Westbalkan / Hochverschuldetes Ungarn vergibt großzügig Kredite
Angesichts eingefrorener EU-Mittel greift Ungarn stets stärker auf chinesische Kredite zurück. Gleichzeitig mimt der hochverschuldete Donaustaat auf dem Westbalkan den spendablen Gönner: Mit Krediten und Finanzhilfen müht sich Budapest, den eigenen Einfluss im ausgezehrten EU-Wartesaal zu vergrößern.
Die ersehnte Finanzinfusion für den leeren Staatssäckel lässt Nordmazedoniens Regierungschef Hristijan Mickoski euphorische Huldigungen auf den neuen Landesgönner anstimmen. Ungarns Premier Viktor Orban sei ein „Held“, „der uns hilft, der uns konkret unterstützt“, freute sich der Chef der rechtspopulistischen VMRO-DPMNE über die Amtshilfe aus Budapest. Der Grund für sein Loblied auf seinen Budapester Gesinnungsgenossen: Mitte Juli hat Ungarn dem angeschlagenen EU-Anwärter einen Kredit von 500 Millionen Euro eingeräumt.
Ausgerechnet der hochverschuldete Donaustaat mimt im EU-Wartesaal auf dem Westbalkan den spendablen Gönner. Neben dem von Budapest bereits bewilligten Kredit zum „Wiederaufbau“ des Landes hofft Skopje Anfang 2025 auf einen weiteren Kredit in derselben Höhe zur Umstrukturierung fälliger Altschulden. Dank der niedrigen Zinsen von 3,25 Prozent und einer tilgungsfreien Zeit von drei Jahren, die Budapest gewähre, werde das Land 100 Millionen Euro sparen, jubiliert Mickoski.
Die Budapester Finanzspritzen für Skopje sind kein Einzelfall. Seit 2021 hat Ungarn auch Bosniens angeschlagenen Teilstaat der Republika Srpska bereits 110 Millionen Euro an Krediten und 100 Millionen Euro an Finanzhilfen gewährt – weitere 140 Millionen Euro für Infrastrukturprojekte angekündigt. Auch ins benachbarte Serbien pumpt Budapest Millionenbeträge, die vor allem Serbiens ungarischer Minderheit zugutekommen.
Umstrittene Kredite
Uneigennützig sind die ungarischen Gaben keineswegs. Auch auf dem Westbalkan köchelt EU-Solist Orban sein eigenes Süppchen: Gezielt müht sich Ungarn, seinen Einfluss auf dem zum ureigenen Interessensgebiet erklärten Westbalkan zu vergrößern. Ob Serbiens autoritär gestrickter Staatschef Aleksandar Vucic, Bosniens kontroverser Serbenführer Milorad Dodik oder Nordmazedoniens neuer Premier Mickoski: Vor allem ähnlich getaktete Gesinnungsfreunde können sich der politischen und wirtschaftlichen Unterstützung Orbans sicher sein.
Bei den Empfängern sind die ungarischen Finanzgaben allerdings keineswegs unumstritten. In Nordmazedonien warnen die oppositionellen Sozialdemokraten (SDSM), dass hinter der verkündeten „strategischen Wirtschaftspartnerschaft“ mit Ungarn „glasklare politische Interessen stehen“.
Mit dem Kreditdeal drohe Skopje zur „Geisel“ Ungarns zu werden – und nicht nur die EU, sondern auch internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank oder den IWF vor den Kopf zu stoßen. Sonderlich günstig sei der von Budapest eingeräumte Zinssatz von 3,25 Prozent zudem keineswegs: Von der Europäischen Entwicklungsbank EBRD habe Skopje einen 150-Millionen-Euro-Kredit mit einem Zinssatz von 1,6 Prozent erhalten.
Orban habe an die von der Opposition als „intransparent“ kritisierte Kreditvergabe keinerlei Bedingungen gestellt, versichert hingegen Mickoski. Die Kooperation mit Ungarn sei „unsere interne Angelegenheit“ wischt er gleichzeitig die Warnungen vor negativen EU-Reaktionen beiseite.
Von wo kommt das Geld?
Doch die Zweifel, aus welcher Schatulle die von Budapest großzügig verteilten Gelder eigentlich stammen, haben vergangene Woche neue Nahrung erhalten: Wie das ungarische Wirtschaftsportal „portfolio.hu“ mit Verweis auf die Agentur zur Verwaltung der Staatsschulden (AKK) berichtete, hat Ungarn bereits im April „still und leise“ eine Milliarde Euro an neuen Krediten bei drei chinesischen Banken aufgenommen.
Die Laufzeiten der von China erhaltenen und an Nordmazedonien vergebenen Kredite sind zwar keineswegs gleich. Doch unbestritten scheint, dass der wegen der eingefrorenen EU-Gelder immer stärker auf chinesische Kredite setzende Donaustaat auf dem Westbalkan als Gönner auf Pump agiert.
Im Juni hatte Nordmazedoniens Transportminister Aleksandar Nikoloski noch beteuert, dass Skopje sich nicht bei China, sondern bei einem EU-Staat neu verschulden werde. Nun räumt Premier Mickoski ein, dass er nicht wisse, ob Ungarn den Kredit an Skopje aus eigenen Mitteln bereitstelle oder sich die Gelder dafür „auf dem freien Markt“ beschafft habe: Wichtig sei nur, dass es sich „um eine Vereinbarung zwischen zwei Regierungen“ handle.
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