/ „Held des eigenen Lebens“: Wie der Trendsport Parkour in Luxemburg Fuß fasst
Im Dezember nahm der internationale Turnverband FIG eine neue Disziplin in sein Programm auf: Parkour. Eine moderne, dynamische Sportart, die auch der luxemburgische Verband FLGym verstärkt fördern möchte. Das Tageblatt besuchte die Parkour-Sektion des CG Remich. Er ist einer der zwei luxemburgischen Turnvereine, die diese Sportart anbieten.
Was ist Parkour?
Zusammengefasst ist Parkour eine Fortbewegungsart, bei der es darum geht, den effizientesten Weg zu finden, um von Punkt A nach Punkt B zu gelangen. Dabei lernt man die Fähigkeiten des eigenen Körpers kennen und kontrollieren. „Parkour ist eine Trainingsmethode, die es jedem ermöglicht, jedes Hindernis in jedem Umfeld zu überwinden“, erklärt Stéphane Crichton, Haupttrainer der Parkour-Sektion des CG Remich.
Anders als die traditionellen Turnsportarten wird Parkour im Freien ausgeübt. Die Hindernisse sind im natürlichen oder urbanen Raum zu finden, beispielsweise eine Mauer. Die Art, wie man ein Hindernis überwindet, ist nicht vorgeschrieben. Hier sind den Parkourläufern in ihrer Kreativität keine Grenzen gesetzt. Die Gefahren lernt man selbst genau einzuschätzen. „Wir sind nicht diejenigen, die über Dächer springen“, fügt Emilie Bleser in Anspielung auf ein häufig mit den Sportlern verbundenes Bild hinzu. Überschneidungen mit anderen Disziplinen gibt es auch: Crichton kommt beispielsweise aus dem Kampfsport.
Über sich selbst hinauswachsen
Parkour ist in Filmen oder Videospielen ein großes Thema. Doch viele Kinder und Jugendliche sind sich nicht bewusst, dass sie auch selbst die Fähigkeiten besitzen, dies auszuüben – etwas, das Stéphane Crichton seinen Schülern beizubringen versucht: „Was ich lehre, kann man den ‚Weg des Helden‘ nennen. Was man im Film sieht oder im Videospiel interaktiv mitgestaltet, das kann man auch selbst erleben. Man kann der Held seines eigenen Lebens sein.“
Somit gibt es beim Parkour keine Alters- oder Leistungsgrenzen. Jeder kann mitmachen, wie Crichton bemerkt: „Man sollte die beste Version von sich selbst sein.“ So testet der Haupttrainer des CG seine neuen Schüler erst einmal, prüft zum Beispiel, wie weit sie springen können. Das Leistungsvermögen hält er dann in einer Kurve fest und rechnet eine sogenannte Entwicklungszone aus. „Wenn ich einem Schüler eine Aufgabe gebe, die er mit geschlossenen Augen bewältigen kann, dann wird er nicht mehr lange dabei bleiben, weil dies keine Herausforderung darstellt. Wenn ich ihm eine Aufgabe gebe, die er nie erfüllen kann, dann wird er irgendwann auch gehen, weil es zu schwer ist. Es geht darum, den richtigen Mittelweg zu finden.“
Parkour gilt nicht als Wettbewerbssportart. „Ich kenne Leute, die nur einen Arm oder ein Bein haben und die Sportart trotzdem ausüben. Es geht nicht darum, sich mit anderen zu messen“, ergänzt Crichton. Dass man durchaus Wochen, Monate oder Jahre daran arbeiten kann, ein Hindernis zu überwinden, erklärt der Trainer am eigenen Beispiel: „Ich wollte unbedingt in der Sporthalle in Remerschen das Fenster, das ans Hallendach reicht, erreichen. Dafür habe ich sechs Monate trainiert. Das Gefühl, wenn man es endlich geschafft hat, ist nicht zu erklären.“ Nicht aufgeben, immer weiter versuchen: das ist das Motto der Parkour-Szene.
Die Situation in Luxemburg
Die bekannteste luxemburgische Parkourläuferin ist sicherlich Lynn Jung, die sich auch international einen Namen gemacht hat. Insgesamt wird die Disziplin hierzulande immer bekannter. Neben einer unabhängigen Parkour-Szene und dem CG Remich bietet auch der Turnverein Réveil Bettemburg entsprechende Kurse an.
Im Spätsommer 2018 wurde in Remich zudem ein Parkour-Park eröffnet – etwas, worüber man sich beim „Cercle de gymnastique“ besonders freut. „Es ist sinnvoll, erst einmal mit den Kindern in der Halle zu trainieren, doch Parkour ist einfach eine Straßensportart und da bietet der Park ganz andere Möglichkeiten“, erklärt Yannick Lippert.
Cercle de gymnastique Remich
Mit dem „Cercle de gymnastique Remich“ sind mehrere junge Parkour-Interessierte vor fünf Jahren bei einem Turnverein auf offene Ohren gestoßen. Alles begann mit einer kleinen Gruppe von weniger als zehn Leuten, die anfangs noch mit den Turnern in Remich trainierten. Doch schnell fand man in der Sporthalle in Remerschen ein neues Zuhause und bekam das notwendige Material, um disziplingerecht trainieren zu können.
Inzwischen zählt die Parkour-Sektion 107 aktive Mitglieder. Mit Stéphane Crichton, David Holbrechts, Yannick Lippert und Emilie Bleser kümmern sich vier Trainer um die sogenannten „traceurs“, wie die Parkourläufer auch bezeichnet werden.
Vor allem bei den Jüngsten steigt das Interesse weiterhin. „Wir haben fast ständig neue Kinder beim Training, die Parkour ausprobieren wollen. Das spricht sich schnell in der Schule herum und dann wollen auch die Klassenkameraden mitkommen“, erklärt Lippert. So zählt der Anfängerkurs aktuell rund 30 Kinder, das Durchschnittsalter liegt bei 13 bis 14 Jahren. Dabei kommen die Mitglieder nicht nur aus der Region um Remich. Ein Beweis für die Parkour-Faszination bei der Jugend. Somit würde man neben den Trainingseinheiten am Freitagabend und Sonntagvormittag liebend gerne eine weitere am Samstag anbieten.
Aufnahme in den Weltturnverband: eine Chance?
Im Dezember 2018 wurde Parkour, das 2017 in England als eigenständige Sportart anerkannt wurde, vom internationalen Turnverband FIG als Disziplin aufgenommen. Eine Entscheidung, die unter Parkourläufern auf der ganzen Welt umstritten ist. Dem Hashtag #WeAreNotGymnastics konnte man in den Wochen vor und nach der Entscheidung in Parkour-Kreisen kaum entkommen.
„Das Hauptproblem besteht einfach darin, dass Parkour keine Sportart ist, in der die Athleten gegeneinander antreten, sondern vielmehr gegen ein Hindernis“, erklärt Stéphane Crichton den Geist der Disziplin. Am meisten befürchten die Kritiker, dass der internationale Turnverband versucht, die Freiheiten der Athleten zu begrenzen und diese folglich in ein Regel-Korsett zu zwingen. „Ich habe gelesen, dass man sogar vorschreiben möchte, wie weit die Jogginghosen sein dürfen“, sagt Emilie Bleser.
Viele können sich noch damit abfinden, dass es Wettbewerbe geben wird, bei denen die Zeit gemessen wird, die ein „traceur“ braucht, um eine Reihe von Hindernissen zu bewältigen. Dass es aber Noten für die Haltung geben soll, damit haben viele Probleme. Crichton hat da eine andere Idee: „Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man einen Parkour bewältigen muss, wie etwa beim Ninja Warrior (einer Wettkampfshow, die ihren Ursprung in Japan hat und mittlerweile weltweit, u.a. in den USA, Frankreich oder Deutschland produziert wird, Anm. d. Red.).“
Dennoch sehen die Parkourläufer des CG Remich die Aufnahme in den luxemburgischen Turnverband FLGym als große Chance. „Nachdem die FIG Parkour aufgenommen hat, haben wir selbst Initiative gezeigt und den luxemburgischen Verband kontaktiert“, erklärt David Holbrechts, der vor einem Monat sogar in den Vorstand der FLGym gewählt wurde, um die Zukunft der Disziplin mitzugestalten. „Hier möchte niemand, der keine Ahnung von Parkour hat, uns etwas vorschreiben. Wir werden nicht gezwungen, Meisterschaften auszutragen, wenn wir das nicht wollen. Vielmehr können wir über die Richtung, die unsere Sportart nehmen soll, selbst entscheiden.“
Denn vor allem in puncto Kapazität stößt man beim CG Remich inzwischen an seine Grenzen. Auch die Trainerausbildung sieht Holbrechts als bedeutend für die Zukunft der Disziplin – etwas, das am besten innerhalb eines Verbandes geregelt wird. Die junge Remicher Truppe lässt jedenfalls nichts unversucht, um ihre Sportart in Luxemburg noch weiter voranzubringen.
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