Eurovision / Ignorieren geht nicht mehr: Der Nahost-Konflikt und der ESC
Die Mär vom unpolitischen Eurovision Song Contest wurde in diesem Jahr endgültig zu Grabe getragen. Da kann sich die European Broadcasting Union noch so drehen und wenden: Sowohl die Künstler als auch die Fans wollten ihrer Meinung zum Thema Nahost-Konflikt und der Entscheidung der EBU, Israel nicht vom Contest auszuschließen, Luft machen.
Von den Protestierenden stand die Forderung im Raum, Israel genauso zu behandeln wie Russland und Belarus nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges. Nur seien diese beiden Länder offiziell nicht wegen der Kriegshandlungen, sondern wegen der staatlichen Kontrolle der Medien ausgeschlossen worden, sagt die EBU. Das empfinden die meisten empörten Fans aber anders – und führen an, dass auch in Israel eine enorme Kontrolle der Regierung auf die öffentlichen Medien existiert. Die Entscheidung der EBU stand berechtigterweise in der Kritik.
Die enorme Wut der pro-palästinensischen Fans und Künstler sowie die scheinbar hinter den Kulissen provozierende israelische Delegation gipfelten in einem Chaos, von dem sich der ESC wohl nicht so schnell erholen wird. Doch leider führten die fast schon kindischen Eklats auch dazu, dass die großen Proteste in Malmö, an denen mehr als 20.000 Menschen teilnahmen, in der Presse kaum erwähnt wurden. Es wurde also wieder nur über die Handlungen einiger weniger gesprochen und nicht über den Konflikt und mit den Betroffenen selbst.
Mit blindem Aktionismus, Provokationen und Hass wird sicher kein Ende des Nahost-Konflikts erreicht. Schon gar nicht vom ESC aus. Das ist der völlig falsche Ort dafür und die Fronten sind zu verhärtet, als dass irgendwelche Worte und Buhrufe von ein paar Fans gegen eine israelische Sängerin zu mehr „Frieden“ und „Verständnis“ führen. Klare Kante kann man auch zeigen, ohne dass man sich selbst ins Zentrum stellt und versucht, eine zu einem Gesangswettbewerb angereiste junge Frau zu Tränen zu mobben.
Große, friedliche Protestzüge können dazu beitragen, dass bei diesem Konflikt nicht schon wieder weggesehen und stattdessen über das Schicksal Palästinas gesprochen wird. Denn der ewig schwelende Konflikt im Nahen Osten und seine katastrophale Zahl menschlicher Opfer wurde viel zu lange einfach ignoriert.
Ein Eklat bei einem Musikevent, das die meisten Menschen nur ansehen, um ein wenig abzuschalten, und die meisten ein paar Tage später schon wieder vergessen haben, trägt allerdings wenig bis gar nichts zur Lösung bei.
- „Nach all dem was passiert ist, ist man verunsichert“ - 15. November 2024.
- Bei den Wahlen in den USA ist das Chaos vorprogrammiert - 2. November 2024.
- Rechte für Menschen mit einer Behinderung: Es reicht mit den leeren Versprechungen - 14. Oktober 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos