Editorial / Hofiert wie ein Zar: Der Sport und sein problematischer Umgang mit Autokraten und Diktatoren
Es waren verstörende Bilder während der Siegerehrung des Turnweltcups in Doha. Der russische Turner Iwan Kuliak belegte Platz drei am Barren und hatte das russische Wappen auf seinem Trikot mit einem „Z“ überklebt, als Zeichen der Unterstützung für Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das „Z“ war auch auf russischen Militärfahrzeugen zu sehen, die die Ukraine überfielen. Als Sieger stand übrigens der Ukrainer lja Kowtun neben Kuliak auf dem Podium. Bei diesem Skandal mag es sich um einen Einzelfall handeln, doch irgendwie ist es nicht verwunderlich, dass der Krieg auch Einzug in den Sport hält.
Über die vergangenen Jahre wurde der Einfluss von Russland im Weltsport immer größer. Kein anderer hat den Sport so für seine Propagandazwecke missbraucht wie Wladimir Putin und niemand hat ihn je daran gehindert. Weder als sich Russland durch Korruption die Fußball-Weltmeisterschaft sicherte, noch als er dafür sorgte, dass Russland bei den Winterspielen in Sotschi durch staatliches Doping mithilfe des Geheimdienstes den Medaillenspiegel gewann. Nicht einmal als Putin den olympischen Frieden 2008 (Einmarsch in Georgien am Tag der Eröffnung von Olympia) oder 2014 (Annexion der Krim) brach, war der Aufschrei im Sport groß. Dafür war Russland einfach ein zu wichtiger Partner. Putin hatte seine Oligarchen dazu gebracht, in Sportvereine und Verbände zu investieren. Sein ehemaliger Sportminister und Vize-Regierungschef Mutko saß sogar im Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbandes. Das Bild des großen starken Russland ließ sich durch nichts besser verkaufen als durch den Sport.
Nun wurde Putin von einem Großteil der Sportgemeinschaft fallen gelassen. Das Internationale Olympische Komitee hat den Angriff ebenfalls verurteilt und Putin den Olympischen Orden aberkannt. Allerdings scheint nicht einmal Russlands Angriffskrieg in der Ukraine Grund genug zu sein, damit einige Verbände Putins Vorgehen klar verurteilen. Der internationale Tischtennisverband sprach in einer ersten Stellungnahme weder von Krieg noch von einem Angriff Russlands, sondern lediglich von einem Konflikt in der Ukraine. Einige Tage später revidierte man die Aussage leicht. Das Wort Krieg fiel dann schon, allerdings ohne Russland als Aggressor zu nennen. Etwas weiter unten erklärte man lediglich, den Empfehlungen des IOC zu folgen und russische sowie belarussische Sportler auszuschließen.
Spätestens seit dem Angriff auf die Ukraine muss sich der Sport aber die Frage stellen, ob er durch das Hofieren von Autokraten wie Putin seiner gesellschaftlichen Rolle gerecht wird. Putin wurde nun aufgrund des massiven öffentlichen Drucks von den Weltverbänden fallen gelassen. Ob der Sport dadurch aber vor einer Zeitenwende steht, darf bezweifelt werden. Gestern traf sich FIFA-Präsident Gianni Infantino übrigens mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, um die Entwicklungsmöglichkeiten des Fußballs in Saudi-Arabien zu besprechen.
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Leute die Sport schauen anstatt ihn zu tun, sind nicht die schärfsten Messer in der Schublade.