Beruf Totengräber / Hubert Flener: „Der Respekt vor dem Toten ist das Wichtigste“
Seit über 30 Jahren hat Hubert Flener beruflich mit dem Tod zu tun. Als Totengräber ist er tagtäglich mit ihm konfrontiert.
Dienstagmorgen am neuen Friedhof in Zolver. Hubert Flener hat den Leichenwagen geparkt und trägt die Urne mit der Asche eines im Alter von 70 Jahren verstorbenen Mannes in die Leichenhalle. Eine Stunde vor der Zeremonie ist Flener bereits vor Ort. Er sieht aus, wie man sich jemanden in seinem Beruf vorstellt: gepflegtes Äußeres in einem schwarzen Anzug, diskreter Auftritt. Flener überlässt nichts dem Zufall, platziert die Urne in der Mitte des Saales, stellt die mitgebrachten Kerzen auf und wartet auf die Ankunft der Angehörigen. Nach der gut zwanzigminütigen Zeremonie in der Leichenhalle bringt er die Urne zur Gedenkwiese, wo die Asche des Verstorbenen verstreut wird. Dann ist Hubert Fleners Job erst einmal erledigt.
Wie viele Zeremonien dieser Art er schon miterlebt hat, kann er nicht mehr sagen, dafür waren es zu viele. Flener ist Totengräber, und das bereits sehr lange. Der 67-Jährige arbeitete bis zu seiner Pensionierung vor zwei Jahren für die Escher Gemeinde am Sankt-Josefs-Friedhof. Seinen Zweitjob beim Bestattungsunternehmen Brandenburger gab er nicht auf, weshalb er auch am Dienstag in Zolver im Einsatz ist. Wenn jemand etwas über den Tod zu erzählen hat, dann er. „Der Respekt vor dem Verstorbenen ist das Wichtigste, denn wir alle sind einmal dran“, sagt Flener.
Der erste Tote, den er sah, war sein Onkel. Der hatte sich 1984 erhängt. „Der Anblick hat mir keine Angst gemacht“, sagt Flener. 28 Jahre jung war er damals. Geboren in Differdingen, wuchs Hubert Flener in einer typischen Arbeiterfamilie auf. Der Vater war Bergmann in der Thillebierg-Mine, Hubert hatte vier Geschwister. Er selbst wollte Mechaniker oder Zöllner werden, musste aber mit 15 arbeiten gehen, um die Familie zu unterstützen. Zunächst tat er das beim Gemüsehändler in Petingen, dann fuhr er Lieferwagen und arbeitete später in einer Fabrik in Foetz. Bis 1993 die Stelle am Josefs-Friedhof in Esch frei wurde. Seitdem hat Flener beruflich mit dem Tod zu tun.
Ein Knochenjob
„Zu Beginn war das schon seltsam, jeden Tag mit dem Tod konfrontiert zu sein“, erzählt Flener, „jedenfalls war das ein Knochenjob. Die Gräber werden noch heute mit der Schaufel ausgehoben, nicht mit einem Bagger. Wir reden von zwei Metern Tiefe und wenn bereits ein Sarg im Grab ist, dann immerhin noch von 1,50 Metern“. Im Laufe der Jahre wurde die Arbeit leichter, was zwei Ursachen hat: Seit der Jahrtausendwende werden immer mehr Menschen eingeäschert und verstreut. Und am historischen Josefs-Friedhof werden keine neuen Grabkonzessionen mehr vergeben.
Überhaupt scheint sich das Verhältnis der Menschen zum Tod geändert zu haben: „Das sieht man zum Beispiel an Allerheiligen. Da ist auf den Friedhöfen viel weniger los als früher. Auch bei Begräbnissen sind weniger Leute anwesend. Das gilt vor allem für die Städte, auf dem Dorf ist das noch anders“, sagt Flener. Ausnahmen bestätigen die Regel, bei Beerdigungen von Italienern würden gerne mal 100 Menschen zusammenkommen, bei Kapverdiern seien es nicht selten bis zu 300.
Da muss man hart sein. Aber es gehört zum Job. Man muss das ablegen, bevor man nach Hause geht.
Mit 65 Jahren wurde Flener bei der Gemeinde pensioniert, seinen Zweitjob bei den „Pompes Funèbres“ Brandenburger aber gab er nicht auf. Seit nunmehr elf Jahren arbeitet er für das Bestattungsunternehmen aus Esch. „Wir holen die Toten ab, ziehen sie an und schminken sie, wenn die Angehörigen das wollen.“ Eine spezielle Ausbildung hierzu hat Flener nicht, er hat sich die Technik von den Kollegen abgeschaut. Dabei gilt wie im Leichenhaus: Diskretion und Respekt vor dem Verstorbenen. „Vom Kopf her ist das nicht immer einfach. Ein älterer Mensch hat sein Leben gehabt, aber wenn Kinder betroffen sind, ist es schlimm, zumal ja die Familie vor Ort ist“, erzählt Hubert Flener, „da muss man hart sein. Aber es gehört zum Job. Man muss das ablegen, bevor man nach Hause geht“. Denn dort wartet die eigene Familie. Flener ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. „Es ist kein einfacher Job, aber er muss gemacht werden. Und wenn es schwierig war, habe ich mir immer gesagt: Wenn die anderen das können, dann kann ich das auch.“
Er hat viel gesehen und erlebt. Die tödlichen Verkehrsunfälle seien schlimm, eigentlich alles, was mit einem plötzlichen und unerwarteten Tod zu tun hat, sagt der Differdinger. In diesen Fällen bringt er die Leichen meist ins Laboratorium nach Düdelingen, ansonsten in die Leichenhalle der jeweiligen Gemeinde.
Tod macht keine Pause
Der Tod macht keine Pause, Flener hat regelmäßig Bereitschaftsdienst und wird nicht selten mitten in der Nacht gerufen, wenn ein Mensch in seinen eigenen vier Wänden stirbt. Dann fährt er mit einem Kollegen hin, die Leiche wird zunächst in eine Hülle gesteckt, dann in einen Sarg gelegt. Die Arbeit erledigen Flener und Kollegen ohne viel Worte, auch das verlangt die Diskretion. Den Angehörigen geben sie anschließend noch die Möglichkeit, sich vom Toten zu verabschieden. Nicht jeder will das. „Eine Frau, deren Ehemann gestorben war, antwortete uns einmal: Warum soll ich den jetzt noch sehen wollen, ich habe ihn mein ganzes Leben lang gesehen.“
Sein Bruder sei früh an Lymphdrüsenkrebs gestorben. Er habe nie geraucht oder getrunken, erzählt Flener. Seinen Vater hat er nach dessen Tod selbst im Pflegeheim abgeholt, ihn auch angezogen. Der Tod gehört für Hubert Flener zum Alltag und dazu zählt auch, Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte zu beerdigen. Er wurde katholisch erzogen, trotzdem glaubt er nicht an ein Leben nach dem Tod: „Der Tod ist das Ende, dann ist es gelaufen.“
So denkt einer, der tagtäglich mit dem Tod konfrontiert wird. Angst vor dem eigenen Lebensende hat Hubert Flener nicht. Er zuckt mit den Schultern: „Es wird uns alle einmal treffen, das ist sicher. Der Tod ist etwas Normales. Ich würde natürlich am liebsten in meinem Bett im Schlaf sterben“, sagt er, „doch wie hat mein früherer Chef immer gesagt: Das Leben ist kein Wunschkonzert.“ Und der Tod auch nicht.
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