Unterstützung / Hilfe aus Luxemburg: Nepalesische Frauen auf ihrem Weg zur Autonomie
Nepal ist weltweit bekannt für seine Hindutempel, seine buddhistischen Stupas und vor allem für seine über 8.000 Meter hohen Berge und atemberaubenden Trekkingstrecken. Begibt man sich jedoch auf eine mehrstündige Reise mit dem Geländewagen durch die nepalesische Hügellandschaft Richtung Süden des Landes nach Janakpur, etwa 170 km entfernt von der Hauptstadt Kathmandu, stößt man auf ein völlig anderes Landschaftsbild. Berge sind nicht in naher Sichtweite, sondern schimmernde grüne Reisfelder bestimmen das Flachland. Nepal wird nicht ohne Grund häufig als Land der Kontraste bezeichnet. Anna Berkes, Assistentin für Sensibilisierungsarbeit bei der luxemburgischen ONGD-FNEL, besuchte kürzlich die Gemeinschaft der „Musahar“.
Diese südliche Region Nepals, in der die bunten Saris, die die Frauen tragen, einem das Gefühl geben, sich mitten in Indien zu befinden, ist das Zuhause der Dalit-Gemeinschaft „Musahar“, die zu der Kaste der Unberührbaren gehört und seit Jahrhunderten abseits der anderen Bevölkerungen Nepals lebt. Der Begriff „Musahar“ geht darauf zurück, dass die Gemeinschaft sich ursprünglich von Ratten ernährte, um zu überleben, und bedeutet demnach wortwörtlich übersetzt „Rattenfresser“. Die Menschen leben in einem sogenannten „Ökosystem“ mit eigenen Werten und Traditionen, ganz unberührt vom Einfluss der nepalesischen Hauptstadt und der westlichen Welt.
„Der Schein dieser farbenfrohen Welt trügt, denn hinter den Kulissen dieses Ökosystems verbergen sich etliche soziale Probleme“, so Anna Berkes. „Die Verhältnisse, unter denen die Menschen leben, sind sehr ärmlich und prekär. Ein Großteil unter ihnen lebt auf staatlichem Land und arbeitet als Lohnarbeiter, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Zudem mangelt es in der Region an Bildungsangeboten, nicht nur für Kinder, sondern auch für Frauen, deren Situation besonders vulnerabel ist.“
Keine Schule, keine Arbeit
Die Alphabetisierungsrate der einheimischen Frauen werde auf weniger als 4 Prozent geschätzt. Die meisten von ihnen hätten nie eine Schule besucht und würden nicht arbeiten. „Die Stellung der Frau ist, wie so oft in Nepal, auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter reduziert. Nicht selten erleben sie physische sowie psychische Gewalt seitens ihrer Ehemänner bzw. Familienmitglieder, die sie entmutigen, Eigeninitiative bezüglich ihrer schulischen bzw. beruflichen Zukunft zu ergreifen“, so Anna Berkes weiter.
„Um dem entgegenzuwirken, arbeitet die nepalesische NGO SAATH seit 2019 aktiv daran, diese Frauen innerhalb der Musahar-Gemeinschaft zu unterstützen, und hat u. a. ein Projekt entwickelt, das aus einer Fortbildung im Bereich des Nähens und der ,Art Mithila‘, einer sehr farbenfrohen Volkskunst, besteht. Zusätzlich werden Grundkurse in Nepali und Mathematik angeboten. Alle Kurse finden in dem errichteten Learning Center statt, der den Frauen einen geschützten Rahmen bietet, in dem sie sich entfalten und sich mit anderen Frauen der Gemeinschaft austauschen können.“ Seit 2019 unterstützt die ONGD-FNEL dieses Projekt, das darauf abzielt, die Teilnehmerinnen auf ihrem Weg zur Autonomie zu begleiten und ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Die erworbenen Kenntnisse sollen den Frauen späterhin helfen, ihr eigenes Unternehmen zu gründen.
Die Pläne von Anjali und Ronita
Anna Berkes sprach vor Ort mit zwei jungen Frauen über deren Pläne für die Zukunft: „Anjali (15) und Ronita (21) sind zwei der aktuell rund 30 Projektteilnehmerinnen. Die jungen Frauen besuchen seit August dieses Jahres, neben ihren regulären Schulzeiten in einer lokalen staatlichen Schule, das Learning Center und befinden sich noch in der Lernphase. Während Anjali durch einen lokalen Community-Manager von SAATH auf das Projekt aufmerksam wurde und sich dazu entschied, ,Art Mithila‘-Kurse zu belegen, wurde Ronita durch ihren Vater über das Projekt informiert und nimmt an Nähkursen teil. Beide begrüßen es sehr, neben diesen praktischen Kursen auch Nepali- und Matheunterricht zu bekommen.“ Das Bildungsangebot in den staatlichen Schulen in der Umgebung sei mangelhaft.
Was die Zukunftspläne der jungen Frauen betrifft, so seien sie sehr optimistisch eingestellt. Anjali möchte gerne die „Art Mithila“-Kunst vertiefen, um ihr eigenes kleines Unternehmen aufzubauen und Aufträge von Dorfbewohnern annehmen zu können. Sie würde darüber hinaus auch gerne anderen Gemeinschaftsmitgliedern die Praktiken der Kunst näherbringen, damit sie später ebenso ihr eigenes Unternehmen gründen können.
Ronita habe derweil andere Pläne und würde gerne Krankenschwester werden, um die sanitären Bedingungen innerhalb der Musahar-Gemeinschaft zu verbessern und den Menschen in Krankheitsfällen zu helfen. Des Weiteren habe sie das Bedürfnis, der Umweltverschmutzung entgegenzuwirken, denn der Plastikmüll sei aufgrund nicht vorhandener Mülltrennungssysteme sehr hoch. „Anjali und Ronita sind zwei talentierte und ehrgeizige junge Frauen, deren Wille und Motivation, etwas zu lernen und zu verändern innerhalb der Gesellschaft ein gutes Beispiel dafür sind, dass das Projekt von SAATH in Kooperation mit der ONGD-FNEL seine Früchte trägt und auf dem richtigen Weg ist. Die Möglichkeit sich zu bilden, bedeutet für die Frauen eine Chance auf Veränderung, wenn auch nur in kleinen, aber wichtigen Schritten innerhalb des Ökosystems, in dem sie leben“, so Anna Berkes abschließend.
Sensibilisierungswochen
Um die Arbeit von SAATH sowie die vulnerablen Lebensbedingungen der Frauen in Nepal, vor allem in der Musahar-Gemeinschaft, zu thematisieren, organisiert die ONGD-FNEL vom 8. bis 23. November Sensibilisierungswochen mit verschiedenen Aktivitäten. Diese finden in Anwesenheit der Mitgründer von SAATH, Kritishma Karki (Geschäftsführerin) und Ranjit Bijeysh (Direktor für Entwicklung und Verwaltung), statt. Das größte Event, das in diesem Kontext ausgerichtet wird, ist eine Konferenz zum Thema „Education: The leverage point for change in a nepalese community“, die am 21. November (von 18.30 bis 20.00 Uhr) im Auditorium der „Banque de Luxembourg“ für die breite Öffentlichkeit stattfindet. Alle Programmdetails sind unter der folgenden Website abrufbar: www.ongd-fnel.lu (Ansprechpartner: Julie Denève – julie@ongd-fnel).
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