Europawahlen / „Ich habe nichts zu verstecken“: Monica Semedo über Höhen und Tiefen im EU-Parlament
Die EU-Parlamentarierin der liberalen Renew-Fraktion, Monia Semedo, hatte ihre „Höhen und Tiefen“ während ihrer Zeit im Europäischen Parlament (EP). Als DP-Politikerin begann sie ihr Mandat in Straßburg, nun will sie auf der Liste von Fokus ihre Arbeit dort weiterführen.
„Die Zeit ist sehr schnell vergangen“, findet Monica Semedo, die insgesamt eine „positive Bilanz“ von ihrer fünfjährigen Mandatszeit ziehen will. Dabei erinnert sie sich noch lebhaft an ihre ersten Tage als Abgeordnete im EU-Parlament, das sie bislang nur aus Büchern kannte. Es habe sie an ihre ersten Tage im Lyzeum erinnert, als sie nach Orientierung suchte und feststellte, quasi niemanden zu kennen. Schnell habe sie sich mit der niederländischen VVD-Abgeordneten Liesje Schreinemacher angefreundet, die im gleichen Gebäude wie sie wohnte, später jedoch in die niederländische Regierung wechselte. Mit ihr suchte sie Antworten auf: „Wo muss ich hin, wann passiert was?“
Monica Semedo wählte als ihre Arbeitsgebiete den Ausschuss für Beschäftigung und Soziales, sowie den Ausschuss für Kultur und Bildung. Im Ausschuss für Wirtschaft und Währung fungierte sie als Stellvertreterin. „Vor allem die Arbeit im Sozialausschuss ist mir wichtig“, sagt die Renew-Abgeordnete. „Ich selbst komme nicht aus einem privilegierten Haushalt“, erzählt sie weiter, weshalb sie sich dafür einsetzen will, dass jeder allen Möglichkeiten erhält, um seinen Weg im Leben zu gehen. „Es geht dabei nicht so sehr um finanzielle Transfers, sondern darum, Chancen zu schaffen“, erklärt Monica Semedo. Für ihre Arbeit im EP habe sie sich daher eine Maxime gegeben: „Chancengleichheit, Inklusion, Diversität.“
Ich habe nichts zu versteckenliberale EU-Parlamentarierin
Eines der bedeutendsten Dossiers, an dem sie für ihre Fraktion mitgearbeitet hat, war das vom luxemburgischen EU-Sozialkommissar vorgelegte Gesetz über den Mindestlohn. Diese Richtlinie betreffe Millionen von Menschen in der EU, die hart arbeiten, doch Mitte oder spätestens am Ende des Monats nicht mehr viel Geld übrig hätten, sagt die Liberalen-Politikerin. Mitgewirkt hat sie ebenfalls an der Ausgestaltung des Europäischen Sozialfonds Plus, mit dem unter anderem Projekte finanziert werden, die Jugendliche in eine Ausbildung bringen, die Kinderarmut bekämpfen und die soziale Inklusion von Menschen aus Drittstaaten fördern.
Doch Monica Semedo hielt bei zwei sogenannten Initiativberichten auch selbst die Feder in der Hand, will heißen, sie war eigentliche Berichterstatterin im EP. Zum einen ging es dabei um die Situation der Künstler und Kulturschaffenden, von denen im Theater, in der Film- und Musikbranche wiederum viele Berufe abhängig sind. Im Initiativbericht, der die EU-Kommission zur Vorlage legislativer Texte anregen soll, sei über die Schaffung eines europäischen Statuts für Künstler nachgedacht worden. In Luxemburg und Frankreich seien Fragen wie eine Sozialversicherung und Renten für Künstler bereits geregelt, in anderen EU-Ländern jedoch nicht. Zudem enthalte der Bericht Vorschläge über die Weiterbildung von Kulturschaffenden. Als eine, die selbst in diesem Bereich gearbeitet habe, habe sie gewusst, um was es gehe, sagt Monica Semedo, deren Bericht denn auch „immens gut im Sektor angenommen wurde“, wie sie meinte.
Sanktionen wegen Mobbings
In einem zweiten von ihr verfassten Initiativbericht werden qualitativ bessere Praktikumsmöglichkeiten für Studierende oder Auszubildende gefordert. Neben einer Bezahlung sollen für ein Praktikum klare Lernziele festgelegt werden und eine Bewertung des Praktikanten vorgelegt werden, findet Monica Semedo. Eine europäische Regelung dazu sei sinnvoll, da junge Menschen heutzutage mobiler seien und sich daher über die Landesgrenzen hinweg nach Praktikumsplätzen umsehen. Im März nun hat die EU-Kommission eine Richtlinie zu hochwertigen Praktika, die von der Renew-Politikerin allerdings als „nicht zufriedenstellend“ erachtet wird, vorgelegt.
Und dann gab es auch die Tiefen im Abgeordnetendasein der ehemaligen DP-Politikerin. Im Januar 2021 sprach nach einer internen Prozedur der damalige EP-Präsident David Sassoli erstmals Sanktionen wegen Mobbings ihrer Mitarbeiter gegen die luxemburgische Abgeordnete aus. Im April 2023 folgte aus den gleichen Gründen ein weiterer Sanktionsspruch. Gegen den sie allerdings vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage erhoben hat. Zum einen seien, noch bevor die Prozedur zum zweiten Fall richtig angelaufen sei, Informationen dazu an die luxemburgische Presse geleakt worden, zum anderen habe sie sich „nicht ordentlich verteidigen können“ in dem Verfahren, sagt Monica Semedo. Die zudem von der Personal-Direktion sowie dem juristischen Dienst des EU-Parlaments ermahnt wurde, aus Gründen der Vertraulichkeit nicht öffentlich über den Inhalt des Falls zu kommunizieren. „Ich will Transparenz schaffen, sagen, um was es konkret geht“, sagt die EP-Abgeordnete, auch um ihre Wähler zu informieren. „Ich habe nichts zu verstecken“, gibt sie sich offensiv. Daher habe ihr Anwalt für die Verhandlung vor dem EuGH, die möglicherweise im Juni oder Juli stattfinden könnte, eine öffentliche Sitzung beantragt.
Gegen Rassismus, für Diversität
Trotz dieser „Affären“ habe sie „dennoch das Vertrauen der Fraktion erhalten, meine Dossiers weiter bearbeiten zu können“. Obwohl es auch Versuche gegeben habe, sie aus der liberalen Parlamentsgruppe auszuschließen, so Monica Semedo. Die dann auch weiter gemacht hat, etwa in der Intergruppe „Behinderung“ des EP, wo sie sich für eine bessere Inklusion von Menschen mit einem Handicap einsetzt. Was mittlerweile zu einem sehr persönlichen Anliegen der liberalen Abgeordneten geworden ist, nachdem sie einen beträchtlichen Teil ihres Augenlichts verloren hat. Zudem engagiert sie sich in der EP-Intergruppe ARDI gegen Rassismus und für Diversität.
Dieses Engagement und ihre Arbeit im EU-Parlament will die 39-Jährige nun weiter führen, auch weil sie „von der Europapolitik fasziniert“ sei, wie sie meint. Bei den letzten Europawahlen schaffte es Monica Semedo als insgesamt Viertgewählte mit 50.890 Stimmen problemlos in die europäische Volksvertretung. Nachdem sie Ende Januar 2021 die DP verlassen hatte, tritt sie nun neben Frank Engel auf der Fokus-Liste an. Mit allerdings weitaus geringeren Erfolgsaussichten als 2019.
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