Editorial / Hohe Inflation und Energiekrise sind ein Härtetest für die Tripartite
Es kam, wie es kommen musste: Die neuesten Prognosen des luxemburgischen Statistikamtes Statec für die luxemburgische Wirtschaft sind noch dramatischer als im August. Im Worst Case drohen vier zusätzliche Tranchen in zehn Monaten zu fallen, zusätzlich zu der auf 2023 verschobenen. Im wahrscheinlichen, „zentralen“ Entwicklungsszenario erwartet Statec eine Inflation von 6,6 Prozent für 2022 und ebenfalls 6,6 Prozent für 2023. Dabei würde der Grenzwert für eine weitere Indextranche wahrscheinlich in diesem November überschritten. Zwei weitere würden 2023 fallen: im März und im September.
Trotz des langen Abwartens der Regierung während der Sommerpause sind die Probleme nicht einfach verschwunden. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn die Inflation und die Energiekrise einfach in diesem heißen Sommer davongeschmolzen wären.
Die Aussichten für Unternehmen und Bürger sind alles andere als rosig. Das verdeutlicht auch die Ankündigung von Sudstroum am Mittwoch, dass das Unternehmen seine Gas-Preise zum 1. Oktober um 110 Prozent erhöht. Der Schritt kommt nicht überraschend: Schon im August rechneten die Energieversorger mit einem Anstieg der Preise. Doch der jetzige Preisanstieg ist noch höher als im August erwartet – und dürfte für viele Kunden eine echte finanzielle Hürde darstellen. Energiespartipps wie Raumtemperaturen von maximal 20 Grad werden für manche Bürger wohl nur noch wie purer Hohn klingen.
Einen klaren Plan, wie das Luxemburger Sozialmodell es durch die Krise schaffen wird, gibt es von der Regierung noch nicht. Zumindest nicht offiziell. Nach einem langen Tag, während Gewerkschaften und Patronat im Staatsministerium vorbeischauten, um über die jüngsten Prognosen zu sprechen, trat Xavier Bettel vor die Presse – und spielte mit ziemlich verdeckten Karten. Der Statec-Bericht wurde zwar im Detail vorgestellt, doch Lösungsansätze suchte man in seinen Worten vergeblich. Diese sollen während der Tripartite gemeinsam mit den Gewerkschaften und dem Patronat erarbeitet werden. Die Verhandlungen beginnen nun – endlich, mag so mancher sagen – an diesem Sonntag und sollen bis zum 20. September laufen.
Sollte eine gemeinsame Einigung tatsächlich gefunden werden, müsste diese dann noch in ein passendes Gesetz gegossen und vom Parlament verabschiedet werden. Ein Prozess, bei dem es bereits nach der letzten Tripartite einiges an Problemen gab.
Doch dieses Mal wird das Luxemburger Krisensystem einem echten Härtetest unterzogen. Denn im Gegensatz zu vorherigen Notständen kann die Regierung nicht einfach zur gut gefüllten finanziellen Gießkanne greifen und großzügig überall Hilfen verteilen. Nach langen Pandemiejahren und den Nachwehen früherer Krisen sind die Geldspeicher alles andere als gut gefüllt – und die Situation ist noch dramatischer als bei der letzten Tripartite im März 2022.
Die Tripartite muss nun den Spagat schaffen: sowohl über den Index die globale Kaufkraft erhalten als auch ganz gezielt dort Hilfen einführen, wo es eng werden wird. Die Finanzspritzen müssen dort angesetzt werden, wo sie wirklich gebraucht werden – und dürfen nicht das Vermögen der Reichen aufblähen. Die richtige Vene zu finden und sicherzustellen, dass der Patient Luxemburg mit allen Bestandteilen gut durch die Krise kommt, das wird für alle Teilnehmer bei der kommenden Tripartite eine riesige Herausforderung sein. Denn es brennt – oder zieht, wenn die Energierechnungen nicht beglichen werden können – an allen Ecken und Enden.
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