Gaza / Hilferuf eines britischen Arztes aus Rafah: „Das Leid der Menschen ist unvorstellbar“
James Smith kennt die Arbeit im Gazastreifen. Der britische Arzt ist nicht zum ersten Mal dort. Doch was seit dem Einmarsch der israelischen Armee in die Grenzstadt Rafah geschieht, macht die humanitäre Lage für Hunderttausende Menschen noch bedrohlicher, sagt Smith.
Die Drohung hing lange in der Luft. Am Dienstagabend war es so weit. Die israelische Armee ist in die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens eingedrungen. Seitdem besetzt sie dort den Grenzübergang zu Ägypten. Rund 1,4 Millionen Menschen haben nach UN-Schätzungen hier Zuflucht gefunden. Nach Monaten des Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas sind weite Teile des Gazastreifens zerstört, sichere Gebiete gibt es keine mehr.
Die meisten Menschen in Rafah sind bereits Flüchtlinge aus anderen Teilen des Gazastreifens. Die Stadt galt als einer der letzten Zufluchtsorte. Doch die Lage hat sich drastisch verschlechtert. Der britische Notarzt James Smith meldet sich am Mittwochmorgen per Sprachnachricht aus der Nähe von Rafah. „Die Situation hier war schon vor vielen Monaten entsetzlich, und sie hat sich wirklich immer weiter zugespitzt“, sagt Smith zum Tageblatt. „Die Gewaltspirale dreht sich immer weiter“.
Seit Sonntag spitzt sich die Lage zu
Zuletzt hat sich die Lage seit Sonntag nochmals verschlechtert. Erst sterben vier israelische Soldaten beim Beschuss des Grenzübergangs Kerem Shalom durch die Hamas. Israel verortet den Ursprung des Angriffs in Rafah, das es als eine der letzten Bastionen der Hamas sieht, und bombardiert mehrere Ziele in der Stadt. Krankenhausmitarbeiter berichten von Dutzenden Toten. Am Montagmorgen erfahren die Menschen in Rafah von Flugblättern oder auf ihren Handys vom Vorhaben Israels, bald in die Stadt vorzurücken.
Auf den Zetteln steht laut der Nachrichtenagentur AFP: „Die israelische Armee bereitet sich auf ein hartes Vorgehen gegen Terrororganisationen vor.“ Jeder, der vor Ort bleibe, gefährde „sein Leben und das seiner Familie“. Dann die Anweisung: „Zu Ihrer Sicherheit fordert die israelische Armee Sie auf, das Gebiet sofort zu räumen.“ Die Menschen sollen in die „erweiterte humanitäre Zone“ in al-Mawasi fliehen, etwa zehn Kilometer von Rafah entfernt. Am Dienstagmorgen rollen israelische Panzer vor den Grenzübergang zu Ägypten. Die israelische Armee spricht von einer „operativen Kontrolle“ über die palästinensische Seite des Übergangs. Der Einsatz sei „sehr begrenzt“, die gewählten Ziele „sehr spezifisch“.
Smith: Gewalt hätte längst enden müssen
Als der Arzt James Smith sich beim Tageblatt meldet, befindet er sich zwischen Rafah und der rund zehn Kilometer entfernten Stadt Khan Younis. Smith ist seit etwas mehr als drei Wochen im Gazastreifen. Es ist das zweite Mal, dass er seit vergangenem Oktober in dem Gebiet Nothilfe leistet. „Es ist für mich unfassbar, dass wir uns in einer Situation befinden, in der das israelische Militär jetzt in Rafah einmarschieren will, damit sogar begonnen hat – ein Gebiet, das heute zu den am dichtesten besiedelten der Welt gehört“, sagt Smith. In den Vierteln, für die die israelische Armee zu einer Evakuierung aufgerufen hatte, leben nach Angaben der Hilfsorganisation Roter Halbmond etwa 250.000 Menschen.
Smith, der Erfahrung hat mit Einsätzen in Kriegsgebieten, zeigt sich in seiner Sprachnachricht erschüttert. „Das Leid, das die Menschen hier die vergangenen 200 Tage ertragen mussten, ist für die meisten von uns unvorstellbar“, sagt er. Die Gewalt müsse beendet werden, das sei der Kern seiner Botschaft. „Sie hätte schon vor langer Zeit enden müssen“.
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