalter für unsere Tageszeitung arbeitete und auch Artikel schrieb. Noch in seiner Rente ist er regelmäßig als Korrespondent im Einsatz. „Eine Medaille von Petingen muss auch irgendwo hängen, die habe ich aber nicht gefunden“, gibt er schmunzelnd zu.
Die Mehrheit der Auszeichnungen hat der Karnevalfan – der gerne an Kappensitzungen teilnimmt und Kavalkaden besucht – aufgrund Verdienste in seiner Freizeit bekommen: mit dem Team der Herrengarde „1. Husarenregiment der Narrengilde Stadthusaren Schweich“. Noch heute ist er Ehrenvorsitzender der „Narrengilde Stadthusaren Schweich“, die er 1975 mitbegründet hat. An mehr als 130 Fastnachtsumzügen hat Herbert Becker teilgenommen. „Während der Fastnachtswochenenden waren wir quasi jeden Tag bei einer Kavalkade dabei. Auch am Rosenmontag und am Dienstag. Da hat man sich schon fast gefreut, wenn man am Aschermittwoch die Uniform wieder in den Schrank hängen konnte.“
Die Uniform, das sind ein schwarzer Hut, eine schwere Jacke mit goldenen Knöpfen, weiße Handschuhe, eine weiße Hose und schwarze Stiefel mit goldener Verzierung. „Verkleidet war ich noch nie, ich habe immer die Uniform getragen“, sagt er und macht damit auf einen weiteren Unterschied zwischen Luxemburg und seinem Nachbarland aufmerksam: Nur wenige „Fuesboken“ in Luxemburg tragen beim Feiern die Uniform eines Karnevalsvereins, vielmehr sind sie als Clown, Hippie oder anders kostümiert unterwegs. In der Herrengarde von Herbert Becker wird allerdings Uniform getragen.
365 Tage „Fuesent“
Mehr als vier Jahrzehnte stand er in dieser mit der Männergarde auf der Bühne, tanzte und machte Hebefiguren. „Sportlich ambitioniert“, beschreibt Herbert Becker das. Rund 650 Auftritte hatte der leidenschaftliche Karnevalist in 40 Jahren, alle sind sie in seinem persönlichen Archiv schriftlich festgehalten. Manchmal waren es mehrere Vorstellungen an einem Wochenende oder sogar an einem Abend, wie er sich erinnert: „Vom Bus ging es auf die Bühne, dann wurde dreimal ‚Hellau‘ gerufen und weiter ging es zur nächsten Veranstaltung.“
Rückblickend stellt Herbert Becker fest: „Bei uns war 365 Tage im Jahr ‚Fuesent‘.“ Seine beim Gespräch ebenfalls anwesende Frau Sandra fügt hinzu: „Selbst an Weihnachten.“ Auch die 46-Jährige liebt Fastnacht, ebenso der gemeinsame Sohn Marvin. „Wir sind alle vom Karneval-Virus infiziert“, sagt sie lachend. Kennengelernt hat sich das Paar, als Herbert Becker die Choreografie und Leitung einer Trierer Schautanzgruppe übernommen hatte. „Ich habe dem Karneval die größte Liebe meines Lebens zu verdanken“, sagt er über die Frau, mit der er seit mehr als 20 Jahren verheiratet ist.
November 2015 kann man als Höhepunkt seiner Laufbahn im Karneval sehen, denn damals holte die Herrengarde die Deutsche Meisterschaft. Nur eine Woche später dann der Wendepunkt: Gleich nach einem Auftritt fiel er um und war während einigen Minuten ohnmächtig. Das Auslesen der Daten seines Defibrillators – den er seit einem Herzinfarkt 2009 unter der Haut der linken Brust trägt – zeigte: Ein Herzstillstand war die Ursache. „In einem Anflug von Wahnsinn hatte ich lange zuvor mal gesagt, dass ich auf der Bühne sterben will“, erinnert sich Herbert Becker. Beinahe wäre das der Fall gewesen.
Verfrühter Rentenstart
Nach einem Jahr krankheitsbedingter Beurlaubung war klar, dass er Anfang 2017 vorzeitig mit 59 Jahren in Rente gehen würde. Seit 2017 ist es dann auch mit den Bühnenauftritten vorbei. Gemeinsam mit seiner Frau lässt Herbert Becker es jetzt langsamer angehen. Von den nach wie vor eintrudelnden Einladungen zu Kappensitzungen nimmt das Paar die an, auf die es Lust hat. Der aktive Rentner stellt fest: „Es ist auch einmal schön, zuzuschauen, sich berieseln zu lassen und nicht selbst liefern zu müssen“.
Die Kavalkaden am Wochenende
Am Wochenende finden die letzten Kavalkaden für dieses Jahr statt. Los geht es am Samstag mit der „Nuetskavalkad“ in Wasserbillig. Diese beginnt um 18.11 Uhr und findet während der Abendstunden statt. Die Tickets kosten 8 Euro im Vorverkauf. Im Preis enthalten ist ein Mehrwegbecher für 2 Euro, für kostenlosen Wein während des Umzugs. Mehr Informationen gibt es auf bratzelgecken.lu. Am Tag danach bläst in Petingen dann der Wind, wie es traditionell während der „Cavalcade de Pétange“ heißt. Um 14.11 Uhr beginnt dort die 67. Ausgabe. Wie neuerdings auch in Remich ist der Eintritt bei diesem Umzug kostenlos. Infos gibt es auf kagepe.lu. Am selben Tag startet in der Moselgegend um 14.30 Uhr die letzte Kavalkade der Saison: die „Cavalcade Réimech“. Wie schon im letzten Jahr liegen Routenbeginn und Ende bei der 36. Ausgabe auf der Esplanade entlang des Grenzflusses. Mehr Informationen: cavalcade-remich.lu
Am Samstag nun wird der 66-Jährige die Wasserbilliger Nachtkavalkade besuchen. Als „speziell und besonders stimmungsvoll“ bezeichnet er den Fastnachtsumzug, bei dem Leuchten und Lichterketten die Abendstunden erhellen. Erstmals wird mit der 1848 gegründeten Karnevalsgesellschaft „Heuschreck Trier“ der älteste Karnevalsverein aus Trier dabei und damit außerhalb von Deutschland unterwegs sein. Am Sonntag geht es für Herbert Becker nach Remich zur Kavalkade, bei der aus seiner Sicht die vielen Leute stets für gute Stimmung sorgen. Dank seiner weiteren Leidenschaften (Kochen, Crémant und Wein, oder auch das Reisen), wird ihm aber auch nach Ende der „Fues-Session“ nicht langweilig werden.
- „Gibt noch viel zu tun“: Lydie Polfer äußert sich zur Sicherheit an Zebrastreifen - 20. November 2024.
- Nach Urteil im Zebrastreifen-Streit: Gemeinde legt Berufung ein - 18. November 2024.
- Nach Urteil im Zebrastreifen-Streit: Gemeinde will am Montag reagieren - 15. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos