Bissen / Hochwasservorsorge: „Es gibt nicht nur die eine Maßnahme“
Die oft von Hochwasser heimgesuchte Ortschaft Bissen wird in diesen Tagen etwas näher unter die Lupe genommen. Dies dient dazu, ein integrales Starkregen- und Hochwasservorsorgekonzept zu erarbeiten. Im Juni 2020 erteilte der Gemeinderat aus Bissen diesen Auftrag an das Planungsbüro Hömme aus Pölich (D). Bei einer der geplanten vier Begehungen mischten wir uns in die Gruppe der Fachleute.
„Um die nachteiligen Auswirkungen des Hochwassers in dem betroffenen Gebiet zu vermeiden bzw. verringern, sollen Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten erstellt werden, die zur Entwicklung von Hochwasserrisikomanagementplänen dienen. Dies legt auch die Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (HWRM – RL) 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates fest. Ziel der Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten ist es, Maßnahmen zu planen, die im Falle eines Hochwasserereignisses der Bevölkerung und der Infrastruktur Schutz bieten und eventuelle Evakuierungsmaßnahmen festlegen“, so steht es geschrieben.
Dies geschieht nun auch in Bissen, einer Ortschaft, die in den letzten Jahrzehnten oft mit Hochwasser zu kämpfen hatte. Anfang Juni 2018 wie auch im Februar letzten Jahres war es wieder zu Überschwemmungen gekommen, die in verschiedenen Teilen der Ortschaft hohen Schaden angerichtet hatten. Am Dienstag vergangener Woche fand die erste Ortsbegehung im Gemeindegebiet statt. Den Mitarbeitern des Planungsbüros Hömme wurden von Bürgermeister David Viaggi und Serge Reinhardt („Administration de la nature et des forêts“) die Entstehungsgebiete der vergangenen Sturzfluten und Starkregenprobleme nördlich der rue da la Chapelle und der rue des Jardins gezeigt.
Die neunköpfige Gruppe, bestehend aus Bürgermeister David Viaggi, Schöffe Roger Saurfeld, Serge Reinhardt (Förster), Patrick Bordez (Leiter des technischen Gemeindedienstes), Edouard Sinner („Biergerinitiativ Un der Attert“), Daniel Horsman (Feuerwehrkommandant) sowie den drei Fachleuten des genannten Planungsbüros, Frank Hömme (Diplom-Geograf), Florieke Drenth (Geoinformatikerin) und Volker Thesen (Geograf), besichtigte zunächst die Einzugsgebiete der „Helmeschbaach“ und „Buussbaach“ im nördlichen Gemeindegebiet, die in die Attert unterhalb der Ortslage münden.
Hier bestehe Retentionspotenzial in den Oberläufen der Bäche, das bei Reaktivierung vor allem für die Ortslage Colmar-Berg positive Auswirkungen hätte. Besonders betroffen durch Starkregen waren 2018 die Häuser im Baugebiet „Am Brill“, in der rue des Jardins und der rue Huelbaach sowie unterhalb an der rue de Colmar. Im Außengebiet kam es durch den Starkregen zu wild abfließendem Wasser und einer Überlastung der Bachläufe, sodass das Wasser ausuferte und auch über die rue des Jardins in den Ortskern floss. Auch in der rue des Forges kam es zu massiven Überflutungen. Der Bach entlang der route de Vichten (Landstraße CR 306) führte ebenfalls Hochwasser, das an der Nationalstraße 22 zunächst zurückstaute, bevor es die Straße überschwemmte und die Häuser der rue des Forges flutete.
Festgehalten wurde u.a., dass für einen wirksamen Schutz der Bebauung nördlich der Attert gegen Starkregen die Verbesserung des natürlichen Rückhalte- und Retentionsraumes in den Oberläufen der Bäche und dem großen Einzugsgebiet besonders wichtig sei, sodass die in den Ort abfließende Menge soweit wie möglich gedrosselt wird.
Veränderung des Geländes
Am Dienstag dieser Woche war die Gruppe erneut in und im Umfeld der Ortschaft zwecks Bestandsaufnahmen unterwegs. Schöffe Saurfeld konnte dieses Mal nicht dabei sein, deshalb aber der frisch gebackene Sportkoordinator der Gemeinde Bissen, Raphaël Stacchiotti. Zuerst verschaffte sich die Gruppe auf der Anhöhe oberhalb der rue de la Barrière einen Überblick über das Einzugsgebiet der Gemeinde, bevor man den Heischbach und seine Ufer entlang der route du Finsterthal in Augenschein nahm.
Festgehalten wurde hier Folgendes (auch auf www.hwbissen.lu zu lesen): „Durch den Oberflächenabfluss von den Flächen und das durch Starkregen verursachte Hochwasser der Bäche kommt es an der route de Finsterthal auch zu einem Abfluss in der Straße – bis zu den Wohngebäuden an der Attert. Dort sammelt sich das Wasser in der Senke der Straße und kann nicht abfließen. Zusätzlich sind diese Gebäude durch Hochwasser der Attert betroffen. Zuletzt trat der Fluss hier im Februar 2020 über die Ufer, flutete die Straße und stand etwa 50 Zentimeter hoch auch an den Gebäuden. Hier ist unter anderem Objektschutz für die Gebäude notwendig, um sich gegen das Wasser zu schützen. Eine Entlastung kann außerdem erreicht werden, indem der Attert auf den gegenüberliegenden, unbebauten Flächen zusätzlicher Retentionsraum geschaffen wird und das bei Starkregen in die Straße fließende Wasser vor der Bebauung in die Attert geführt wird.“
Grundsätzlich sei ein wirksamer Schutz bzw. eine Entschärfung der Hochwassergefahr an der Attert im Ort selbst nur durch Maßnahmen am Gewässer zwischen Böwingen und Bissen möglich. Beim Begehen dieses Geländes vor Bissen wurde jedem vor Augen geführt, dass an einigen Stellen durch Veränderung des Geländes und durch Maßnahmen an den Zuflüssen der natürliche Retentionsraum vergrößert und die Rückhaltung des Hochwassers in der Aue des Gewässers so weit optimiert werden kann, dass eine spürbare Entlastung in Bissen erreicht wird.
„Perspektive schaffen“
„Es gibt nicht die eine, alle Probleme lösende Maßnahme, es müssen zahlreiche kleinere und größere Maßnahmen getroffen werden, um der Starkregen- und Hochwasservorsorge gerecht werden zu können“, so Frank Hömme, Geschäftsleiter des gleichnamigen Planungsbüros, gegenüber dem Tageblatt. „Nicht jede Maßnahme ist kostenintensiv. Es braucht hier und da wohl einige bauliche Veränderungen, wie z.B. Mauern, die abgetragen oder anders angelegt werden müssen, um den Wasserfluss nicht mehr negativ zu beeinflussen, es braucht auch die eine oder andere Unterführung mit Rohren, um eine Überschwemmung der betroffenen Straßen und ein damit verbundenes unkontrollierbares Abfließen des Wassers vermeiden zu können, es braucht aber auch ein Umdenken bei Hausbesitzern, die – um nur dieses Beispiel zu nennen – Lichtschächte an ihrem Haus haben, die gleich mit dem Erdboden sind, was das Eindringen von Wassermengen ins Kellergeschoss ermöglicht. Ein Aufsatz von etwa 10 bis 20 Zentimetern könnte da in vielen Fällen bereits eine Lösung herbeiführen. Sie merken, die Bandbreite der infrage kommenden Maßnahmen ist sehr weit, und Genaueres können wir ohnehin erst sagen, wenn alle Bestandsaufnahmen gemacht wurden und ein Gesamtkonzept erstellt werden kann“, so Hömme abschließend.
Auf die Frage, in welchem Zeitraum das Gesamtkonzept denn in die Realität umgesetzt werden könne, gab Bürgermeister David Viaggi zu verstehen: „Die Fachleute sprechen von einer sogenannten Kessellage, in der sich unsere Ortschaft befindet, d.h. bei Starkregen haben wir mit Wasserzufluss aus fast allen Richtungen zu rechnen. Es wird sicherlich Maßnahmen geben, die wir schnell realisieren können, andere werden wohl mehr Zeit in Anspruch nehmen. Wir werden uns im Vorfeld aber auch noch mit der Vereinigung „Waasserhaus“ in Redingen/Attert und natürlich auch mit unseren Nachbargemeinden flussauf- und flussabwärts beraten. Eines ist aber jetzt bereits sicher: Mit der Erstellung dieses Starkregen- und Hochwasservorsorgekonzepts schaffen wir uns als Gemeinde eine Perspektive für die kommenden Jahre.“
Abschließend bleibt noch zu erwähnen, dass die Gemeinde Bissen unter der Adresse www.hwbissen.lu eine spezielle Internetseite zum Thema Hochwasservorsorge ins Leben gerufen hat, auf der man alle Informationen zum Thema aufrufen kann.
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